.... verhunzt!
Man liest ja häufig Analysen zu den Höhen und Tiefen des Bildungssystems, so etwa wie das nachfolgende Zitat:
" .. Die unterrichtlichen Erfolge, die man hierzulande in den letzten Jahren an der einen oder anderen Stelle erzielt hat .., etwa der gestiegene Anteil höherer Abschlüsse und die Öffnung des Zugang für ein Universitätsstudium, wurde zumeist mit einem Aufweichen oder gar Absenken allgemein geltender Bildungs- und Leistungsstandards, etwa in der Sprache, in Mathematik oder naturwissenschaftlichen Fächern erkauft .. "
[Quelle]
Wenn ich in Freundes- und Bekanntenkreis bisher diese These vertreten habe waren die Reaktionen - je nach Lebensalter und beruflicher Tätigkeit - durchaus verschieden. Da kommt es wie gerufen, wenn man die eigenen Vorstellungen in wenigen Zeilen zusammengefaßt liest.
Älteren Menschen wird oft der Vorwurf gemacht sie sähen die Vergangenheit in rosigen Farben, rosigeren Farben jedenfalls als angebracht sei. Das ist auch ein Vorurteil - und zwar ohne jede Grundlage, denn diejenigen die es gebrauchen, haben die Vergangenheit nicht erlebt und können daher nicht aus erster Hand beurteilen, was im Bildungswesen einst Standard war.
Was mich wirklich ägert ist der Umstand, daß die von Amts wegen mit der Bildung beauftragten Lehrkräfte über die vielen Jahrzehnte die Abstriche fast ohne Widerstand mitgemacht haben - einmal von wenigen aufrechten Streitern abgesehen, die sich aus dem Schuldienst verabschiedeten, weil sie die "Neckermann" Abschlüsse, die heute "Abitur" genannt werden nicht länger mitmachen wollten.
" .. Kinder der Unterschicht haben .. Erhebungen zufolge so gut wie keine Chancen, gut oder sehr gut bezahlte Berufe zu ergreifen. Da es in der Unterschicht auch nichts zu vererben gibt, ist ihr wirtschaftliches Schicksal quasi mit der Geburt vorgezeichnet - vererbt wird nur unter gleichen .. Eine Überschrift, die der Gesamtbevölkerung eine Erbschafts-Welle von Vermögen ankündigt, ist deshalb nicht nur schlicht gelogen, sondern zynisch .. "
[Quelle]
Auch das vorstehende Zitat zeigt den Aberwitz der Änderungen des Bildungsniveaus. Anstatt tatsächlich eine Chance für "bildungsferne Kreise" zu bieten werden alle Absolventen minder gebildet in die Zukunft entlassen:
Denen, denen das mindere Niveau helfen sollte, bietet sich schon wegen der Undurchlässigkeit der Klassenschranken keine bessere Zukunft - den Übrigen wird unnötige zusätzliche Bildungszeit aufgenötigt die sie brauchen, um in spezifischen Bereichen das nachzuholen, was die Schulen nicht mehr bieten.
"Win-Win" ist das bestimmt nicht. Es ist ein Armutszeugnis, ein Zeugnis des Versagens einer verknöcherten Bildungsverwaltung in der sich all jene Faulpelze und Opportunisten mit einschlägiger Vorbildung und Parteibindungsseilschaft sammelten und sammeln, die sich im Schulalltag entweder nicht bewährt haben, oder nicht bewähren wollten.
Ein Versagen auch der Politker, die mit Bildung befaßt waren - und sind! Die ersten Jahre nach dem Krieg, in der Aufbauphase des Bildungswesens war das noch nicht so. Es änderte sich aber unter den CDU/FDP-Regierungen der siebziger Jahre als Antwort auf die Studetenproteste und erst unter den SPD-Regierungen wurde dann die Parole Ausgegeben "Bildung für ALLE" - was aber zu der oben beschriebenen Abwärtsspirale hinsichtlich Anspruch und Inhalt führte.
Was haben nun all die Ingenieure (nur als Beispiel!) davon gleich benannt zu werden? Früher gab es Meister, Techniker, FH-Ingenieure und Diplom-Ingenieure:
Heute sind sie alle gleich 'bezeichnet' - und wegen dieser Nivellierung hat sich das Ansehen und die Bezahlung ebenfalls nach unten bewegt, langsam aber sicher. Mit Einführung der Bachelor- und Masters-Studiengänge wurde nochmal weiter nach unten 'abgewertet' - die Folge ist ein Heer von "Ingenieuren", von denen nur noch der geringere Teil in der Wirtschaft gebraucht wird, während der Rest mit Ansprüchen, die der tatsächlichen eigenen Leistungsfähigkeit nicht entsprechen, auf der Straße steht. Oder sich mit noch weniger Entlohnung zufriedengeben muß als je zuvor.
Was nützt es den Absolventen all der anderen Bildungseinrichtungen, an denen heute nicht mehr "gelernt", sondern "studiert" wird, wo das doch inhaltlich nicht sehr verschieden ist, sondern lediglich neu 'gelabelt' wurde? Dem vermeintlichen Status steht keine angemessene Chance in der Gesellschaft gegenüber. Durch Masse wächst der Druck auf den Einzelnen - und macht so Menschen erst ängstlich, dann manipulierbar, dann zu Sklaven von skrupellosen Zeitarbeitsunternehmen.
Da lobe ich mir doch das "alte" System, wo schon beim Zugang zum Gymnasium die erste Prüfungshürde aufgebaut war - da wußten die Abiturienten wenigstens, daß sie einen - kostenfreien - Studienplatz haben würden, und sich im Studium auch rechts und links ihrer Fächer noch weiter bilden konnten, ohne aus einem verschulten Raster heraus- und aufzufallen.