Die Gedanken sind frei - wie lange noch?

Laut einem Bericht aus jüng­ster Zeit dort 

»» New AI Turns Brain Signals Into Human Speech With 97% Accu­ra­cy ««

ist es min­de­stens schon mög­lich Gedan­ken­im­pul­se als Spra­che, also Wor­te, aus­zu­ge­ben. Noch aller­dings muss die Ver­suchs­per­son dabei mit­wir­ken und Wor­te spre­chen, deren Impuls­fol­ge im EEG dann von der KI durch Ver­gleich und Wie­der­ho­lung tat­säch­lich als Wort iden­ti­fi­zier­bar sind.

Von die­ser Vari­an­te aus­ge­hend wird es sich bestimmt dahin­ge­hend ent­wickeln, dass es eines Tages erreicht wird "Gedan­ken" zu lesen - und dann ist es vor­bei mit der Gedan­ken­frei­heit. Es ist wie­der ein­mal eine sol­che Weg­schei­de bei der Ent­wick­lung, wie wir sie schon öfter sahen:

Will man bei­spiels­wei­se den Men­schen hel­fen, die durch kör­per­li­che Ein­schrän­kun­gen die 'nor­ma­le' Bedie­nung (bei­spiels­wei­se) eines Com­pu­ters nicht lei­sten kön­nen - oder will man die­se Mög­lich­keit dazu nut­zen ganz pau­schal und all­ge­mein, so wie jetzt schon bei der Spei­che­rung von Daten auch unver­däch­ti­ger Bür­ger, jeden Men­schen aus­zu­for­schen und so ver­su­chen, 'die Bösen' aus­zu­fil­tern, bevor sie etwas Böses tun können?

Wie nah dabei die gute und böse Absicht einer über­ge­ord­ne­ten "Auto­ri­tät" lie­gen könn­te und mach­bar wären ist - min­de­stens für mich - erschreckend. Stel­len Sie sich ein­mal vor, ein Ver­rück­ter wie Trump könn­te ein sol­ches Instru­ment vor­fin­den und gar nutzen! 

Es gibt Ent­wick­lun­gen, die soll­te man bes­ser nicht wei­ter vorantreiben.

Kommentare

  1. Ich hat­te unge­fähr im Jahr 2000 die Über­le­gung ange­stellt, dass es bald mög­lich sein müss­te, auf das kon­ven­tio­nel­le Pro­gram­mie­ren ver­zich­ten zu kön­nen. Es war zu einem Zeit­punkt, als Model­lie­rung beim Pro­gram­mie­ren in Mode gekom­men war. Vom Modell wur­de auto­ma­tisch in Maschi­nen­spra­che über den Umweg einer Hoch­spra­che wie Java über­setzt. Die Feh­ler, die beim Testen gefun­den wur­den, wur­den auto­ma­tisch in das Modell mit­ein­ge­ar­bei­tet. Die Arbeit des Pro­gram­mie­rers, Codie­ren und Testen wür­de sich dadurch als über­flüs­sig erweisen.
    Im Jahr 2014 hielt ich in Schwe­den einen Vor­trag, der mei­ner Über­zeu­gung dia­me­tral wider­sprach. Es war eine Kon­fe­renz unter dem Titel "Requi­re­ments Engi­nee­ring". (Ich habe Ihnen das Paper schon ein­mal geschickt.)
    Die gro­ße Unmög­lich­keit besteht dar­in, dass der Mensch nicht in der Lage ist, sei­ne Wün­sche klar zu formulieren.
    Dass sich aller­dings viel­leicht Gefüh­le, revo­lu­tio­nä­re Ansich­ten oder der Ansatz zu Revo­lu­tio­nen erken­nen las­sen, könn­te schon eine Mög­lich­keit werden.

    Dass aller­dings Trump so etwas nut­zen kann, ist zu bezwei­feln. Heu­te geht er auf die WHO los, dass die ihn nicht aus­rei­chend gewarnt haben soll. Als ob sich D.T. je etwas von einem ande­ren hät­te sagen lassen.

    1. Mei­ne Beden­ken gehen in die Rich­tung, dass eine sol­che Tech­nik ver­füg­bar ist und dann ent­ge­gen der guten Absicht in einen Alp­traum ent­wickelt wer­den könn­te . dabei dach­te ich nicht, dass T. selbst das kön­nen muss, son­dern nur, dass es bereit­steht und er will­fäh­ri­ge Hel­fer fän­de das umzu­set­zen und damit Kon­trol­le zu über­neh­men. Ich hat­te ihn auch nur als aktu­el­les Bei­spiel genannt - genau­so­gut hät­te es Spi­no­za oder Idi Amin sein kön­nen, cha­rak­ter­lo­se Schurken.

      Wenn ich den ver­link­ten Arti­kel rich­tig ver­stan­den habe ging es da um das Aus­le­sen von Gedan­ken und die Umfor­mung in Schrift bzw. Ton, gespro­che­nes Wort .... wenn das ein­mal eta­bliert sein soll­te wäre es doch ohne gro­ße Schwie­rig­keit mög­lich jeman­den in ein sol­ches Gerät zu zwin­gen um sei­ne Gedan­ken aus­zu­le­sen. Da lie­gen mei­ne Bedenken.

      1. Die Beden­ken sind mir schon klar. Sie wer­den in unzäh­li­gen SF-Geschich­ten und Fil­men stark ausgebreitet.
        Was kann man ande­res sagen, als dass man sich sicher sein kann, dass es pas­sie­ren wird.
        Unter dem Motto:
        "We do it becau­se we CAN!"

        Hier darf man hin­zu­fü­gen, dass die­ses Mot­to fast immer nur den Ame­ri­ka­nern ange­la­stet wer­den kann. Viel­leicht auch ein biss­chen den Fran­zo­sen und ver­mut­lich auch den Chi­ne­sen. (War­um Fran­zo­sen, wer­den Sie fra­gen. Ich bezie­he mich auf Gen­for­schung und -Mani­pu­la­ti­on.) Aber es ist eigent­lich egal, wer letzt­lich den Durch­bruch schaf­fen wird.

        Wir kön­nen dann nur sagen: wie mensch­lich war doch Met­ter­nich oder die GESTAPO.

        1. Sie wer­den Recht haben mt dem genann­ten Mot­to - aber ist es irgend­wann ein­mal so weit, dass sich die Mensch­heit dar­auf besinnt, was zu ver­ant­wor­ten ist, und nicht immer alles zuzu­las­sen, was mach­bar ist? 'Auf­ge­ben' wäre doch in die­sem Fall wenn man nicht war­nend den Zei­ge­fin­ger erhebt und den Man­gel anprangert. 

          Kön­nen wir uns auf eine Alter­na­ti­ve für ihren letz­ten Satz ver­stän­di­gen? Mir scheint das Wort "mensch­lich" im Zusam­men­hang mit dem Wort "GESTAPO" irgend­wie unglück­lich gera­ten - wie wäre es statt­des­sen mit "dürf­tig", "klein­ka­riert", "mit­tel­mä­ßig" oder "erbärm­lich" o.ä.?

  2. Wir kön­nen uns auf ein Aus­weich­wort eini­gen. Aber im Zusam­men­hang mit der GESTAPO wäre "dürf­tig und klein­ka­riert, bzw. erbärm­lich auch zutref­fend. Aber das sind ja trotz­dem mensch­li­che Erschei­nun­gen. Und eine tech­nik-unter­stütz­te Bespit­ze­lung wür­de eher unmensch­li­che Aus­ma­ße anneh­men. Aber wir brau­chen dar­über nicht diskutieren ...

    Aber einen Witz muss ich anbrin­gen. Fritz Muli­ar hat jüdi­sche Wit­ze auf einer Sin­gle-Schall­plat­te erzählt. Einen habe ich vor viel­leicht 60 Jah­ren gehört.
    Ein Gesta­po-Mann soll einen Gefan­ge­nen über­füh­ren und gleich auch ver­ur­tei­len. Er will sich einen Spaß machen. Er selbst hat ein Glas­au­ge. Er sagt dem Gefan­ge­nen, dass er frei geht, wenn er erra­ten kann, wel­ches sei­ner Augen das Glas­au­ge ist. Nach einer lan­gen Pau­se sagt der Gefan­ge­ne: "das Linke".
    Über­rascht sagt der Ver­hö­ren­de: "Sie haben Glück und haben das rich­ti­ge erwischt. Oder haben Sie es gar erkannt?"
    Dar­auf der Gefan­ge­ne: "Es blickt so menschlich."

    Schon ein grau­sa­mer Witz, der aber doch sehr viel aussagt.

    1. Den Herrn Muli­ar moch­te ich sehr, er war die Spit­zen­be­set­zung für den Schwejk.
      Wit­ze sind immer im Kern unbe­que­me Wahr­hei­ten - das macht sie gera­de so wir­kungs­voll, wenn der Zuhö­rer wen anders lei­den sieht, ver­äp­pelt sieht und sich freut, nicht das Opfer zu sein.

  3. Ich sehe das nicht ganz so pes­si­mi­stisch wie Ihr. Klar ist, dass alles was tech­nisch mach­bar ist, auch gemacht wird. Aber kann so etwas wie maschi­nel­les "Gedan­ken­le­sen" auch gesell­schaft­lich durch­ge­setzt, also von den Gesell­schaf­ten akzep­tiert wer­den? Ich den­ke eher nein. 

    Was mich so sicher macht ist die Erfah­rung der fried­li­chen Revo­lu­ti­on in der dama­li­gen DDR. Als Grün­de für deren Unter­gang wur­den immer die Man­gel­wirt­schaft und feh­len­de Rei­se­frei­heit genannt, aber das ist nur die hal­be, bzw. ober­fläch­li­che Wahr­heit. Einer der Haupt­grün­de für die Auf­leh­nung des Vol­kes gegen sei­ne Dik­ta­to­ren war die Tat­sa­che, dass kein Mensch mehr ande­ren Men­schen (ver)trauen konn­te. Zu oft hat die Sta­si auch eng­ste Freun­de, Ver­wand­te, ja sogar die eige­nen Kin­der, Geschwi­ster oder Eltern zur Mit­ar­beit "ver­pflich­tet".

    Wenn ein Mensch merkt, dass per­ma­nent in sei­ne Intim­sphä­re ein­ge­drun­gen wird, sei­ne höchst pri­va­ten Eigen- und Gewohn­hei­ten aus­ge­forscht und sei­ne Lie­ben ihm gegen­über zum Ver­rat gezwun­gen wer­den, dann wird er sich frü­her oder spä­ter auf­leh­nen, auch wenn es ihn das Leben kostet. Und ja, ich weiß wie pathe­tisch das klingt. Aber die deut­sche Geschich­te ist voll von die­sem nach Frei­heit stre­ben­den - und wie ich fin­de - posi­ti­ven Pathos.

    Und genau das wür­de auch pas­sie­ren, wenn denn irgend ein durch­ge­knall­ter Dik­ta­tor ver­su­chen woll­te, durch das Lesen der Gedan­ken Kon­trol­le über das von ihm unter­drück­te Volk zu erlangen. 

    Aber auch sonst hal­te ich die­ses Sze­na­rio kurz- bis mit­tel­fri­stig nur für wenig rea­li­stisch. Erstens weil die viel­be­schwo­re­ne KI bei genaue­rer Betrach­tung zwar künst­lich, aber gar nicht intel­li­gent ist. Was die KI aus­macht sind ihre guten Algo­rith­men, aber nicht ihre Erkennt­nis­fä­hig­keit. Im besten Fal­le ist KI smart. Aber mit dem mensch­li­chen Gehirn kann man sie nicht vergleichen.

    Über­haupt unser Gehirn. Das, und wie es funk­tio­niert, ist doch nur in Ansät­zen bekannt und ver­stan­den. Und jetzt sol­len ein paar Algo­rith­men her­aus­fin­den kön­nen, was ein Mensch denkt? Was macht die KI, wenn der Mensch, der den Gedan­ken lesen­den Helm auf­be­kommt, sich zwingt nicht an einen rosa Ele­fan­ten zu den­ken und eben genau des­halb an einen rosa Elen­fan­ten denkt? Weiß sie dann, dass der Mensch unter dem Helm sein Spiel mit ihr treibt? Inter­pre­tiert sie sein Den­ken (an den rosa Ele­fan­ten) als harm­los oder als beson­ders subversiv? 

    Ich glau­be, dass es sich hier um nichts wei­ter han­delt als um die Wei­ter­ent­wick­lung des Law-and-Order-Bull­shit-Bin­gos über Lügen­de­tek­to­ren. Da glau­ben ja auch nur Ame­ri­ka­ner dran, dass das funk­tio­niert. Bei uns sind die Din­ger aus guten Grün­den nicht zugelassen.

    1. Nach den Erfah­run­gen die ich bis­her im Coro­na-lock­down erlebt habe bin ich mir nicht so sicher ob das wirk­lich einen Auf­stand her­vor­ru­fen wür­de. Schließ­lich sind wir Wes­sis in der Mehr­zahl und nie sol­cher extre­men Aus­spä­hung aus­ge­setzt gewe­sen - das ist den mei­sten Men­schen so fremd, dass es gelin­gen könn­te, wenn man ihnen die rich­ti­ge Karot­te vor­hält. Gepaart mit der Block­wart­ment­a­li­tät "Sie, blei­ben Sie mal ste­hen, das sind kei­ne 2 m mehr, Sie sind näher an mir dran!" (gestern bei der Tank­stel­le) von einem ca. 40-50-jäh­ri­gen Schnösel.

      Wenn es noch Jah­re dau­ert. Ich habe noch die Zeit erlebt, da gab es in der gan­zen Stra­ße ein Tele­fon in der ansäs­si­gen Knei­pe. Die Gesprä­che muss­ten ange­mel­det wer­den, der voll besetz­te Gast­raum (da gab es noch kei­nen Fern­seh­ap­pa­rat) hör­te mit. Und wo ste­hen wir heu­te beim tele­fo­nie­ren? Das war eine Span­ne von 70 Jah­ren, aber schon vor 20 Jah­ren wur­de mit den Mobil­te­le­fo­nen geplant die jetzt seit 2010 der Nor­mal­fall sind - was frü­her eine Maschin­ne­hal­le füll­te hält man heu­te in der Hand.

      Ich wür­de gern glau­ben, dass es nicht so schnell geht. Aber wenn ich zurück schaue nimmt die Tech­nik mitt­ler­wei­le expo­nen­ti­el­le Gestalt an: Akku­la­dung ohne Kabel - als ich ein Bub war gab es nur eine ein­zi­ge Art von Bat­te­rie, das sind die heu­te obso­le­ten dicken Kawenz­män­ner gewe­sen. Die ersten selbst­fah­ren­den Lie­fer­fahr­zeu­ge sind geneh­migt (Info news­let­ter ingenieur.de) ....

      PS
      Wie lan­ge schafft es ein nor­ma­ler Mensch an rosa­ro­te Ele­fan­ten zu denken?
      Und ist es nicht schon heu­te so, dass die *Dien­ste* eine völ­lig abstru­se Sicht des­sen haben, was als 'ver­däch­tig' gilt - und ech­ten Lum­pen lau­fen unge­scho­ren her­um oder wer­den gar als Agent light engagiert?

  4. Irgend­wo ist mir die Nach­richt dar­über auch über den Weg gerannt...
    Aus tech­ni­scher Sicht nun natür­lich inter­es­sant wie sie das bewerkstelligen.
    Aller­dings muss ich sagen, wenn es nötig ist, dass der Pro­band dabei immer noch in Spra­che den­ken muss, so ist die Sache, außer für das wil­lent­li­che Bedie­nen irgend­wel­cher Gerä­te und Maschi­nen, doch sehr unge­eig­net, Gedan­ken sicht­bar zu machen.
    Denn die Krux ist doch sehr häu­fig, dass jemand mit Wor­ten einer ande­ren Per­son nicht beschrei­ben kann, was er meint oder wel­ches Bild er vor Augen hat.
    Könn­ten Bil­der visua­li­siert wer­den, die jemand inner­lich vor Augen hat, so wäre das ganz etwas anderes.

    Man braucht dazu eigent­lich nur das Bei­spiel von jeman­dem, der Pro­ble­me mit sei­ner Gefühls­welt hat und sel­ten in der Lage ist, einen Vor­gang kon­kret zu benen­nen und zu beschrei­ben - in Wor­te zu fassen.
    So jemand denkt auto­ma­tisch weni­ger in Wor­ten, weil Wor­te für ihn nicht das beschrei­ben kön­nen, was er ande­ren gegen­über zum Aus­druck brin­gen will. Even­tu­ell denkt der Pro­band mehr in Gefüh­len oder Bil­dern - schon hat man es, dass die­se Metho­de wir­kungs­los ist, weil sie an der Denk­wei­se des Pro­ban­den vor­bei geht.

    Ich wür­de es jeden­falls nicht anneh­men, dass das all­zu schnell etwas mit dem "akku­rat Gedan­ken lesen" wird.

    Bei­läu­fig:
    Zu der Fra­ge, ob alles, was tech­nisch mög­lich ist, auch umge­setzt wer­den soll­te, fällt mir the­ma­tisch Brechts "Leben des Gali­lei" ein. (War The­ma in der Abitur­stu­fe, muss­ten wir lesen...)

    1. Wenn es erst­mal gelun­gen ist Wor­te zu ent­schlüs­seln und die Gedan­ken sicht­bar, les­bar zu machen - was soll denn dann die­se For­scher hin­dern wei­ter zu gehen und Bil­der, Phan­ta­sien, Ver­gan­ge­nes aus­zu­le­sen? Da gibt es viel­leicht bei eini­gen Per­so­nen noch Gren­zen - aber Alle? Wohl kaum. Was ich damit mei­ne ist: Hat man erst mal den Ansatz ver­fei­nert, ist die Varia­ti­on in ande­re Bereich bestimmt kein Pro­blem mehr!

      Den Gali­lei habe ich zwar als Reclam gehabt, wir sind aller­dings wegen des Kurz­schul­jah­res nicht mehr dazu gekom­men den zu lesen - wor­auf soll das hindeuten?

      1. Theo­re­tisch wür­de ich das nicht aus­ge­schlos­sen las­sen, aber, wie schon die Ent­wick­lung von KI und selbst­fah­ren­den Autos zeigt, ist der Mensch nach wie vor viel zu dumm und geht viel zu grob­mo­to­risch vor, um sein eige­nes Den­ken abzu­bil­den bzw. sicht­bar zu machen.
        Wenn man neu­ro­na­le Ver­net­zung inner­halb des Hirns nur annä­hernd ein wenig ver­steht, soll­te einem auf­fal­len, dass die inne­re Ver­drah­tung eines Men­schen teil­wei­se zu indi­vi­du­ell ist, um wirk­lich kom­ple­xe Inhal­te aus sei­nem Den­ken akku­rat für ande­re abzu­bil­den. Im Prin­zip, zumin­dest, wenn es um Bil­der, Gefüh­le und der­glei­chen schon geht, müss­te man die Grund­me­tho­dik jedes Mal an das Indi­vi­du­um anpas­sen, weil es für die­se tie­fe­ren Vor­gän­ge kei­ne Muster­vor­la­ge gibt, wo man bei­spiels­wei­se Elek­tro­den anle­gen muss, um einen Hirn­strom zu mes­sen. Teil­wei­se müss­te man die­se sogar ins Hirn anle­gen können.
        Weil die Area­le, inner­halb derer die­se Hirn­funk­tio­nen statt­fin­den, immer leicht etwas anders ver­teilt sind.

        Sol­che Punk­te wie wenn man evo­zier­te Poten­tia­le beim EEG misst, womit man die Durch­lei­tungs­qua­li­tät einer Ner­ven­bahn vom Kör­per­teil zum Kopf mes­sen kann, sind mal ein paar Punk­te, die bei jedem gleich sind - sie sind auch nicht wirk­lich wei­ter ver­fei­nert, son­dern man fängt nur den Grund­sti­mu­lus einer grö­ße­ren Quel­le ein, die man auch noch absicht­lich von außen reizt.
        Sozu­sa­gen, du könn­test bei einer moto­ri­schen Rei­zung des Haupt­nervs an der Hand oder am Fuß nicht sagen, wel­cher der ein­zel­nen Fin­ger oder Zehen eine schlech­te­re nerv­li­che Durch­lei­tung hat.

        Sicht­bar machen von Gedan­ken müss­te aber so detail­liert vor­ge­hen. Sonst wür­de man als Ergeb­nis in etwa die Qua­li­tät auf den Schirm krie­gen, dass sich zwei Strich­männ­chen hau­en und nicht etwa eine bestimm­te Per­son A und eine bestimm­te Per­son B (was man wohl­mög­lich aber genau im Detail wis­sen will).

        Oder, man kann es auch noch anders­her­um betrach­ten aus einem ande­ren Feld: Sie kön­nen einem heu­te noch nicht ein­mal sagen, wie genau Geschlecht im Gehirn ver­an­kert ist, jen­seits der ana­to­mi­schen Situa­ti­on - und da soll es den Aus­blick geben, dass der Mensch in abseh­ba­rer Zeit die Gedan­ken eines ande­ren les­bar machen kann? Klingt ange­sichts des­sen etwas utopisch.
        Der Mensch hat bis heu­te noch nicht ein­mal die vie­len Fein­hei­ten sei­nes eige­nen Ver­stan­des und sei­nes Gehirns erfasst - geht viel zu grob dabei vor...
        Über sol­cher­lei wür­de ich mir daher noch nicht so vie­le Gedan­ken machen. Ver­fol­gen - ja, aber wenn nicht gera­de wirk­lich jemand in dem Sek­tor irgend­wel­che Wun­der voll­brin­gen kann, wür­de ich sagen, das The­ma ist noch lan­ge Zeit keines.

        Gali­lei fällt mir als Asso­zia­ti­on dazu ein, weil es da um die­ses The­ma "Wie weit soll­te Wis­sen­schaft gehen?" dabei geht.
        Gut, man muss dabei auf­pas­sen, wel­che Fas­sung des Stücks man vor der Nase hat - Anfangs hat Brecht es wohl ange­dacht als den Kon­flikt zwi­schen Kir­che und Wis­sen­schaft (der sich bei Gali­leo Gali­lei ja histo­risch sehr wider­spie­gelt), und nach dem Nie­der­gang der ame­ri­ka­ni­schen Atom­bom­ben und Japan hat er das Stück nach­be­ar­bei­tet, sodass sich die all­ge­mei­ne Bot­schaft dar­aus ein wenig ver­än­dert hat.
        Qua­si war es noch in der ersten Fas­sung "Wis­sen­schaft soll­te sei­nen Kopf durch­set­zen", wäh­rend es in der abge­än­der­ten dann zu einem "Wis­sen­schaft soll­te sich immer zuerst genau über­le­gen, was sie tut und wofür".
        Zen­tral spie­gel­te sich die­se Erör­te­rung im letz­te­ren Teil des Stücks wie­der, als Gali­lei von sei­nem frü­he­ren "Lehr­ling" Andrea (als Erwach­se­ner) im Exil besucht wird und die­ser ihn fragt, war­um hat er damals wider­ru­fen und vor dem Kle­rus gekuscht. Dabei wird Gali­leis eige­ne mensch­li­che Unzu­läng­lich­keit offen­sicht­lich (er hat­te zu viel Angst vor den Kon­se­quen­zen für sei­ne Per­son), aller­dings auch Andre­as Ein­stel­lung offen­sicht­lich, die zu dem Zeit­punkt einem "Wis­sen­schaft soll­te ver­su­chen, sich durch­zu­set­zen" ent­spricht. Dar­auf­hin wirkt Gali­lei noch mal auf ihn ein - aber ehr­lich gemeint - und wirft die­se Fra­ge auf, ob man for­schen soll­te nur um der For­schung Wil­len, oder ob man als For­scher dabei nicht auch einem gewis­sen Ethik­ko­dex fol­gen sollte.
        (Wenn ich mich rich­tig erin­ne­re, endet das Stück dann damit, dass er Andrea ein oder meh­re­re Schrift­stücke mit sei­nen Erkennt­nis­sen doch mit­gibt, als offen­sicht­li­che Wil­lens­be­kun­dung, dass er doch zu dem steht, was er fest­ge­stellt hat - dass die Erde nicht das Zen­trum des Son­nen­sy­stems ist -, und die­ser nimmt sie dann außer Lan­des mit, um die Erkennt­nis doch zu ver­brei­ten. - Ich weiß jetzt nur nicht mehr, ob er ihm expli­zit den Auf­trag gab oder ob er ihm freie Wahl dar­über gelas­sen hat­te, ob er die Inhal­te sei­ner Schrif­ten ver­brei­tet oder nicht.
        Die Sache ist über 10 Jah­re schon her, dass ich das mal lesen musste...)

        1. Vie­len Dank für die Auf­kä­rung zu Gali­lei, es ist, wie bei ande­ren Lite­ra­tur-Klas­si­kern auch, immer die­ser Abstand von­mehr als 60 Jah­ren seit ich sie gele­sen habe der das Bild des­sen, was der Inhalt war, ver­schwim­men lässt. Bei eini­gen Wer­ken bin ich nicht ein­mal sicher ob ich sie tat­säch­lich gele­sen habe oder nur dazwi­schen irgend­wie von deren Inhalt erfah­ren habe - mit Aus­nah­me bei­spiels­wei­se von Dür­ren­matt, über den ich ein Refe­rat in der Pri­ma gehal­ten habe. Also noch­mal: "Dan­ke!" für die Zusammenfassung.

          Wie weit soll­te Wis­sen­schaft gehen?”
          Ja, das ist eine Grund­fra­ge der Ethik ud die umfasst alle Lebens­be­rei­che. Mög­li­cher­wei­se bin ich da zu pes­si­mi­stisch, denn wie Sie schon dar­le­gen, ist es wohl noch eine Wei­le bis das umge­setzt wer­den kann und dann erst wür­de es ja rele­vant als bedro­hung. Olaf hat ja ähn­lich abge­wie­gelt wie Sie - und des­we­gen neh­me ich an, dass ich da mit grö­ße­rer Wahr­schein­lich­keit falsch liege.

  5. Zu viel ist mir aus der Lebens­zeit nicht hän­gen geblie­ben - unter Dau­er­mü­dig­keit kann man sich ein­fach nichts merken...
    Von Brechts Gali­lei ist mir das aber so im Hin­ter­kopf geblie­ben über das Stück.

    Und sie­he, er hat ja auch mit der Zeit und den Ereig­nis­sen den Inhalts­schwer­punkt auf etwas ganz ande­res ver­la­gert, weil mit ein paar dra­sti­schen äuße­ren Ereig­nis­sen auch die nega­ti­ven Sei­ten der Wis­sen­schaft offen­sicht­lich wur­den. Wis­sen­schaft kann sich genau­so zum Werk­zeug der Bösen machen wie es Gutes tun kann...

    Ich hal­te es des­we­gen mit dem Inter­es­se an Kriegs­tech­nik auch immer ein Stück weit bewusst.
    Wenn jemand fragt "Du weißt doch, wozu die Din­ger gedacht sind, oder?!", dann ant­wor­te ich bedäch­tig "Ja, das weiß ich... - Die sind nicht zum Nase-pudern da.".
    Tech­nik zu ver­herr­li­chen, nur weil man die selbst gut fin­det oder irgend­ei­ne Fas­zi­na­ti­on damit ein­her­geht, soll­te nicht zu der Nai­vi­tät füh­ren, dass man alle mög­li­chen nega­ti­ven Kon­se­quen­zen der sel­ben Tech­no­lo­gie auszublendet.
    Sonst lan­det man irgend­wann in einer selbst gebrau­ten Hölle...

    1. Es sind ja aus jedem Lebens­ab­schnitt immer nur Bruch­stücke vor­han­den - woll­te man sich alle Ein­zel­hei­ten mer­ken müss­te man einen "Kopf wie eine Gas­uhr" haben - wie mein erster Chef, der begna­de­te Dr. Peter Kristl zu spre­chen belieb­te [" ..Kristl mit "K" - ich bin nach­weis­lich kein Mäd­chen.. " war auch einer von sei­nen Sprüchen]. 

      Nun hof­fe ich dar­auf, dass Ihre und die Auf­fas­sung von Olaf Ober­hand gewin­nen und schließ­lich, bis die Tech­nik so weit ist, auch die Ethik dahin­ge­hend gedie­hen sein wird.

Schreibe einen Kommentar zu Hans hartmann Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert