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oder:
"Lichttherapie"
Als ich ein kleiner Bub war lebte ich in HANAU am Main, der "Stadt des edlen Schmuckes". Diese Stadt ist auch Sitz der Firma Heraeus, die ein Gerät mit dem Namen Künstlichen Höhensonne – Original Hanau [vereinfacht: "Original Hanau Höhensonne"] produziert hat.
Wir wurden als Schulklasse [der Brüder-Grimm-Schule, einer der damaligen Grundschulen vor Ort 1951⁄52 und in den Folgejahren] klassenweise durch einen "Tunnel" aus Höhensonnen geschickt. Dieser Tunnel war ca. 30 m lang, die Höhensonnen waren nebeneinander an Decke und Wänden lückenlos angebracht. In der Mitte des Tunnels verlief ein Steg mit seitlichen Handläufen, so gebaut, dass es nicht möglich war die Höhensonnen beim Durchlaufen zu erreichen oder anzufassen.
Bis auf die Unterhose entkleidet mußten wir, geschützt nur von einer speziellen UV-Brille, langsam hintereinander durch diesen Höhensonnentunnel laufen, nach ein paar Schritten anhalten, uns um uns selbst drehen und dann wieder weitergehen.
Diese als "Höhensonnenkur" bezeichnete Prozedur wiederholte sich einmal wöchentlich während des gesamten Schuljahres.
In dem Tunnel war es heiß - stickig bis zur Atembeklemmung durch das wegen der UV-Strahlung entstehende, gesundheitsschädliche & übelriechende Ozon - und es roch zudem schrecklich nach Schweiß. Wer sich in der Anatomie & Physiologie ein wenig auskennt weiß, dass vor allem Kinder im Grundschulalter wenig schwitzen, und es außerordentlicher Bedingungen bedarf damit es doch passiert.
Mittlerweile ist bekannt, dass die dort entstehende 'harte' UV-Strahlung mit Blau- und Ultraviolettanteil in frühem Lebensalter zur Auslösung von Hautkrebs [ganz unten] beiträgt bzw. diesen zeitversetzt in höherem Lebensalter auslösen kann.
Wir waren also die "Versuchskaninchen" für die Firmeninteressen des Unternehmens - das unter Mitwirkung der Schulbehörden an der Optimierung seiner Produkte arbeitete.
Natürlich wurden, wie immer in solchen Fällen, Vorteile für die Gesundheit der so 'behandelten' Schüler in den Vordergrund gestellt:
Die in der Aufzählung genannten Krankheiten bzw. Befindlichkeitsstörungen sind durch eine sogenannte "Lichttherapie" natürlich nicht zu behandeln, schon erst recht nicht durch eine 'harte' UV-Strahlung, wie sie in den ersten Jahren nach dem Krieg bis in die späten sechziger Jahre praktiziert wurde, da die Geräte noch nicht über entsprechende Schutzeinrichtungen verfügten.
Vor dem Hintergrund dieses Rückblicks - bedauerlicherweise liegen keine Zahlen zu Erkrankungshäufigkeit an Hautkrebs unter den 'behandelten' Schülern vor, bzw. sind nicht veröffentlicht - ist es erschreckend wie kritiklos im Fernsehen neuerliche Versuche eine "Lichttherapie" zu etablieren ** dargestellt werden [Lokalzeit Münsterland vom 12.01.2015; mit u.a. Sabine Ridder-Schaphorn, Psychiaterin].
" .. Wissenschaftlich ist es unklar - wer heilt hat Recht .. " sagt im Video ein Arzt [Dr. Michael Feld u.a.] - eine immer wieder von der sogenannten "Erfahrungsmedizin" herangezogene Phrase, die längst widerlegt ist.
Die Aussagen der Patienten und die der Therapeutin werden [in dem erstverlinkten Video] unwidersprochen in den Raum gestellt. Weil die Grundregeln des "sorgfältigen Journalismus" nicht beachtet werden, nach denen eine solche Aussage verifiziert werden muß und weitere Quellen herangezogen werden sollen, entsteht der Eindruck, dass es ein wahres Glück für die Patienten ist sich dieser "Behandlung" zu unterziehen.
Mein Urteil:
Schlechter Journalismus,
schlechte Aussichten für die Patienten,
dilettantische Provinzquacksalberei.
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[Familie Maulwurf (pixi Nr. 289) Taschenbuch – 1979 von Otto Frello (Autor)]
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Die sogenannte "Behandlung" mit einer "Höhensonne" ist nicht identisch mit den in den Videos gezeigten Lichtquellen. Deren Strahlungsintensität ist sehr viel schwächer als die einer Höhensonne.
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