Diese Frage stelle ich mir immer noch, jetzt, nach der Lektüre eines Artikels in der Süddeutschen Zeitung.
Wo ich doch auf Aufklärung durch den Artikel gehofft hatte.
Doch von Anfang an.
Online war unter der »headline«¹:
" .. Überwachung durch Geheimdienste Aus Angst vor dem Volk .. " verfaßt von Jutta Weber (13. August 2013) die folgende »tagline«²⁻³ᵃ⁻³ᵇ zu lesen:
" .. Die Spähaffäre macht deutlich, wie sehr sich die Sicherheitspolitik des Westens gewandelt hat - hin zu einer gefährlichen Datensammelwut. Die eigentlich interessante Frage ist:
Warum überwachen demokratische Gesellschaften ihre eigene Bevölkerung so hautnah? .. "
Im »wrap-up«⁴ lautete die Fragestellung dann so:
" .. Letztendlich muss man sich aber fragen, warum demokratische Regierungen so große Angst vor ihren Bevölkerungen haben .. "
Bei gemeinsamer Betrachtung der Eingangsfrage und des abschließenden Satzes ist das Ergebnis des Artikels:
"Demokratische Regierungen überwachen ihre Bevölkerung weil sie Angst vor ihr haben." Selbst das wird dann wieder eingeschränkt, weil es in Frageform gekleidet ist. Ob die gestellten Fragen Relevanz haben bleibt ohnehin offen. Auch dazu vermisse ich eine Erörterung in dem Artikel.
Ich will hier bestimmt keine Textinterpretation à la Gymnasium machen, doch frage ich mich als Leser was ein Beitrag in einer renommierten Zeitung soll, der die selbstgestellte Eingangsfrage im Textverlauf nur vage anreißt und statt einer Lösung am Ende nur eine weitere Frage stellt. Da hätte ich doch mehr erwartet, zumal von einer Wissenschaftlerin, die sich mit dem Thema Kommunikation in weiterem Sinne befaßt und daher als fachkompetent angesehen werden sollte.
Ich fühle mich 'verschaukelt' - weil ich Zeit geopfert habe um den Artikel zu lesen und hinterher genauso schlau bin wie vor der Lektüre.
Dabei fallen mir - weil ich es andernorts gelesen und selbst darüber nachgedacht habe - schon ein paar Gründe ein. Da wäre zunächst der Gedanke der Erforschung der jeweilgen Stimmungslage im Lande. Das kann für die Durchsetzung von politischen Zielen bedeutsam sein, weil es unklug ist gegen eine Mehrheit Politik zu machen.
Es wäre insbesondere auch an die Erforschung der Haltung der eigenen Parteigänger und der Opposition zu denken - denn ich bin sicher, das Kanzleramt bekommt darüber Dossiers geliefert. Ein Teil der Geheimniskrämerei ist bestimmt deswegen vorhanden, weil man diese Ausspähung weder den eigenen Parteileuten, noch einer breiten Öffentlichkeit als "unverzichtbar" oder "alternativlos" verkaufen könnte. Die Lügengebäude, die um die Ausspähung aufgebaut werden, lohnen sich doch nur, wenn dafür bei dem 'inneren Zirkel' Informationen ankommen um derentwillen sich diese Lügerei lohnt.
Weiter könnte man an die Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft, oder zwischen Politik und Finanzwesen im Lande denken:
Da ist es doch von großem Vorteil wenn die anderen Akteure ausgespäht werden und man so "Hebel" in die Hand bekommt um Forderungen abwehren oder Leistungen einfordern zu können. Andere 'erpreßbar' zu machen ist immer besser als selbst erpreßt zu werden - und bei den Summen und Folgen, die durch die Regierungspolitik entstehen ist ein Wissensvorsprung von außerordentlichem Vorteil. "Wissen ist Macht" gilt im politischen Geschäft doch mindestens ebenso wie in der reinen Wissenschaft.
Schließlich ist der internationale, insbesondere europäische Raum zu bedenken: Auch dort werden die Bevölkerungen von ihren Regierungen ausgespäht - aber auch die staatlichen Organisationen und die jeweiligen Politiker. So bietet auf dieser Ebene ein Kenntnisvorsprung durch die Geheimdienste durchaus interessante Möglichkeiten. Wie im Inland führt auch bei den ausländischen Ausgespähten die Tatsache, daß sie nicht genau wissen WAS ihr Gegenüber von ihnen an 'kleinen Geheimnissen' weiß zu einer Verunsicherung - und wer 'verunsichert' ist, ist leichter zu manipulieren. Ein 'guter' Geheimdienst hat also für eine Regierung durchaus handfeste Vorteile. Weswegen ich sicher bin, daß die Forderung aus verschiedensten Kreisen nach Abschaffung der 'Dienste' nicht erfüllt werden wird. Sie sind nun mal ein Trumpf im Ärmel der Herrschenden auf den diese nicht verzichten werden.
Zweifel habe ich aber dennoch - und zwar an der Leistung der 'Dienste' die hierzulande vorhanden sind:
Es sind nicht immer die Besten, die dorthin gelangen. Oft sind es ausgediente Soldaten, ehemalige Polizisten, weggelobte Verwaltungsleute - und bestimmt nicht nicht die 'crème-de-la-crème' - mindestens ist das mein Eindruck von den wenigen Berührungen die ich mit aktiven oder im Ruhestand befindlichen Personen aus dem Geheimdienstbereich hatte. Die waren eher mittelmäßige, spießige und nur durchschnittlich intelligente Menschen.
Ob die in der Lage sind tatsächlich relevante Ergebnisse zu liefern?
Man könnte auf "Schwarmintelligenz" hoffen. Dagegen spricht aber wieder die Beobachtung der wenigen, exponierten Vertreter der Zunft. Oder deren Auftreten. Wer über wirklich bedeutsame 'Geheimnisse' von anderen Menschen Bescheid weis tritt anders auf und benimmt sich souveräner.
PS.
Meine eigene Überschrift genügt nicht den Anforderungen, die bei Herrn Nömix an eine Überschrift gestellt werden. Dies ist mir klar und dennoch bleibe ich dabei lediglich ein "Warum?" dorthin zu schreiben. Wenn schon in überregionalen Zeitungen nicht nach journalistischen Regeln gearbeitet wird kann ich, nein, will ich es mir erlauben die Regeln beiseite zu lassen und das zu tun was mir gefällt.
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¹ »headline; Zitat Nömix: »Zwei Hauptfragen müssen in einer Schlagzeile beantwortet werden, nämlich Wer? und Was?« (aus: Wolf Schneider, “Die Überschrift“)
² »tagline«
Eine »tagline« (vom englischen »tag« für „Aufhänger“ und »line« für „Zeile“) enthält die Botschaft einer Präsentationsseite in einem Satz.
³ᵃ »slogan« (synonym für »tagline«, auch »claim«)
Der »slogan« soll in kompakter Form eine Aussage vermitteln und die Öffentlichkeit schlagartig beeinflussen. In Deutschland wird in Fachkreisen auch der Begriff »claim« - deutsch "Anspruch" - verwendet.
³ᵇ »Slogans« sind kurze Phrasen, die beschreibende oder emotionale Informationen vermitteln.
⁴ »wrap-up«; »wrap-up line« - hier handelt es sich um eine abschließende Formulierung, die die Zusammenfassung der vom Autor vertretenen Thesen / Meinung / Auffassung wiedergeben soll.
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