So nach und nach hatte ich die Nase voll von der hochtrabenden Art wie das Leserpublikum von den Verantwortlichen und Redakteuren angesprochen wird. Deswegen hatte ich "krautreporter" abbestellt. Außerdem hege ich den Verdacht, dass hinter diesem Projekt mehr steckt, als nach außen zugegeben wird. Die Liste der 'Großspender', die schließlich den letzten 'Schub' gebracht haben, ist nie bekannt gemacht worden. Wer die 'Genossen' in der Genossenschaft sind ist ebenso heimlich & versteckt.
Heute nun habe ich die letzten beiden 'newsletter' abbestellt und es erschien folgendes Bild:
Die Frage unter 'Andere' habe ich so beantwortet:
Viele Beiträge (im newsletter & im Magazin) sind 'von oben herab' und 'belehrend' - so, als ob nur die jeweiligen Schreiber:innen die Welt richtig verstehen und erklären können ....
Zudem gefällt es mir nicht, wenn ich von x-beliebigen Menschen geduzt werde. Die meisten davon höchstens ein Drittel oder die Hälfte so alt wie ich. Diese Duzerei nervt, zumal wenn sie im Text nicht konstant genutzt wird.
Ich glaube ja, dass das "Siezen" ein kommunikatives Auslaufmodell ist. Hier in Dänemark sagen alle Du zueinander, außer zur Königin und zu sehr alten Leuten. Wobei das mit den alten Leuten nur ein Gerücht ist, denn ich arbeite in der Branche und kenne mehrere knapp (und über) 100jährige, die mich wohl ziemlich verwundert angucken würden, wenn ich sie "siezte". Ich würde wohl auf sie wirken, als wäre ich aus der Zeit gefallen. Was die Königin betrifft muss ich es glauben, weil ich nur äußerst selten mit ihr zu tun habe. Aber als Königin ist sie es ja, die aus der Zeit gefallen ist. ;o)
Ich denke, dass viele Menschen im deutschsprachigen Raum, und hier ganz besonders in Österreich, so viel Wert auf das Sie legen, weil es (angeblich) Abstand schafft, Respekt verdeutlicht und oft auch mit dem gesellschaftlichen Stand, bzw. Titel, verbunden ist. So sagt man auch zur Frau eines Oberstudienrats "Frau Oberstudienrat", obwohl sie vielleicht in ihrem ganzen Leben keine Universität von innen gesehen hat, aber der Mann eben diesen Titel verliehen bekam (ich weiß nicht ob es noch immer so ist, aber als ich vor anderthalb Jahrzehnten in Österreich arbeitete, habe ich so etwas erlebt).
Der Frau des Oberstudienrats wird also Respekt für etwas entgegengebracht, für was sie gar nichts kann, bzw. für was sie nichts getan hat. Die Frage ist für mich aber, was für eine Form des Respekts das ist? Diese Art von Respekt ist von oben aufdiktiert, als gesamtgesellschaftliche Verhaltensnorm gefordert, obwohl es am Ende ja doch nur ein Erkennungszeichen für eine "obere Gesellschaftsschicht" ist, mit der sie sich sehr gut abgrenzen kann.
Auch der Frau des Oberstudienrats wird das nicht gerecht, weil es vollkommen unerheblich ist, wer sie als Mensch ist und was sie persönlich geleistet hat. Sie verschwindet einfach hinter dem Titel ihres Mannes.
All das ist, wie ich finde, nicht mehr zeitgemäß. Respekt und Augenhöhe haben nichts mit Du oder Sie zu tun, sondern mit dem eigenen Verhalten gegenüber anderen Menschen. Mir ist ein respektvolles Du hundertmal lieber, als ein herablassendes Sie. Mir ist das vertrauliche Du lieber, als das kratzbuckelnde Sie. Aber ich kann auch verstehen, dass das Sie ein Werkzeug ist, andere Menschen auf Abstand zu halten, bzw. zu verhindern, dass es schnell persönlich wird. Du *Schimpfwort* sagt sich leichter, als Sie *Schimpfwort*.
Und vielleicht ist das der große Nachteil - vor allem auch im Netz. Dass das Du das Beleidigen so einfach macht.
Österreich, um das gleich zu Anfang 'abzuarbeiten' hat eine ganz besondere Art mit Titeln und Ansprache umzugehen - alles 'adelige und gelehrte' war für die soziale Stellung im K&K Reich von großer Bedeutung, wer in der Gesellschaft oder 'bei Hofe' etwas gelten wollte hatte die Notwendigkeit irgendwelche Titel zu führen .... ein Relikt daraus sind die Ansprachen mit akademischen (und sonstigen, allgemein angeblich nicht mehr gebräuchlichen) Anreden wie *Hofrat*, *Magister*, etc. - die österreichischen Leser hier mögen mich da bitte korrigieren.
Die Frau des Oberstudienrats oder des Hausarztes ist schlicht "Frau X" - es sei denn, sie hätte selbst diesen akademischen Status erworben. Wer das anders handhabt tut mir leid, das ist sowas von "1920ies" ....
Mir geht es eher um dieses zwanghaft vertrauliche Du in den Webseiten von Unternehmen, die damit eine Nähe und Sorge um ihre Kunden/Leser/ abonnenten darstellen wollen, wo doch jeder weiß, dass es da ums Geld geht ....
Web:
Da selbst der schnöseligste Schmierlappen glaubt er habe eine Gleichstellung mit ernsthaften, gebildeten und ausgeglichenen Menschen ist dieses Du mir so lange zuwieder, bis ich mich von der 'wahren' Natur dieses Menschen überzeugt habe. Und wenn es off-Weblog Kontakte gibt habe ich selbstredend nichts gegen ein Du auch hier - es ist nur schwierig zu nicht so Vertraueten Distanz zu halten wenn das sich einbürgert - deswegen bitte ich ja immer in solchen Fällen darum das auf der eher unpersönlichen Ebene zu halten damit da keine ins Auge stechenden Unterschiede sind.
Es hat auch nichts mit Überheblichkeit oder Angst vor Nähe und/oder Offenheit zu tun, das wissen mindestens all jene Menschen, mit denen auch außerhalb des Weblogs Kontakte bestehen.
Ich empfinde das Sie als eine Bereicherung unserer Umgangsformen und hoffe, dass es noch lange dazu beitragen wird, Distanz zum Ausdruck zu bringen, wo diese erwünscht ist. Dazu muss es natürlich bewusst gebraucht werden von denjenigen, die auf eine solche Differenzierung Wert legen. Diese Duzerei à la Ikea geht mir schon lange auf die Nerven.
Sie haben das sehr treffend und prägnant zusammengefasst - ich hatte es gerade eben in einer Antwort an Olaf ein wenig ausholender versucht zu erläutern. In der Tat ist IKEA eines der ersten Unternehmen gewesen, das damit angefangen hat. Die Generation, die damit aufgewachsen ist, kennt es daher nicht anders und hält es wohl schon deswegen für *normal* - und wir (ich darf Sie da 'mal einschließen) Alten kriegen Krämpfe ....
Anders sieht es vielleicht aus wenn es in der Landessprache nicht zu einer solchen Unterscheidung kommt - vordergründig! - denn selbst in USA ist zwar Vorname und 'you' in Gebrauch, es besteht jedoch kein Zweifel, dass da eine Distanz ist .... mindestens so lange, bis man sich gegenseitig im eigenen Haus / Apartment besucht & bewirtet hat: Dann erst kann man von (wahren) Freunden reden, was unserem vertrauten "Du" gleichwertig ist.
Vor einiger Zeit habe ich mal etwas über die Entstehungsgeschichte des englischen YOU gelesen: Das ist kein gleichmacherisches Du, man spricht also nicht den Schuldirektor mit Du an, sondern im Gegenteil, man spricht genaugenommen alle, auch die eigenen Familienmitglieder und Freunde, mit Sie an.
[Vgl. auch im Französischen das "vous" unter Ehepaaren.]
Es ist in den USA oft so, dass in Firmen der Ton 'locker' ist - das Arbeiten allerdings weniger entspannt als hier .... ich habe eine Weile bei einem Beratungsunternehmen gearbeitet, da war der Umgang wirklich sehr freundlich. Aber richtig 'nah' wurde es nur bei der Sekretärin, deren Mann ich von der Bank kannte, wo ich mein Konto hatte - die Beiden haben mich nach Hause zu sich eingeladen als meine Frau zu Besuch kam.
Wie ich vermute wohl eher wegen des Status: Amerikaner geben gern mit ihren ausländischen Freunden an. Das hebt den sozialen Status.
@ wvs
Es gibt ja schließlich im Englischen immer noch die Anrede- bzw. Bezeichnungsformen "Sir" und "Miss". Sprachlich kennt man also dort auch Distanz, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint.
Richtig, und deswegen ist es mit der viel gepriesenen Lockerheit der Amerikaner nicht soweit her .... aber viele Touristen sehen nur die Fassade, sie bleiben trotz Reise 'dumm', obwohl doch reisen 'bilden' soll.
Aus ihrer Sicht ist das irgendwo verständlich, dass ihnen das auf die Nerven geht - gerade, wenn in Verbindung damit (auf Polit-Seiten leider Gang und Gebe) die typische Besserwisserei auftritt.
An der Stelle steht man dann bestimmt oftmals da "Junge, ich hab' 'nen Großteil mehr Lebenserfahrung als du, nun komm' mir also nicht so blöd und tu' so, als wenn du die Weisheit mit Löffeln gefressen hast und ich ein kleines Kind bin!".
(Ich werde die Respektlosigkeit wahrscheinlich auch oft genug begehen; muss aber dazu sagen, in der Regel habe ich es dann mit Leuten zu tun, die zwar mehr oder wesentlich älter sind als ich, denen man das nicht anmerkt, die sich evtl. auch nicht wirklich reifer benehmen oder die sich auf ihre Zahl auf dem Tacho schon fast was einbilden, dass das sie automatisch schlau macht. Ab und an brauchen die auch mal das Feedback aus jüngeren Zeiten als z. B. die Anti-Atom-Bewegung und die ganze Selbstbeweihräucherung, was man angeblich mal erreicht hat, wovon ich aber nichts merke.)
Obwohl ich als Floskel zum Ansprechen dann doch selbst lieber das Du bevorzuge. Ich komme mir sonst so unnötig alt gemacht vor...
Anders ist das, wenn ich jemanden nicht kenne und weiß, dass derjenige wesentlich älter ist als ich. Einen früheren Lehrer von mir würde ich höchst wahrscheinlich auch nicht gleich mit "Du" anreden, es sei denn, der erlaubt mir das, weil man es ja heute nicht mehr muss...
Im Internet sieht man das aber niemandem an.
Und letztlich ist es nur im deutschen Sprachraum wichtig, im englischen ist es egal, weil beides mit "you" ausgedrückt wird.
Die Sache mit der Lebenserfahrung ist relativ - mehr Jahre sind oft nicht gleichbedeutend mit mehr Erfahrung und schon erst recht nicht mit 'besser wissen'. Manche Menschen bleiben in der Pubertät stecken und das war's dann .... aber eine Sache ist sicher richtig: Wenn man in der Zeit von der die rede ist gelebt hat, dann kann man etwas dazu sagen was andere, jüngere Menschen nicht erlebt haben können - und das bedeutet einen Wissens- und Erfahrungsvorsprung. Wenn man denn wirklich etwas von dem mitbekommen hat was da abging und nicht in den 60ern und 70ern nur gehasch, gehurt und dem Baghwan zugehört hat oder später, in den 80ern und 90ern, sich nur um Karriere und Geldverdienen kümmerte.
Wie so oft gehört zur Einschätzung etwas, was man mit *Kinderstube* umschreibt:
Zu wissen was sich gehört, lieber einmal mehr zurückhaltend als zu forsch zu handeln und immer zu beobachten, wie das, was man tut aufgenommen wird. Dann kann man rechtzeitig umschwenken und die Situation beherrschen anstatt von ihr beherrscht zu werden.
Das fasse ich in dem Punkt auch so auf.
Oft genug sehe ich es, dass ich den Eindruck habe, dass ab einem bestimmten Grad von Alter der Stachel im eigenen Auge nicht mehr wahrgenommen wird. (Und das ist schon fast wie ein Lockmittel, um mich auf den Plan zu rufen...) Die eigenen blinden Flecken.
Klar, es passiert einem selbst auch... Aber, ich würde einen, ich bemühe mich wenigstens stetig, dynamisch zu denken und nicht pauschal nur auf einer bestimmten Seite zu stehen.
Ich weiß letztendlich, dass keine Seite stets völlig ohne Sünde ist. (Also sollte man auch nicht so tun, als wenn es aners wäre.)
In dieser Position ist es sogar richtig und wichtig, dass die Alteingesessenen eines Themas auch mal Feedback von Jüngeren bekommen, weil es schlichtweg einfach der Fall ist, dass einem, wenn man in einem bestimmten Zeitraum groß geworden ist, die Erfahrung fehlt wie dasselbe in einem ganz anderen Zeitraum ist.
Jeder wächst schließlich nur ein Mal auf und erlebt seine prägenden Jahre... Mit bestimmten Dingen hat man ab einem gewissen Alter einfach keinen Kontakt mehr und "steht deswegen nicht mehr in der Materie".
Davon fehlen einem dann aber die Erfahrungen allgemein und ganz bestimmte, die nur in einer bestimmten Zeitepisode gemacht werden konnten, was dann dann dazu führt, dass man etwas teilweise eigentlich gar nicht richtig bewerten oder einschätzen kann. Eventuell die eigenen Erfahrungen überhöht und verherrlicht und sie als wichtiger einschätzt als sie sachlich - im Verlaufe der Geschichte - gewesen sind.
Was sie unter dem Begriff "Kinderstube" anführen - an und für sich ist das mein Standard, wenn mich nicht irgendwas aus der Reserve lockt oder wirklich ärgert. Liegt einfach daran, dass ich Gespräche will und keinen Krieg. (Krieg spielen strengt nämlich sehr an. Und im Grunde ist mir nichts so heilig wie meine eigene Ruhe...)
Ich finde es sehr schade, wenn man stehen bleibt und würde mir wünschen, dass mehr jüngere Menschen sich anstatt bei facebook und ähnlichen Plattformen lieber in den Weblogs tummelten - um dort uns 'Alten' ihre Sicht der Welt darzustellen (Sie sind da eine Ausnahme, danke!).
Hier kann man längere Dialoge führen - während andernorts oft nur der kurze und nicht immer sofort durchschaubare Minisatz gefragt ist. Oder eben die unsäglichen "Ich weiß etwas, deswegen bin ich wichtig" Erfindungen, die letztendlich nur selbst erdachte Spinnereien bar jeglichen Wahrheitsgehaltes sind.
Wenn ich mal etwas näher darüber nachdenke...
Wie ist meine "User experience" in Kommentarspalten?
Instinktiv ist doch mitzukriegen, dass häufig ich der Jüngste bin, der sich beteiligt (und das ist schon seit vielen Jahren so!). Das merkt man einfach daran, was für Beispiele andere Nutzer einwerfen für ein Thema, auf das man gerade kommt - wenn da Leute immer wieder nur Inhalte einbringen, die einem selbst eher unbekannt sind, weil vor der Zeit, als man überhaupt auf der Welt war, und das zumindest in einer Grundqualität ist, dass man der Sache anmerkt, derjenige holt das nicht selbst nur aus dem Geschichtsbuch ohne weitgehende Information dazu, ja dann weiß man dadurch auf subtile Weise, es wird sich bei demjenigen kaum um jemanden handeln, der jünger als man selbst ist.
Und das ist so meine stetige "User experience". Selten, dass es mal anders ist.
Wenn ich daran denke, wann es das letzte Mal so war, dass "ich" in einer im Alter eher durchmischten Gruppierung war, wo man über komplexe Dinge diskutiert hat - das war in meinem ersten Forum, dem ich beigetreten war. Und das ist über 10 Jahre her. (Könnte ihnen dazu sogar den Eintrag aus der Wayback Machine zeigen, sodass sie sich einen Eindruck verschaffen können, was das mal war, aber öffentlich mache ich das nicht, weil das ja auch andere sehen können - und manch einer weiß damit was anzufangen oder denkt danach komisch über einen.)
"Irgendwer ist immer die/der Jüngste!" möchte ich da sagen - und betonen, dass ich ihren Input hier sehr schätze, wenn es auch manchmal sehr ausladend angelegt ist. Aber: Lieber so als seichtes Geplänkel!
[Blogpublikum ist in aller Regel eben schon jenseits eines Alters der heute durchschnittlich aktiven user]
Ja, das "sich kurz fassen" hat mein Gehirn irgendwo entlang des Weges mal verlernt... Registriere ich selbst immer wieder. Es funktioniert einfach irgendwie nicht mehr.
Geht doch - wie gerade eben zu lesen war .... ;c)
Nur, wenn es zu einer Sache wirklich nicht viel zu sagen gibt.
Thematische Diskussion hingegen... Das wird leider irgendwie nichts mehr.
Ob es daran liegt, wenn man schon lang dabei ist - und nicht mehr in solch einfachen Dimensionen denken kann wie die meisten (entweder pro oder gegen eine Sache sein, ohne Zwischentöne)?
Es ist ja der Zahn der Zeit der auch an den Diskussionen nagt:
Wer sich einfacher mit wenigen Sätzen und Kürzeln bei den sogenannten sozialen Medien zu großen Besucherzahlen äußern kann scheut oft die längere Erörterung - da muss man mehrere Gedanken folgerichtig und verständlich verknüpfen, wodurch schon Viele überfordert sind .-..
Auch der Lehrer würde den ehemaligen Schüler wohl kaum mit Du anreden, also wäre es umgekehrt wohl erst recht ein Unding. Ein Lehrer spricht Schüler ab der 11. Klasse, also ca. ab 16, mit Sie an. Und so handhabe ich es auch, wenn ich einmal mit jem. in diesem Alter spreche.
Eine Ausnahme mache ich schon mal, wenn in einem Internetforum grundsätzlich geduzt wird.
Die Frage ob es angemessen ist 16-jährige mit "Sie" anzusprechen ist doch schon dadurch geklärt, dass es eine "pro"-Diskussion um das Wahlalter gegeben hat und man unter den derzeit vorhandenen Aktivisten für verschiedene Anliegen immer mehr Jugendliche findet, die mehr Wissen als mancher alte Tropf mitbringen und selbst Berufspolitiker *alt* aussehen lassen.
[Andererseits hat das auch eine Schattenseite: Es wird ein Teil der unbeschwerten Jugendzeit gestohlen - junge Menschen werden so fast schon gezwungen früher erwachsen zu sein.]
Bei mir war es so, dass Lehrer allerhöchstens in der Oberstufe mit dem "Sie" angefangen haben - und dann, wenn ich mich nicht falsch erinnere, auch erst, wenn die Probanden 18 Jahre alt wurden (also volljährig) oder davon auszugehen war, dass langsam alle in der Klasse so alt waren.
Das haben aber auch nur manche gemacht; der überwiegendere Teil, würde ich meinen, blieb beim "Du". Man empfand das sogar als Schüler überaus affig und seltsam, gerade wenn es Lehrer waren, die man sowieso schon seit Jahren kannte.
Um es kurz zu machen: Von Lehrer zu Schüler bin ich das "Du" gewohnt, umgekehrt, von Schüler zu Lehrer, bin ich das "Sie" gewohnt.
Je nach dem wie mancher persönlich drauf war, kann man es sich vorstellen, dass der selbe Lehrer heute einem das "Du" anbieten würde, wenn man sich noch mal über den Weg läuft, weil man heute beiderseitig erwachsen ist und mittem im Leben steht und nicht mehr in einem Fürsorgeverhältnis steht.
Deswegen erwähnte ich das Beispiel - weil das heutzutage zunächst etwas seltsam im Kopf wäre.
(Keine Ahnung, ob das typisch "Ost" ist - zumindest, soweit wie ich weiß, hat da das "jeder von uns ist Genosse, Stände gibt es nicht mehr, und niemand ist mehr oder weniger wert als der andere" deutlich seine Spuren hinterlassen.)
Nein, im Osten mussten die Lehrer Schüler nach der Jugendweihe (um die 14 Jahre) siezen. Ob das so gemacht wurde, wurde von den Schülern bestimmt. Beim Klassenlehrer hat man sich meist darauf geeinigt, dass das Duzen beibehalten wird (einseitig).
Wenn ich häufigen Kontakt habe, ist bei mir sehr schnell das Du in Gebrauch. Von Vornherein geduzt so werden finde ich je nach Kontext manchmal befremdlich, aber auch O.K.
Beim Bloggen bevorzuge ich das Siezen – mehr als Attitüde. Ist aber auch oft nicht so verkehrt, um etwas Anstand zu wahren.
Ich weiß auch nicht, ob es da Unterschiede gegeben hat/gibt. Tendenziell sind die Berliner und alles, was nördlicher davon liegt, generell nicht so förmlich oder legen auf Etikette besonderen Wert.
(Und auf eine Art ist das auch gut an ihnen.)
Ich kenne das jedenfalls mit dem übermäßigen Gesieze nicht. Schon aus der Schule. Und es setzt sich auch heute noch im Alltag so weiter fort.
Die Berliner habe ich da 1988⁄89 selbst erlebt - im 'Nachtleben' stimmt das wohl (auch heute noch?) aber im Geschäftsleben und bei allem 'ernsthaftem Umgang' scheint es mir zweifelhaft.
Als ich 2009/2010 mehrere Touren entlang der Ostsee und in M-Vorp. machte hatte ich nicht den Eindruck von "entspannt sein" .... aber das mag daran liegen, dass man mich als üblich überheblich-großkotzigen Wessi ansah.
Im geschäftlichen Umgang sind die dazu gezwungen, zu praktizieren, was alle praktizieren.
Im Alltag allerdings muss man das nicht.
Da sie ein frühere Touren durch MV erwähnen, wie wäre es denn mal mit dem Vorschlag: Wenn schon auf anderem Gebiet, mit eventuell anderen Gepflogenheiten, warum sich dann nicht mal "locker machen"?
Ein Großteil dieses Piefke-Images/-Hasses liegt, meiner Auffassung nach, auch daran, dass "die" woanders/hierher kommen und ihre eher unfreundlich wirkende Kinderstube mitbringen.
Berühmtberüchtigt in der Vergangenheit war dafür das Bild "Kaum wedeln die mit ihren D-Mark, schon sollen für die alle wie Gewehr bei Fuß springen".
Der Teil mit der anderen Währung entfällt zwar heute, was aber nicht heißen mag, dass diese Verhaltensart verschwunden ist...
(Das ist wohl mehr oder weniger, was die Berliner mit "étepetéte" bezeichnen (Anführungsstrichte auf den Es habe ich nur gesetzt, damit man weiß, wo sie beim Sprechen betont werden, falls der Begriff nicht bekannt ist.))
Just my 2 cents... (Wie es so heißt.)
Mit eigenen Augen habe solche Fatzkes herumeiern sehen - völlig ohne jeden Anstand und gute Sitten. Einem habe ich empfohlen lieber woanders essen zu gehen, weil er gleich beim Eintreten / vorbeigehen an der Theke schon zwei Leute angerempelt hat und dann auch noch frech wurde.
So habe ich es nie gemacht. Und als Camper von Platz zu Platz habe ich sehr verschiedene Erfahrungen gesammelt. Das hing eher von den Personen als von der Herkunft ab. Wer früher 'linientreu' gewesen ist hatte eben seine Probleme mit dem völligen Neuentwurf seines Lebens - aber das den durchreisenden Wessi anzulasten war nicht produktiv, denn die konnten und wollten nichts daran ändern.
Unter “étepetéte” verstehe ich: "überempfindlich sein auf eine manierierten Art"
Leute mit schlechten Manieren gibt's "hier oben" auch... Oder besser ausgedrückt: Zurück bleiben halt die, die zu arm oder zu ambitionslos sind, um in den Westen zu rennen.
Campingplätze sind doch genrell in sich selbst kleine eingeschworene Gemeinden, nicht? Jedenfalls würde es mich nicht wundern, wenn dem so wäre.
Da braucht man bei keiner Ansammlung von Dauercampern versuchen, etwas neues einzuführen, ob hüben wie drüben, das werden die generell erst mal mit Argusaugen betrachten, wenn nicht ablehnen...
"Etepetete" meint in etwa einen Strauß an Bedeutungen, der in die Richtung "zimperlich, pingelich, etwas ziemlich päpstlich nehmen" geht. Man kann auch sagen "künstlich vornehm" (also jemand benimmt sich äußerst vornehm, aber es dient weniger der "Klasse", sondern um sich künstlich abzuheben, sich als etwas besseres als andere aufzuführen).
Die Camper sind im allgemeinen ein hilfreiches Völkchen, aber manche brauche erst einmal den 'Beweis', dass man sich an Regeln hält und ein verträglicher Zeitgenosse ist.
“Etepetete” - ja, die letztgenannte Bedeutung (sich abheben zu wollen ohne dem tatsächlich von den Umständen her gewachsen zu sein, also 'gekünstelt') ist die, die ich dazu passend sehe.
Den letzten Satz kann ich bis auf "als Attitüde" (zu ersetzen durch "aus Überzeugung") unterschreiben.
Hoffentlich erschreckt Sie diese überspitzte Formulierung nicht .... *g*