"Für meine Söhne .... "

"Für mei­ne Söh­ne .... " schrieb Theo­dor Storm als Über­schrift. Ich möch­te das zu "Für mei­ne Toch­ter und mei­nen Sohn" umbe­nen­nen - natür­lich dür­fen auch ande­re Leser sich die­se Weis­heit in Gedicht­form zu Her­zen neh­men .... zugleich ist ein Vers aus die­sem Gedicht ein 'Leit­spruch' für mich gewor­den, des­halb steht er seit Jah­ren hier im Blog in der Seitenleiste.

 

Heh­le nim­mer mit der Wahrheit!
Bringt sie Leid, nicht bringt sie Reue;
Doch, weil Wahr­heit eine Perle,
Wirf sie auch nicht vor die Säue.

Blü­te edel­sten Gemütes
Ist die Rück­sicht; doch zuzeiten
Sind erfri­schend wie Gewitter
Gold­ne Rück­sichts­lo­sig­kei­ten.

Wack­rer hei­mat­li­cher Grobheit
Set­ze dei­ne Stirn entgegen;
Arti­gen Leutseligkeiten
Gehe schwei­gend aus den Wegen.

Wo zum Weib du nicht die Tochter
Wagen wür­dest zu begehren,
Hal­te dich zu wert, um gastlich
In dem Hau­se zu verkehren.

Was du immer kannst, zu werden,
Arbeit scheue nicht und Wachen;
Aber hüte dei­ne Seele
Vor dem Kar­rie­re­ma­chen.

Wenn der Pöbel aller Sorte
Tan­zet um die gold­nen Kälber,
Hal­te fest: du hast vom Leben
Doch am Ende nur dich selber ....

 
[Falls sich jemand fra­gen soll­te, was hier eigent­lich gemeint ist, so kann ich mit einer kur­zen Zusam­men­fa­sung dienen:
Storm spricht von Wer­ten (= "Wert­vor­stel­lun­gen"; "uni­ver­sel­le Wer­te") - meist sol­chen, die in unse­rer heu­ti­gen Zeit in Ver­ges­sen­heit gera­ten sind!]

[Eine von meh­re­ren Quel­len des Gedichtes]

Erst­ver­öf­fent­li­chung: 25. Jun 2006 um 21:26

Theo­dor Storm
Theo­dor Storm in 'Gedich­te - nur die Besten

 

Kommentare

  1. Mein Lieb­lings­dich­ter in Ihrem Blog, wie schön! Theo­dor Storm in mei­nen Jugend­jah­ren zu ent­decken, war für mich ein wah­res Geschenk.
    Heu­te hebe ich übri­gens nur noch Bücher auf, die zu lesen ich mei­nen Kin­dern drin­gend ans Herz legen möch­te. Theo­dor Storm gehört dazu (was prak­tisch ist, da alles in einen Band passt). Alles ande­re kommt in ein Bücher­re­gal irgend­wo am Weg.

    Als ich das Gedicht vor lan­gen Jah­ren zum ersten Mal las, hat­te ich aller­dings ein Ver­ständ­nis­pro­blem schon beim ersten Satz "Heh­le nim­mer mit ..." und habe mein Leben lang gebraucht, ihn zu verstehen.
    Die wun­der­bar­sten Erkennt­nis­se kön­nen lei­der durch eine ver­al­ten­de Spra­che ver­lo­ren gehen oder geschwächt werden.
    Die­sem Unver­ständ­nis ent­spre­chend, hat­te ich die zwei­te Zei­le lan­ge im Kopf als "Bringt sie Leid nicht, bringt sie Reue", was wohl unge­fähr das Gegen­teil von dem bedeu­ten dürf­te, was wirk­lich gesagt wird.
    [Womit mal wie­der die Rele­vanz einer rich­ti­gen Kom­ma­set­zung demon­striert wäre. Die­sen klei­nen Sei­ten­hieb auf Ihre andern­orts übli­che Kom­mai­gno­ranz konn­te ich mir nicht verkneifen ;-)]

    1. Es freut mich, wenn ich es geschafft habe durch die Aus­wahl ihren Geschmack zu tref­fen - obwohl mein erstes Anlie­gen hier war das Gedicht bekann­ter zu machen und gleich­zei­tig zu erklä­ren, woher das Zitat in der Sei­ten­lei­ste stammt.

      Was Bücher angeht habe ich lan­ge gezö­gert irgend­ei­nes weg zu wer­fen - aller­dings ver­al­ten bestimm­te Bücher doch:
      Mei­ne gesam­te Fach­li­te­ra­tur aus der Stu­di­en­zeit und in den ersten Jah­ren danach, als ich noch Päd­ago­gik und Medizin/Pharmazie als Gast­hö­rer an das Bio­lo­gie­stu­di­um 'ange­hängt' habe. Sol­che Bücher stel­len den jewei­li­gen Wis­sen­stand der Zeit dar in denen sie ver­öf­fent­licht wur­den. Und der ist zehn Jah­re spä­ter schon nicht mehr aktuell ....
      So sind nur sol­che Bücher übrig geblie­ben die als 'schön­gei­sti­ge Lite­ra­tur' sub­sum­miert wer­den. Da ist der Bestand schon sehr viel über­sicht­li­cher geworden.

    2. Sehen Sie, da merkt man doch gleich wie­der, was die Zei­ten über­lebt! Des­halb hab ich mich gar nicht erst lan­ge mit den Natur­wis­sen­schaf­ten abge­ge­ben, son­dern bin gleich ins rein gei­sti­ge Métier eingestiegen ;.)).
      Aller­dings muss gei­sti­ge Erkenn­tis, wie am obi­gen Bei­spiel ersicht­lich, durch Ver­wen­dung einer zeit­ge­mä­ßen (Bilder-)Sprache immer wie­der in die Gegen­wart über­tra­gen wer­den, um ver­ständ­lich zu blei­ben. Über Jahr­tau­sen­de wird das stets Glei­che in immer neu­en Wor­ten gesagt und sieht immer wie neu aus.
      Das Pro­blem, das Sie mit Ihrer wis­sen­schaft­li­chen Lite­ra­tur hat­ten, hat­te ich mit mei­nen Schul­bü­chern. Zwei­fel­los sind die hoff­nungs­los ver­al­tet, und man­ches regt mich ein­fach nur auf. So wur­de uns im Erd­kun­de­buch von ca. 1965 (Seyd­litz) erzählt, "Ent­wick­lungs­hil­fe" sei dazu da, die afri­ka­ni­schen Län­der inner­halb weni­ger Jahr­zehn­te zu "blü­hen­den Volks­wirt­schaf­ten" zu machen --- was dar­aus gewor­den ist, sehen wir heu­te. Die­sen Schmar­ren habe ich mit Freu­den weg­ge­wor­fen, obwohl man sich da noch fra­gen muss, ob man es nicht als war­nen­den Hin­weis sei­nen Enkel­kin­dern ver­ma­chen sollte.

  2. Gera­de sol­che Bei­spie­le für Illu­sio­nen, die von der Poli­tik auch heu­te noch dar­ge­stellt wer­den, soll­te man doch auf­he­ben um die Ver­lo­gen­heit bzw. Feh­ler­haf­tig­keit der Ana­ly­sen dar­stel­len zu kön­nen. Den­ken wir da nicht sofort an Kohls "blü­hen­de Land­schaf­ten" im Osten?

    Die Schul­bü­cher mei­ner Frau sind weit­ge­hend ent­sorgt - min­de­stens die, in denen es um natur­wis­sen­schaft­li­che The­men ging. Rein päd­ago­gi­sche Wer­ke & Psy­cho­lo­gie haben wir behal­ten, wenn­gleich sich auch da wesent­li­che Ver­schie­bun­gen erge­ben haben. Was 'modern' ist muß ja nicht auto­ma­tisch bes­ser sein, da hilft es Refe­renz zur Ver­gan­gen­heit vor­wei­sen zu können ....

    Es liegt im Wesen der Natur­wis­sen­schaf­ten sich zu wan­deln - weil neue Erkennt­nis­se (mit neu­en Daten & Befun­den & Beob­ach­tun­gen hin­ter­legt) auch zu einer Neu­ord­nung der Kennt­nis­se zwin­gen. Der wesent­li­che Unter­schied zu den Gei­stes­wis­sen­schaf­ten ist die Uner­schüt­ter­lich­keit von Expe­ri­men­ten & deren Repro­du­zier­bar­keit, wohin­ge­gen bei den Gei­stes­wis­sen­schaf­ten die indi­vi­du­el­le Neigung/Abneigung in die Tex­te durchschlägt.

Schreibe einen Kommentar zu iGing Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert