Schwund
  Aus der Serie "Opa erzählt vom Krieg":

Hat­ten Sie in letz­ter Zeit ein­mal die Not­wen­dig­keit einen Brief zu versenden?
Ich mei­ne einen 'rich­ti­gen' Brief, so aus Papier und mit einem Umschlag, mit einer Lasche oben oder an der Sei­te, mit dem man den Umschlag zumacht, damit der fein säu­ber­lich auf A4-Sei­ten­drit­tel gefal­te­te Brief nicht aus dem Kuvert her­aus­fällt .... da stau­ne ich, denn ich habe im gan­zen ver­gan­ge­nen Jahr nicht einen ein­zi­gen Brief versandt.

Mei­stens bekommt man nur selbst noch Brie­fe. Mit Rech­nun­gen oder Quit­tun­gen, mit Bögen, die zu unter­schrei­ben sind oder schlicht­weg Brie­fe auf denen ganz unten steht "Die­ses Schrei­ben ist ohne Unter­schrift und Stem­pel gül­tig" - sagt WER? Ist sowas über­haupt zuläs­sig, so ein­sei­tig? Rechts­ge­schäf­te müs­sen doch angeb­lich von bei­den Ver­trags­part­nern unter­zeich­net wer­den damit sie gül­tig sind. Hat sich das zwi­schen­zeit­lich geän­dert? Und war­um hat mir nie­mand etwas dazu geschrie­ben mit der obi­gen Zei­le anstatt einer Unterschrift?

Sie wer­den sich fra­gen "Wie kommt der nun aus­ge­rech­net dar­auf DAZU etwas zu schrei­ben?" das ist schnell geklärt - oder sagen wir bes­ser: Wahr­schein­lich und ohne Umschwei­fe wäre es schnell zu erklä­ren gewe­sen. So hat es eben bis hier­her schon ein wenig gedau­ert und wird noch ein biss­chen mehr wer­den bis ich zum Punkt gekom­men bin. Aber es ist ja Sonn­tag und Sie haben Zeit und Muße auch ein­mal län­ge­re Arti­kel zu lesen.

Der Aus­gangs­punkt war ein nach­ge­sen­de­ter Brief. Der war zunächst an die alte Adres­se gegan­gen. Dann hat man ihn mit ein wenig Ver­zö­ge­rung an die neue Adres­se geschickt. Offen­bar hat­ten die Post­ler am neu­en Wohn­ort ihre Kör­be, Taschen und Con­tai­ner schon voll, wes­we­gen der Brief unge­fähr eine Woche lie­gen geblie­ben war. Er kam genau heu­te, am 11.01.2020 an, abge­sandt wor­den war er am 30.12.2019.

Im Brief war ein Brief­bo­gen von pap­p­ar­ti­ger Kon­si­stenz, aus dem konn­te, nein, SOLLTE man nach Anwei­sung des Brie­fes, eine Post­kar­te her­aus­tren­nen und an eine mir bis dahin völ­lig unbe­kann­te Orga­ni­sa­ti­on - irgend­was mit Ener­gie - sen­den. Zuvor jedoch muss­te der End­stand des Strom­zäh­lers auf die­ser Kar­te ver­merkt wer­den .... und bit­te bis zum 11.01.2020 zurück an den Absen­der gesandt werden.

Aus der Vor­ge­schich­te geht her­vor, dass es von Ein­gang bis zum Ver­sand­schluss "0" Tage waren. 

So schrieb ich denn mit zit­tern­der Hand den Zäh­ler­stand '..bit­te notie­ren Sie den Zäh­ler­stand ohne die Zah­len nach dem Kom­ma..' und irgend­wo wei­ter oben stand 'bit­te schrei­ben Sie die Zah­len in die vor­ge­ge­be­nen Käst­chen, sie wer­den auto­ma­ti­siert gele­sen..' genau mit­tig in die Käst­chen .... und prompt ging das an man­chen Stel­len dane­ben, denn man weiß ja:
Je mehr man sich an sol­cher Stel­le bemüht, desto wahr­schein­li­cher ist es, dane­ben zu schrei­ben oder sich gar zu ver­schrei­ben .... und wo war noch mal ein Radier­gum­mi ver­packt? Büro­ki­ste, wegen man­geln­der Dring­lich­keit noch nicht aus­ge­packt - also drü­ber geschrie­ben in der Hoff­nung, der 'auto­ma­ti­sier­te Leser' wer­de damit schon irgend­wie zurecht kommen.

Weil kei­ne Brief­mar­ke zur Hand war durf­te die­se Post­kar­te ohne Por­to ein­ge­wor­fen wer­den. Ein paar Regen­trop­fen lie­ßen das Schrift­bild ein wenig blass und schwach wer­den. Die moder­ne Tech­nik wird das bestimmt irgend­wie aus­glei­chen und trotz­dem rich­tig lesen.

Das eigent­li­che Pro­blem von dem ich - kurz! - berich­ten woll­te kommt jetzt:

Fin­den Sie 'mal einen Briefkasten!

Wohin ich auch schau­te - kein Brief­ka­sten mehr zu sehen. Alle aus­ge­büchst, wie die Bau­markt­ver­käu­fer, die drin­gen­de Erle­di­gun­gen haben wenn sie mer­ken, dass sich ein Kun­de mit einem Anlie­gen nähert. Nach Fahrt durch drei Nach­bar­or­te fand ich einen Brief­ka­sten der sich noch nicht recht­zei­tig aus dem Staub gemacht hat­te - hin­ein mit der Post­kar­te: Lee­rung laut Auf­schrift am 13.01.2020 um 10:00h.


Viel­leicht soll­te ich noch einen Ent­schul­di­gungs­brief hin­ter­her schicken:
"Bit­te ent­schul­di­gen Sie die Ver­spä­tung der Post­kar­te, aber alle mit der Nach­sen­dung befass­ten posteige­nen Lie­gen­schaf­ten waren wegen Fei­er­ta­gen geschlos­sen und die Bedien­ste­ten waren gera­de in Kun­den­ge­sprä­chen und konn­ten sich des­we­gen erst ver­spä­tet um ihren Brief mit dem letz­ten Ein­sen­de­da­tum küm­mern. Wenn sie es gewusst hät­ten, wären sie sicher höchst bemüht gewe­sen eine Fri­st­über­schrei­tung zu vermeiden."

 

Kommentare

  1. Gibt's denn da, wo Sie jetzt woh­nen, kei­ne Post­stel­le? Da befin­det sich näm­lich mit Sicher­heit auch ein Brief­ka­sten. Trotz enor­mem Brief­ka­sten­schwund ent­decke ich auch sonst immer wie­der Brief­kä­sten, wo ich sie gar nicht ver­mu­tet hätte.

    1. Es gibt eine Post­stel­le, genau­er einen 'Post­la­den' - aber da ist kein Briefkasten. 

      Was ich an die­sem Laden erstaun­lich fand waren drei Bedien­ste­te, alle­samt weib­lich, und alle Drei so, als ob sie sich gera­de für einen Model­wett­be­werb zurecht gemacht hätten ....

      1. Ich wer­de jetzt ver­stärkt dar­auf ach­ten - und wenn ich meh­re­re Gele­gen­hei­ten hat­te das zu über­prü­fen noch­mal wie­der her­kom­men und dazu Ergän­zun­gen machen.

  2. Öster­reich: es gibt weni­ger Brief­kä­sten, aber sie sind noch da!
    Aber ich wun­de­re mich, soll­ten Sie nicht schon längst in Spa­ni­en sein?

    1. Prin­zi­pi­ell schon, aller­dings war es eher geplant die­ses Jahr für drei Mona­te nach Mexi­ko zu flie­gen. Das hat sich lei­der zer­schla­gen, weil der Umzug doch auf­wen­di­ger war als vor­ge­se­hen, zumal nicht an nur eine, son­dern zwei Woh­nun­gen umge­zo­gen wur­de. Viel­leicht mache ich es noch wie im vor­letz­ten Jahr, da bin ich noch Mit­te Febru­ar losgefahren.

    1. Die­sen Ein­druck hat­te ich - des­we­gen war es mir ein Anlie­gen das mit­zu­tei­len und zu sehen, ob das Ande­re eben­falls bemerkt haben.

    2. Ich wüss­te jetzt nicht, dass hier in der Gegend die offen her­um­ste­hen­den Brief­kä­sten ver­schwun­den sind oder nicht mehr geleert werden.
      Eher haben die Gebäu­de oder Lie­gen­schaf­ten, bei denen sie mal auf­ge­stellt wur­den, ihre frü­he­re Bedeu­tung ver­lo­ren (z. B. Bahn­hofs­ge­bäu­de, wel­ches leer­steht und seit bald andert­halb Jahr­zehn­ten ver­wit­tert; Ede­ka, die sich woan­ders ein Domi­zil auf­ge­baut haben).

      Kann natür­lich auch sein, dass es regio­nal Unter­schie­de dabei gibt...

      1. Es liegt doch die Ver­mu­tung nahe, dass da wo man Brief­kä­sten abbbaut kei­ne neu­en mehr instal­liert wer­den - schließ­lich gibt es einen Rück­gang an Brief­post im all­ge­mei­nen. Von Bun­des­land zu Bun­des­land gibt es zudem noch Unter­schie­de - allei­ne die Bevöl­ke­rungs­dich­te ist da doch ein Hin­weis wo mehr oder weni­ger Brief­kä­sten gebraucht werden.

    3. Wo wel­che abge­baut wer­den, stel­len sie natür­lich kei­ne neu­en mehr auf... So wie es immer ist.

      Ver­wun­der­lich ist es für die­se Gegend aller­dings, dass sich dort nicht son­der­lich etwas getan hat, denn es gab hier über Jahre/Jahrzehnte auch einen Bevöl­ke­rungs­schwund son­der­glei­chen (wer nicht ver­stor­ben ist, der zog in Rich­tung West Germany).

      Nun gut, wer weiß war­um... Dafür sind die rich­ti­gen Post­fi­li­al­stel­len immer klei­ner gewor­den oder zusam­men­ge­spart wor­den. (Heu­te ist die ört­li­che, wo auch Pake­te zur Abho­lung ein­ge­la­gert wer­den, im loka­len Rewe mit drin.)

      1. Post­stel­len in ande­ren Bran­chen gibt es hier in der Gegend meh­re­re, einen Post­la­den nur ein­mal - dort wird dann auch die Paket­post hinterlegt.

      2. So, das hat ja jetzt geklappt ....
        und ich habe mir von jedem Stück einen kur­zen Aus­schnitt angehört.
        Auf Dau­er könn­te ich wohl weder die Laut­stär­ke noch den *beat* vertragen.

        Zum tan­zen, sich so rich­tig aus­to­ben, kann ich mir das aller­dings vor­stel­len - nur nicht für län­ge­re Zeit

    1. Weil, lie­be Frau iGing, bei uns erst mal die Beden­ken­trä­ger kom­men - und die stel­len erst mal fest: "War­um das bei uns NICHT geht"

  3. Wenn ich Brief­ka­sten und mei­ne Wohng­mein­de ein­ge­be als Suche im Inter­net, so zeigt mir das Ergeb­nis alle Stel­len im Ort an, wo sich Brief­kä­sten befin­den. Dazu die Ent­lee­rungs­zei­ten. Ich den­ke, das klappt auch bei dem Ort, in dem Sie woh­nen, lie­ber WVS. "Brief­ka­sten Stand­or­te in Münster"

    1. Wo ich einen Brief­ka­sten in Mün­ster fin­den kann habe ich in 25 Jah­ren dor­ti­gen Aus­fent­hal­tes gelernt - ich ken­ne sogar den Spät­schal­ter, der bis in die Nacht (wenig­stens bis vor fünf Jah­ren) noch Post annahm & stem­pel­te, damit man noch frist­ge­recht auf­ge­ben konn­te. So ähn­lich also, wie bei den Gerichtsbriefkästen.

      Da ich ja mitt­ler­wei­le in Hes­sen woh­ne (am ersten Ort seit 2016, am zwei­ten Ort seit Dezem­ber) konn­te ich mich noch nicht umfas­send infor­mie­ren WO die Brief­kä­sten sind.

      Dank ihres Hin­wei­ses bin ich auf fol­gen­der Sei­te gelan­det → https://www.deutschepost.de/de/s/standorte.html und dort fand ich nun her­aus: Ganz hier in der Nähe, ca. 975 m ent­fernt (!) hät­te ich einen Brief­ka­sten gefun­den .... nun wer­de ich mor­gen da mal vor­bei gehen und schau­en, ob es die­sen Brief­ka­sten noch gibt, denn wenn mich nicht alles täuscht wur­den gera­de dort letz­te Tage eine Rei­he Häu­ser abge­ris­sen :c(

    2. Lie­ber WVS, ich bin gespannt auf Ihre Brief­ka­sten­er­kun­dun­gen! Bezüg­lich Mün­ster, da hat­te ich gedacht, Sie sei­en erst nach Mün­ster umge­zo­gen. Doch Sie sind von Mün­ster umgezogen.

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