Unwissenheit (I)

.
Jede for­ma­le Bil­dung hat ihre Gren­zen. Unser Schul­sy­stem ist zwar immer noch eines der besten der Welt, aber die Inhal­te wur­den in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten immer mehr ver­wäs­sert. Ins­be­son­de­re die Naturwissenschaften.

Ein - wesent­li­cher - Grund dafür ist offen­sicht­lich aber doch weit­ge­hend unbe­kannt oder verschwiegen:
Sich natur­wis­sen­schaft­li­che Kennt­nis­se anzu­eig­nen erfor­dert mehr als blo­ßes Aus­wen­dig­ler­nen - bei den Natur­wis­sen­schaf­ten kommt es dar­auf an Erkennt­nis­se zu über­tra­gen und das geht nur, wenn man in der Lage ist kom­ple­xe Zusam­men­hän­ge zu erfas­sen und deren Wir­kung auf­ein­an­der zu ver­ste­hen.

Der so gewon­ne­ne Erkennt­nis­schub läßt sich aber schwer mes­sen - und gera­de des­we­gen ist es viel ein­fa­cher aus­wen­dig gelern­te Fak­ten abzufragen:
In einer Zeit wo "PISA"-Tests die Qua­li­tät von Bil­dung 'mes­sen' gewinnt das Land, des­sen Schü­ler mög­lichst gut aus­wen­dig ler­nen. Nicht das Land, in dem die Schü­ler gelernt haben Zusam­men­hän­ge zu ver­ste­hen und sie auf unbe­kann­te Pro­ble­me zu übertragen.

Kein Wun­der also, wenn der Schwer­punkt sich von "Erkennt­nis­ge­winn" zu "Aus­wen­dig­ler­nen" ver­la­gert hat.

Eine wei­te­re Ent­wick­lung för­dert die­se Ten­denz zusätzlich:
Es wer­den von den Unter­neh­men 'Spe­zia­li­sten' gesucht, sol­che Men­schen, die in einem klei­nen Bereich ver­tief­te bis sehr tie­fe Kent­nis­se haben. So etwas geht nur, wenn man sich auf ein sehr enges Wis­sens­feld kon­zen­triert - was zur Ver­nach­läs­si­gung des Über­blicks in dem jewei­li­gen Fach­ge­biet füh­ren muß.

Im näch­sten Teil (2) zum The­ma "Unwis­sen­heit" wer­de ich ein paar Bei­spie­le für die Not­wen­dig­keit von Grund­kennt­nis­sen in den ver­schie­de­nen Natur­wis­sen­schaf­ten und ihren Rand­ge­bie­ten geben - auch für sol­che Beru­fe und Auf­ga­ben­stel­lun­gen, die zunächst nicht direkt mit sol­chen Kennt­nis­sen ver­knüpft werden.

 ∙ ▪  ▪ ∙ 

⇨ wei­te­re Tei­le zu die­sem The­ma folgen ....

Kommentare

  1. "... aber die Inhal­te wur­den in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten immer mehr ver­wäs­sert. Ins­be­son­dere die Naturwissenschaften."

    Die Inhal­te wur­den ver­wäs­sert? Wie mei­nen Sie das?

  2. "ver­wäs­sert" bedeutet:

    → bis etwa 1990 wur­den je vier Unter­richts­stun­den für
    → Biologie,
    → Chemie,
    → Phy­sik pro Woche gege­ben, für
    → Mathe­ma­tik fünf Stun­den pro Woche.
    Mathe lief durch bis zum Abitur, dazu eine Naturwissenschaft.

    → Spä­ter - in den Bun­des­län­dern zeit­lich ver­schie­den - wur­den die Stun­den auf vier ins­ge­samt für Bio­lo­gie, Che­mie, Phy­sik pro Woche geschrumpft, Mathe auf vier Stun­den pro Woche.
    Die Stun­den bezie­hen sich auf die Mit­tel­stu­fe, d.h. ein Jahr Bio­lo­gie, näch­stes Jahr Che­mie, drit­tes Jahr Phy­sik - also eine Redu­zie­rung um ⅔ der vor­he­ri­gen Stun­den. Ober­stu­fe: Je nach Wahl - aber immer min­de­stens eine Natur­wis­sen­schaft bis Klas­se 11, dazu Mathe bis Klas­se 12 bzw. 13 (nach Bundesland).

    → Mit Ein­füh­rung des Lei­stungs­kurs-Systems wur­de es sogar mög­lich das Abitur ohne jede Natur­wis­sen­schaft (und in eini­gen Bun­des­län­dern ohne Mathe­ma­tik) im Stun­den­plan zu machen.

  3. Ich sehe das schon auf die ande­ren Fächer übergreifen:
    ... in Deutsch herrscht Sprach­lo­sig­keit ... in Geschich­te reicht Betrof­fen­heit ... in den Fremd­spra­chen machen alle einen Crash­kurs ... Sport wird durch Diät­pil­len ersetzt ... und die Leh­rer ler­nen schießen ---

  4. Das hat schon auf die ande­ren Fächer übergegriffen ...!

    Min­de­stens behaup­ten das die Per­so­nal­leu­te ein­ger Fir­men die ich als Semi­nar­teil­neh­mer hatte:
    Anstatt "Wis­sen" wird ihnen "Mei­nung" prä­sen­tiert - wobei die jun­gen Leu­te den Unter­schied nicht mehr ver­ste­hen. Eine Fol­ge der Dis­kus­si­ons­kul­tur in den gei­stes­wis­sen­schaft­li­chen Fächern wo es nicht auf Wis­sen ankommt son­dern dar­auf "in" zu sein und damit Gewicht zu haben ....

  5. Und auf wel­cher Grund­la­ge dis­ku­tiert man, wenn man nichts weiß?

    Aber ich ver­ste­he schon, was Sie mei­nen. Die puber­tä­re Mei­nungs­viel­falt, die sich (allen­falls) mit Zita­ten schmückt, scheint in der Schu­le tat­säch­lich gepflegt zu wer­den. Nun ja, den Schü­lern kann man es eigent­lich nicht vorwerfen.

  6. Das tue ich auch nicht - Schü­ler sind nicht das Pro­blem, son­dern die Kul­tus­bü­ro­kra­tien, in denen die Kar­rie­re-Päd­ago­gen sit­zen und stän­dig system­kon­for­me [also das neo-libe­ra­le Wirt­schafts­ge­fü­ge stüt­zen­de & bedie­nen­de] Refor­men aushecken.

    Wenn deren Arbeit sinn­voll wäre müß­ten wir eine viel bes­se­re För­de­rung der Schü­ler im Lau­fe der Jahr­zehn­te erken­nen können.
    Was wir aber sehen ist eine Redu­zie­rung der Fach­stun­den­zah­len und eine Mini­mie­rung des Abitur­wis­sens - die Lei­stung eines Abitu­ri­en­ten von heu­te ent­spricht (Lei­stungs­kurs­fä­cher aus­ge­nom­men!) etwa dem, was vor 50 Jah­ren der 'Mitt­le­ren Rei­fe' ent­sprach - und das setzt sich nach unten fort ....

    Als Ergeb­nis haben wir eine Aka­de­mi­ker­schwem­me bekom­men - weil frü­he­re FH-Stu­di­en jetzt wei­ter nivel­liert durch Bache­lor/­Ma­sters-Abschlüs­se eine Qua­li­fi­ka­ti­on* vor­täu­schen, die nicht vor­han­den ist.

    In Fol­ge des­sen sind die "ech­ten" Aka­de­mi­ker unter Druck gera­ten und man zahlt den nach unten abge­stuf­ten Absol­ven­ten das, was man vor drei­ssig Jah­ren nicht ein­mal einem Fach­ar­bei­ter ange­bo­ten hätte.

    Das geht so weit, dass sich jun­ge Leu­te mit guten Lei­stun­gen zuneh­mend fra­gen ob es sich über­haupt noch lohnt Zeit & Geld ein­zu­set­zen um zu studieren ....

    *
    Ein beson­ders schö­nes Bei­spiel ist da die "Fach­aka­de­mie für Sozi­al­päd­ago­gik" - eigent­lich war das schon immer eine "Berufs­schu­le für Kin­der­gärt­ne­rin­nen" (in Form von Block­un­ter­richt, unter­bro­chen durch Prak­ti­ka) - aus der wur­de dann eine "Fach­hoch­schu­le für Sozi­al­päd­ago­gik" und jetzt ist es der Uni­ver­si­täts-Stu­di­en­gang (!) "Sozi­al­päd­ago­gik" .... eine Auf­wer­tung um zwei Stu­fen bei gleich­zei­ti­ger Redu­zie­rung (!) der rea­len Bezü­ge .... was für eine Farce.
    Aber die Teil­neh­me­rin­nen sind "Stu­den­tin­nen".
    Wel­cher Aufstieg.

Schreibe einen Kommentar zu iGing Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert