.
Tagtäglich sehen wir um uns herum Anzeichen von Verfall der Moral, der Grundsätze wirtschaftlichen Handelns, des Mitgefühls und der gerechten Behandlung von Arbeitenden. Wir hören von ertrinkenden Flüchtlingen, zusammenbrechenden Fabriken in armen Produktionsländern. Über die Entlassung von Mitarbeitern großer Kaufhäuser oder Kettenbetrieben wird ebenso berichtet - obwohl die Beschäftigten Kompromissen zugestimmt hatten und ihnen dafür Sicherheit versprochen worden war. Wer noch Arbeit hat schaut auf die herab die keine haben - und wir lernen aus den Medien, dass die Arbeitslosen Schmarotzer sind, auf unsere Kosten, die wahrscheinlich doch irgendwie mitschuldig für ihre Lage sind.
Der naïve Glaube mit technischem Fortschritt gehe stets auch moralischer Fortschritt einher ist ungebrochen:
Dabei werden die Zeichen aus der Gesellschaft schlichtweg übersehen, geleugnet oder wegdiskutiert.
Wir wissen davon und glauben, es werde an uns vorübergehen.
Wir unternehmen nichts, weil es uns nicht unmittelbar betrifft.
Wir sehen die Folgen und hoffen es gehe vorüber ohne uns zu beeinträchtigen.
Unsere Fähigkeit die Realität zu beurteilen ist gestört, es werden von "offizieller Seite", den Medien und den Politikern, aber vor allem von großen Konzernen, mehr Maßnahmen unternommen uns einzulullen als solche uns aufzuklären. Der Fortschrittsglaube wird verstärkt, Skeptiker werden als "rückwärtsgewandt" verteufelt.
Dabei zeigt doch die Geschichte unumstößlich das Gegenteil von dem was man uns glauben machen will. Die Menschheit wird von Macht zusammengehalten, diese Macht wird in Kaskaden heruntergebrochen:
Von politischer und wirtschaftlicher Macht an der Spitze, über mehrere Stufen, bis hin zum Kleingärtner- und Schützenverein, deren "Vorsitzende" Gewicht haben - weil es ihnen von den Mitgliedern zugebilligt wird.
Gier, Gewalt, Ausschweifung, sportliche Großereignisse und Verdummung, Trickserei und Betrug - das sind die Bausteine des Machterhalts mit dem Gesellschaft gekittet wird. Das treibt uns dem Verfall entgegen.
Aber zum Glück kann ich mich zurücklehnen und mein Leben genießen ohne mich um derlei Probleme zu kümmern.
Ich bin Rentner.
Mich geht das Alles nichts mehr an.
"Ich bin Rentner. Mich geht das Alles nichts mehr an."
Das klingt furchtbar egoistisch. Und nachvollziehbar. Ich, mit dem Alter irgendwo in der Mitte der heute durchschnittlichen Lebensspanne angekommen (also für Dich noch ein Jungspund ;o) ), denke oft, dass ich froh sein kann, es bis hierher einigermaßen unversehrt geschafft zu haben. Hätte ich vorher gewusst wie sich die Menschheit entwickelt, hätte ich keinen Pfennig auf mich gewettet.
Was mich wundert ist, dass so viele Leute genau wie Du und ich wissen, was war, was ist und was sein wird. Und dennoch passiert nichts. Ja es gärt im Volk, aber die Stimmungen kippen nicht. Das könnte auch mit daran liegen, dass die meisten Menschen in unserem System bis zur Leistungsgrenze und darüber hinaus beschäftigt sind. Auf fast allen gesellschaftlichen Ebenen, die paar wenigen Profiteure des real existierenden Kapitalismus ausgenommen, kämpfen die Menschen um den Status quo, mehr und mehr aber auch nur noch um das nackte Überleben. Auch bei uns.
Und irgendwann werden die Menschen dieser Erde ein Volk sein, ohne Waffen und Krieg, aber mit der Gewissheit, dass es dem Einzelnen nur dann gut gehen kann, wenn es allen Anderen auch gut geht...
Hallo Olaf,
ja, du kannst froh sein es schon mal bis zu deinem Alter 'geschafft' zu haben - das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich habe viele achtenswerte und auf den ersten Blick gesunde Menschen in meiner Umgebung gehen sehen, manche unter nicht immer erfreulichen Umständen.
Deswegen bin ich glücklich über jeden Tag ohne größere Beschwerden und nehme die - altesbedingten - kleinen Zipperlein gern hin, es könnte schlimmer sein.
Deine Verwunderung über die Untätigkeit teile ich - deswegen versuche ich ja mit meinen Möglichkeiten ab und an auf Unzulänglichkeiten und Ärgernisse hinzuweisen. Das Handeln kann ich nur denen überlassen, die noch etwas bewirken können:
Sicher bemühe ich mich an Umweltschonung zu denken wenn ich esse, reise, mich bekleide. So etwa nach dem Motto: "Weniger kann oft mehr sein!"
Seit ich nicht mehr arbeite brauche ich viele der Acessoires nicht mehr die "man" zuvor für unentbehrlich hielt - und im Rückblick denke ich, dass selbst die, die noch arbeiten manches davon ebensowenig brauchten ....
in der Überschrift hatte ich "!?" gesetzt - damit wollte ich sagen:
Ja, Leute, ich erkenne, dass ich selbst nicht mehr viel beitragen kann, es mir aber nicht völlig gleichgültig ist. Selbst wenn es beim ersten Lesen anders klingt. Schließlich denke ich an die nächste Generation, an unsere Kinder und deren Wohlergehen liegt mir am Herzen.
So erkenne ich die Schwierigkeit neben der Arbeit - die an den Menschen zehrt - Engagement zu zeigen. Oft sind es nur kleine Schritte die große Wirkung hervorrufen. Nur ein Beispiel:
Nicht einfach so glauben was die Werbesprüche versprechen sondern erst informieren bevor man konsumiert - und immer einen Tag warten bis man sich dann entschließt. Es ist erstaunlich wie wenig übrig bleibt.
>Und irgendwann werden die Menschen dieser Erde ein Volk sein, ohne Waffen und Krieg, aber mit der Gewissheit, dass es dem Einzelnen nur dann gut gehen kann, wenn es allen Anderen auch gut geht...<
Ja, das wäre schön! Ich fürchte allerdings, dass das Utopie ist und bleibt. Das hat früher nicht funktioniert, es funktioniert heute nicht und WARUM sollte es in Zukunft funktionieren?
Ein zentraler Heilungsleitsatz in der Psychotherapie heißt:
"Es darf MIR auch gut gehen, wenn es DIR schlecht geht."
Soll heißen, ich muss mich nicht schlecht fühlen, weil ich nichts dafür tun kann, dass es dir besser geht. Und ICH kann DICH nicht retten.
Auch das ist (gesunder?) Egoismus. Was destruktiv wirkt, ist jedoch der Egoismus, der heute in immer stärkerem Maße um sich greift, aus den unterschiedlichsten Gründen. ICH glaube nicht daran, dass das Steuer noch einmal herumgerissen werden kann und - ich sagte es an anderer Stelle schon einmal - ich bin froh, dass ich schon so alt bin!
Hallo Ingrid,
" .. Das hat früher nicht funktioniert, es funktioniert heute nicht und WARUM sollte es in Zukunft funktionieren? .. " - genau, und es wird auch nicht so funktionieren.
Danke für den "Heilungssatz" - da ich noch nie in einer Therapie war & auch mit niemandem gesprochen habe der mir den bisher gesagt hätte war mir der völlig neu. Wieder 'was dazu gelernt.
An mehreren Stellen hatte ich schon versucht mich dem Grund für den Egoismus & die ausgefahrenen Ellenbogen zu nähern. Die wahrscheinlichste Erklärung scheint mir zu sein:
Gestreßte Eltern aus den Wachstumsjahren ('70er & '80er), komplettiert durch die "Selbstverwirklicher", haben den Kindern eine unruhige Kindheit mit der gesamten Bandbreite zwischen totaler Beziehungslosigkeit oder alternativ klammernder Affenliebe der 'grünen Witwen' als Supermütter bereitet, und dieses Hin-und-Her veträgt keine Kinderseele unbeschadet .... die Angst "abzustürzen", d.h. keinen Job (!) mehr zu haben fördert ebensowenig eine solidarische Verhaltensweise.