Von Tieren und deren "Verwertung"
*update* [07.01.2018]

"Die Kat­ze schaut auf uns runter.
Der Hund schaut zu uns auf.
Das Schwein begeg­net uns auf Augenhöhe."


[Leicht ver­än­dert zitiert aus die­sem Arti­kel]
 

Das obi­ge Zitat ist sicher all­seits bekannt - min­de­stens was die größ­ten Grup­pen von Haus­tie­ren angeht, näm­lich Kat­zen und Hun­de. Die erwei­ter­te Fas­sung schließt nun die Schwei­ne ein, die in Mas­sen­hal­tung unter unsäg­li­chen Bedin­gun­gen ihr Leben fri­sten und des­we­gen bestimmt nicht 'glück­lich' sein können.
Wie so oft wer­den in dem Bestre­ben Tie­ren mehr Rech­te zuzu­ord­nen die Gren­zen so hoch gesetzt, dass eine wirt­schaft­li­che Hal­tung bei der augen­blick­li­chen Nach­fra­ge nicht erreicht wer­den kann. Dabei wäre es sicher schon ein Fort­schritt zunächst die Zahl der gemein­sam gehal­te­nen Tie­re in einer Stall­an­la­ge zu redu­zie­ren und jedem Tier mehr Platz zu ver­schaf­fen. Nach und nach könn­te dann über wei­te­re Maß­nah­men ent­schie­den wer­den um schließ­lich zu einer "art­ge­rech­ten" Hal­tung zu kommen.

Das ein Schwein nicht nur aus Filet, Kote­lett und Schnit­zel besteht wis­sen heu­te vie­le Men­schen schon nicht mehr, ich habe es sehr früh gelernt. Des­we­gen habe ich auch kei­ne Hem­mun­gen Haxe, Schwei­ne­bauch, Kopf­sül­ze, Blut­wurst, Leber­wurst, (Sau­re) Nie­ren und Leber zu essen - etwas, das mitt­ler­wei­le aus der Mode gekom­men ist, es paßt nicht zum moder­nen 'life­style' .... OK, viel­leicht gera­de noch Haxe, wenig­stens im Süden des Landes.

Ich erin­nen­re mich noch sehr gut an mei­ne Kind­heit in einer mit­tel­gro­ßen Stadt nahe Frankfurt/Main. Das war in den ersten Jah­ren nach dem Krieg, Anfang der 50er Jah­re. Zwei­mal im Jahr waren wir zum "Schlacht­fest" ein­ge­la­den, bei einer Freun­din mei­ner Mut­ter, die ein paar Kilo­me­ter ent­fernt in einem klei­nen Dorf wohnte.
Der Tag begann damit, dass das Schwein aus dem Stall geholt wur­de. Vom orts­an­säs­si­gen Met­zer, der es sogleich mit einem Bol­zen­schuß­ge­rät vom Leben zum Tode brach­te. Wir Kin­der stan­den her­um und sahen zu wie es dann an den Hin­ter­läu­fen auf­ge­hängt und wie ihm mit einem sehr schar­fen Mes­ser die Keh­le durch­schnit­ten wur­de. das Blut fing der Metz­ger in einem Zin­kei­mer auf, und die Oma, die mit auf dem Gehöft wohn­te, hat­te dann die Auf­ga­be das Blut zu rüh­ren und das ent­ste­hen­de Fibrin­ge­rüst so dar­an zu hin­dern, das Blut gerin­nen zu las­sen. Es soll­te doch Blut­wurst dar­aus entstehen.

Wäh­rend­des­sen mach­te sich der Metz­ger dar­an das Schwein vom Schwanz her längs die Brust ent­lang bis zum Kopf auf­zu­schnei­den, und dann nahm er ein kur­zes, läng­li­ches Beil­chen, öff­ne­te so den Brust­korb ent­lang des Brust­beins und zog die Rip­pen nach rechts und links auseinander.
Unter dem Schwein stand eine etwas grö­ße­re Wan­ne, in die wur­den nach durch­tren­nen des Net­zes (eine dün­ne Bin­de­ge­webs­schicht, die die Ein­ge­wei­de zusam­men hält) Leber, Nie­ren, Bla­se, Darm samt Magen und die her­aus­ge­lö­ste Lun­ge gewor­fen. Die anwe­sen­den Frau­en mach­ten sich sodann dar­an die Ein­ge­wei­de zu sor­tie­ren und den Darm zu ent­lee­ren - denn schließ­lich wur­den all die­se Tei­le das Schwei­nes gebraucht um Wurst machen zu kön­nen. Der aus­ge­wa­sche­ne Darm schwamm in einer gro­ßen Blech­schüs­sel, bis ihn der Metz­ger nach Bedarf für die ver­schie­de­nen Wurst­ar­ten benutzte.

Der­wei­len war im Wasch­haus, gleich neben der Scheu­ne, der gro­ße Wasch­kes­sel gerei­nigt und mit Was­ser gefüllt wor­den. Da hin­ein kamen alle für Wurst ver­wert­ba­ren Tei­le des Schwei­nes, sodass sich der Raum all­mäh­lich mit einem Geruch aus Koch­fleisch und Gewür­zen füll­te, die der Metz­ger in groß­zü­gi­gen Schwün­gen aus einem Papier­sack in den Kes­sel warf.

Die 'bes­se­ren' Tei­le des Tie­res, Schin­ken, Rip­pen­strän­ge, Schul­ter lagen in bereit gestell­ten Schüs­seln. Was da nicht wei­ter ver­ar­bei­tet wer­den soll­te kam eben­falls in den gro­ßen Kes­sel und spä­ter in die Wurst. Mus­kel­fleisch, Fett, Ein­ge­wei­de und Tei­le wie Kopf und Bei­ne nahm der Metz­ger nach ange­mes­se­ner Zeit wie­der her­aus und sie wur­den klei­ner geschnit­ten, dann durch einen Fleisch­wolf gedreht - so ent­stan­den die ver­schie­den­ar­ti­gen Wür­ste, je nach Fleisch­art und Gewürzzugabe.

Fer­tig­ge­stell­te Wür­ste, aus­ge­nom­men Brat­wurst, schwam­men eben­falls im gro­ßen "Wur­ste­kes­sel" .... des­sen flüs­si­ger Inhalt, wenn alles fer­tig ver­ar­bei­tet war, als Wurst­sup­pe mit fri­schem Brot an die anwe­sen­den Hel­fer & Zuse­her ver­teilt wur­de - und da die Haus­frau groß­zü­gig war schwam­men in die­ser Sup­pe Wurst­stücke und Fleischbrocken.

Fleisch war in die­sen Jah­ren ein- oder zwei­mal pro Woche auf dem Ess­tisch. Die ört­li­chen Metz­ger schlach­te­ten genau so wie bei den Haus­schlach­tun­gen, aller­dings ein­mal pro Woche. Dann konn­te man bei ihnen mit der - zweck­ent­frem­de­ten - Milch­kan­ne "Wurst­sup­pe mit Ein­la­ge" bekom­men. Ein­mal pro Woche! Wie auch anders, gab es doch noch kei­ne Mas­sen­zucht von Schwei­nen wie jetzt. Gesel­li­ger und nach­hal­ti­ger waren die Haus­schlach­tun­gen bestimmt. Alles wur­de ver­ar­bei­tet, nichts wur­de weg­ge­wor­fen, nie­mand wand­te sich ange­wi­dert ab wenn es dar­um ging Tei­le des Tie­res zu essen die nicht aus rei­nem Mus­kel­fleisch bestan­den, wie etwa Innereien.

Manch­mal wün­sche ich mir die­se Zeit zurück. Noch bes­ser wäre es, wenn Jeder der Fleisch essen will wenig­stens bei einer Schlach­tung dabei gewe­sen wäre .... ich bin sicher, dann wür­de der Appe­tit auf täg­li­che Fleisch­ra­ti­on zurück gehen.

*update*
(07.01.2018)



 

Kommentare

  1. Ja, genau so war's! Nur ein paar Klei­nig­kei­ten noch:
    Der Fleisch­be­schau­er kam mit einer gro­ßen Lupe vor­bei, um das Schwein zu "beschau­en" (auf Para­si­ten zu unter­su­chen), und ihm sei­nen Stem­pel auf­zu­drücken, bevor das Fleisch ver­ar­bei­tet wer­den durfte.
    Die Schweins­bla­se wur­de auf­ge­bla­sen und am Hof­tor auf­ge­hängt, so dass jeder sehen konn­te: Hier gibt's heu­te Wurst­sup­pe und Wellfleisch!
    Beim Essen der Inne­rei­en wur­de übri­gens auch das Hirn mit­ge­ges­sen. Ob und inwie­fern sich das auf die mensch­li­che Hirn­sub­stanz aus­wirk­te, kann ich nicht sagen.
    Bevor die Blut­wurst­ma­sse in die Darm­schläu­che gefüllt wur­de, beka­men neu­gie­rig her­um­ste­hen­de Kin­der "eine Blut­wurst ange­mes­sen" - d.h. der Metz­ger strich ihnen mit der Wurst­ma­sse ein­mal quer zwi­schen Mund und Nase ent­lang, das fan­den wir eklig und ver­such­ten, recht­zei­tig zu entkommen.
    Ein Teil der Wurst (Leber­wurst, Blut-/Grie­ben­wurst, Schwar­te­ma­gen und Brat­wurst) wur­de auch in Dosen kon­ser­viert. Wir Kin­der wur­den los­ge­schickt, um die "Dosen­frau" zu benach­rich­ti­gen: Sie kam dann ganz am Schluss mit ihrem Lei­ter­wa­gen, dar­auf war eine Vor­rich­tung mit einem Schwung­rad mon­tiert, um die Dosen mit einem Deckel luft­dicht zu versiegeln.
    Und ein­mal habe ich es erlebt, dass das Töten mit dem Bol­zen­schuss­ge­rät nicht ganz so ein­fach funk­tio­nier­te wie Sie es beschrei­ben. Der Metz­ger und mein Groß­va­ter, der Bau­er, behal­fen sich mit einer Axt, aber auch das erwies sich als schwie­rig. Wie es dann wei­ter­ging, weiß ich nicht mehr genau, denn in dem Augen­blick ent­schied mei­ne Tan­te, dass das doch kein Schau­spiel für Kin­der sei, und hol­te mich ins Haus.

  2. Ich geste­he: ich gehö­re auch schon zur Gene­ra­ti­on "Filet", bin aber –dies habe ich mir erhal­ten-zumin­dest Grenz­gän­ger zwi­schen den diver­sen Fleischbrocken.
    So ken­ne ich zwar die Worscht- Schnet­zel- und Blut­supp‘ auch nur noch vom Hören­sa­gen mei­ner Eltern, bin aber durch­aus noch mit Nie­ren, Leber und Herz von Tie­ren im Mund aufgewachsen.
    Ganz fet­tes oder seh­ni­ges Fleisch mag ich aber auch heu­te nicht, Kut­teln sind mir allein schon von Wor­tes wegen ein Graus und ich rei­ße mich nicht unbe­dingt dar­um Inne­rei­en zu mir zu neh­men. Eben­so kann ich auch mit Hüh­ner­fü­ßen nichts anfangen. ;-)

    Ich den­ke, jeder soll­te mal eine Stra­ße bei 40 Grad Außen­tem­pe­ra­tur geteert haben, sonst kann er es nicht schät­zen, dar­über zu fah­ren. :-D

    1. Bei Hüh­ner­fü­ßen & Kut­teln hört bei mir auch der Spaß auf, da sind wir einer Mei­nung. Wie schon zehn Jah­re Alters­un­ter­schied auf die Spei­se­vor­zü­ge wir­ken ken­ne ich aus erster Hand, näm­lich durch mei­ne Frau. Die liegt mehr so auf ihrer Linie, wenn schon nicht die 'bes­se­ren' Tei­le aus den ver­schie­de­nen Spe­zi­es - dann lie­ber gar kein Fleisch .... inso­weit kann ich in Spa­ni­en immer 'sün­di­gen' und 'abson­der­li­che Tier­tei­le' essen, denn da ver­sor­ge ich ja nur mich selbst ....

      Fast hät­te ich zu den 40°C-Straßenbauern "Tou­ché!" aus­ge­ru­fen - bis mir der klei­ne Unter­schied klar wur­de: Belebt / Unbe­lebt, und des­we­gen verschieden.

      PS
      Herz, rich­tig zer­legt und lan­ge genug gekocht, kann eben­so wie Pan­sen durch­aus zu wohl­schmecken­dem Gulasch ver­ar­bei­tet wer­den - und ich wet­te mei­nen alten Filz­hut, dass es 90% der Esser nicht ein­mal mer­ken wür­den ;c)

  3. Ja, genau so war's! Nur ein paar Klei­nig­kei­ten noch:
    Der Fleisch­be­schau­er kam mit einer gro­ßen Lupe vor­bei, um das Schwein zu "beschau­en" und ihm sei­nen Stem­pel auf­zu­drücken, bevor das Fleisch ver­ar­bei­tet wer­den durfte.
    Die Schweins­bla­se wur­de auf­ge­bla­sen und am Hof­tor auf­ge­hängt, so dass jeder sehen konn­te: Hier gibt's heu­te Wurst­sup­pe und Wellfleisch!
    Beim Essen der Inne­rei­en wur­de übri­gens auch das Hirn mit­ge­ges­sen. Ob oder inwie­fern sich das auf die mensch­li­che Hirn­sub­stanz aus­wirk­te, kann ich nicht sagen.
    Bevor die Blut­wurst­ma­sse in die Darm­schläu­che gefüllt wur­de, beka­men neu­gie­rig her­um­ste­hen­de Kin­der "eine Blut­wurst ange­mes­sen" - d.h. der Metz­ger strich ihnen mit der Wurst­ma­sse ein­mal quer zwi­schen Mund und Nase ent­lang, das fan­den wir eklig und ver­such­ten, recht­zei­tig zu entkommen.
    Ein Teil der Wurst (Leber­wurst, Blut-/Grie­ben­wurst, Schwar­te­ma­gen und Brat­wurst) wur­de auch in Dosen kon­ser­viert. Wir Kin­der wur­den los­ge­schickt, um die "Dosen­frau" zu benach­rich­ti­gen: Sie kam dann ganz am Schluss mit ihrem Lei­ter­wa­gen, dar­auf war eine Vor­rich­tung mit einem Schwung­rad mon­tiert, um die Dosen mit einem Deckel luft­dicht zu versiegeln.
    Und ein­mal habe ich es erlebt, dass das Töten mit dem Bol­zen­schuss­ge­rät nicht ganz so ein­fach funk­tio­nier­te, wie Sie es beschrei­ben. Der Metz­ger und mein Groß­va­ter, der Bau­er, behal­fen sich mit einer Axt, aber auch das erwies sich als schwie­rig. Wie es dann wei­ter­ging, weiß ich nicht mehr genau, denn in dem Augen­blick ent­schied mei­ne Tan­te, dass das doch kein Schau­spiel für Kin­der sei, und hol­te mich ins Haus.

    1. Die Sache mit den Dosen ken­ne ich nicht. Wahr­schein­lich weil ich ein paar Jah­re älter bin, denn die­se Zei­ten der Haus­schlach­tung fal­len in die frü­hen Fünf­zi­ger. Da waren die Resour­cen noch knapp und die Stahl­in­du­strie am Boden. Vie­les wur­de aus Alu­mi­ni­um her­ge­stellt, aus Flug­zeug­re­sten, oder Beklei­dung aus Fall­schirm­sei­de, eben­falls Reste von Kriegs­ma­te­ri­al. So behalf man sich den Roh­stoff­man­gel zu behe­ben - mit dem was für 'ande­re' Zwecke nicht mehr gebraucht wurde.

    2. Mei­ne Erin­ne­rung betrifft die Jah­re ab ca. Mit­te der 50er.
      Ich kann mich erin­nern, dass auch Gemü­se in Dosen ein­ge­kocht wur­de, z.B. Boh­nen. Die­se Dosen waren aller­dings mit Deckel und einem Gum­mi ver­se­hen, ähn­lich wie bei Weck­glä­sern üblich, und wie­der­ver­wend­bar, eine Dosen­frau brauch­te man dafür nicht; sie waren mes­sing­far­ben, jeden­falls von außen, für Kin­der­au­gen golden!

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