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Diese Frage wurde gestern in der "Aktuellen Stunde" des WDR in der Anmoderation zu einem Unfall mit vier Verletzten gestellt. Die Fahrerin des verursachenden Fahrzeugs ist 89 Jahre alt.
Der Polizeisprecher bemerkte dazu folgendes:
"Es gibt keine Hinweise, dass das Alter der Fahrerin ursächlich für den Unfall war. Sie hat einen ganz normalen, verkehrstüchtigen Eindruck hinterlassen."
Da frage ich mich, warum diese Nachricht mit dem Schwerpunkt "Alter" anmoderiert wurde. Ich kenne mehr junge Fahrer die unsicher sind als ältere die 'tüdelig' sind. Daher ist es für mich eine besondere Art der Diskriminierung durch solche Bemerkungen wie oben dargestellt. Es wird nicht ausdrücklich eine Gefahr bejaht, sie wird in perfider, versteckter Form unterstellt.
Was tatsächlich eine Gefahr darstellt kommt in dem Video schon heraus:
Eine zu kurze Ampelphase, die verhindert, dass ältere Menschen, die nicht so schnell laufen können, Mütter mit Kinderwagen, und zusätzlichen Kleinkindern, oder Schulkinder, den Überweg in gesamter Länge zurücklegen.
Anstatt sich mit den Verkehrsplanern auseinanderzusetzen und sie zur Situation zu befragen ist es natürlich einfacher die Alten zu diskriminieren.
1.
"Alte haben gewöhnlich vergessen, dass sie jung gewesen sind, oder sie vergessen, dass sie alt sind, und Junge begreifen nie, dass sie alt werden können." - Kurt Tucholsky, Der Mensch, aus Die Weltbühne, 1931
2.
Wenn man mit Oma Erna als Verantwortliche für die katastrophalen Zustände auf den Straßen Deutschlands Quote machen kann - weshalb sollte man sich dann mit zu kurzen Ampelphasen beschäftigen und die Verkehrsplaner beim Büroschlaf stören?
3.
Die vielen Gehandicapten mit ihren Rollstühlen und Gehhilfen können dem Klagelied noch ein paar Strophen hinzufügen. Z. B. über zu hohe Bordkanten, rücksichtslose Autofahrer und jede Menge Berührungsängste.
Danke, Olaf,
das erweitert das Spektrum der Gedanken erheblich.
zu 1.
" .. oder sie vergessen, dass sie alt sind .. " - und dann werden sie ganz schnell von ihren 'Zipperlein' wieder daran erinnert!
zu 2.
"Der Weg des geringsten Widerstandes" wird häufig gewählt, manchmal ganz bewußt um vermeintliche "Autoritäten" nicht zu verprellen.
zu 3.
Da gab es kürzlich einen Bericht über einen Rollstuhlfahrer aus dem Ruhrgebiet der die Bahn nicht mehr nutzen konnte weil die Fahrstühle zu den Bahnsteigen an mehreren aufeinanderfolgenden Bahnhöfen defekt waren - die Empfehlung der Bahn:
Immer vor der Fahrt anrufen WO der Fahrstuhl noch geht.
»Der Deutsche fährt nicht wie andere Menschen. Er fährt, um recht zu haben. Rücksicht nehmen? um die entscheidende Spur nachgeben? auflockern? nett sein, weil das praktischer ist?... nichts davon. Mit einer Sturheit, die geradezu von einem Kasernenhof importiert erscheint, fährt Wagen gegen Wagen, weil er das "Vorfahrtrecht" hat – sie haben ja alle so recht! Denn Ordnung muss sein, und anders können sie sich Ordnung nicht vorstellen – wo ich fahre, da fahre ich! – ums Verrecken bremst er nicht.
Es ist keine Ordnung. Es ist organisierte Rüpelei.«
– schrieb ebenfalls Kurt Tucholsky im Jahre 1929, und daran hat sich seither nichts geändert. Das Alter der Autofahrer spielt dabei überhaupt keine Rolle.
Die Altersgruppe der über 75-Jährigen ist der Prozentanteil an der fahrfähigen Bevölkerung in Deutschland mit der statistisch NIEDRIGSTEN Unfallhäufigkeit, siehe Grafik:
http://data.motor-talk.de/data/galleries/0/6/7618/46677610/unfallhaeufigkeit-2149952464997776095.jpg
Das hätten auch die "Aktuelle Stunde"-Schlaumeister in 5 Sekunden googeln unschwer herausfinden können, bevor sie ihre bedeutungsschwangere Frage in den Raum stellen.
Danke, Herr nömix,
für diese Grafik, die mit dem im WDR geäußerten Bedenken aufräumen dürfte.
Was die Einschätzung der Autofahrer in dem ziterten Text angeht meine ich - mit etwas Abstand, da ich ja einen großen Teil des Jahres nicht in "D" zubringe - eine Veränderung zu erkennen:
Insgesamt hat sich der Verkehr in "D" verlangsamt, wo früher viele sehr schnell unterwegs waren ist es jetzt eher die Ausnahme.
Ich behaupte da:
Es sind im wesentlichen die Firmenwagen-Fahrer. Dies wegen der Kostenübernahme durch die Arbeitgeber. Da kommt es auf ein paar Liter mehr oder weniger nicht an .... muß das 'aus eigener Tasche' bezahlt werden, dann regt es das Gehirn via Geldbörsenschwund an - und die Fahrweise wird vernünftiger.
Aus der Grafik geht zwar nicht hervor, ob es sich um Autofahrer handelt, aber da sie vom ADAC stammt, nehme ich es mal an. Ich finde sie allerdings insofern nicht sehr aussagekräftig, weil daraus nicht hervorgeht, wie häufig in der betreffenden Altersgruppe überhaupt Auto gefahren wird. Von mir selbst auf andere schließend, unterstelle ich einfach mal, dass mit zunehmendem Alter auch weniger Auto gefahren wird. Dementsprechend können auch die Unfallzahlen geringer sein, oder? Das würde aber nicht heißen, dass nicht alte/ältere Leute doch eine gewisse Tendenz haben können, in einen Unfall verwickelt zu werden oder diesen gar zu verursachen. Andererseits fahren sie vermutlich langsamer und vorsichtiger als die Jungspunde, was ja auch Unfälle vermeiden hilft.
Ich fände es besser, wenn auf die Gefahren des Autofahrens insbesondere beim Älterwerden hingewiesen würde, statt eine Grafik als Totschlagargument zu benutzen. Das ist auch nicht viel besser, als was die Moderatorin gemacht hat, nur halt mit einer anderen Zielrichtung.
Es ist doch das Wesen der Berichterstattung die Tatsachen zu benennen und die Folgerungen den Lesenden zu überlassen. Ich habe die Darstellung lediglich so übernommen wie sie der ADAC bereitstellt. Auch die von Herrn nömix beigesteuerte Abbildung stammt ja von dort.
Von einem Automobilclub erwartet man eine Sichtweise, die Autofahrer ansprechen soll - daher sicher nicht völlig neutral.
In Sachen Altersbeteiligung ist es aber wahrscheinlich nicht geschönt, denn wen sollte man dadurch bevorzugen?
Bestimmt gibt es auch regionale und landsmannschaftlich verschiedene Notwendigkeiten für Fahrten mit dem eigenen PKW.
Wie auch immer.
Mir kam es darauf an darzustellen:
Es ist ein Mangel der Verkehrsführung, bzw. der Ampelphase und da wäre es angebracht gewesen dort mindestens nachzufragen anstatt einseitig die Senioren an den Pranger zu stellen.
PS
Ich bin z.B. ein "Vielfahrer" in diesem Jahr waren es bisher knapp 19.000 Km, von uns bis Spanien sind es ca. 2.100 Km. Es kommen bis Jahresende nochmal mindestens 3.000 Km dazu.