Moderne Hexerei ..?!

Mei­ne Nach­barn spie­len oft stun­den­lang Scrabb­le, das Spiel, bei dem man wahl­los aus einem Beu­tel Holz­plätt­chen mit Buch­sta­ben dar­auf (und einem Zah­len­wert) zieht und sie ver­sucht zu Wor­ten zusam­men zu stellen.
Heu­te ent­spann sich dabei fol­gen­der Dia­log, in brei­tem frän­kisch-nürn­ber­ger Dia­lekt, den ich aus Ver­ständ­lich­keits­grün­den in Hoch­deutsch wiedergebe ....

Sie: Ich habe ein zwei­tes "e", jetzt mache ich dar­aus "lee".
Er: "lee" ist kein Wort.
Sie: Doch, wie "luv" und "lee"!
Er: Na gut, das sind vier Punkte.

Das Spiel geht eine Wei­le wei­ter, er rech­net und ver­rech­net sich, sie pro­te­stiert und er korrigiert.

Sie: Jetzt habe ich noch ein "z" und zwei "a" - was mache ich damit?
Er: "zaa" ist kein Wort!
Sie: Doch wenn ich es an "lee" lege kommt "aza­lee" heraus.
Er mur­melt etwas Unver­ständ­li­ches, dann: Na gut, zwei "a" sind zwei Punk­te und "z" sind zehn, macht zusam­men 12 Punkte.
Sie: Falsch, das sind 12 plus vier Punk­te von "lee".
Er: Aber die vier hast du doch schon.
Sie: Ja, aber im neu­en Wort zäh­len sie noch­mal neu!
Er, (rascheln von Papier) liest: Wenn ein neu­es Wort aus bestehen­den Wor­ten gebil­det wird wer­den alle Buch­sta­ben noch­mals für den Spie­ler gezählt. Also, dann sind es 16 Punkte.
Sie: Weißt du noch unse­re Aza­lee, die hat­te erst so schö­ne Knospen.
Sie: Dann sind die alle auf­ge­gan­gen und haben sooo schön geblüht - und am näch­sten Tag waren sie alle welk und sind danach run­ter gefallen.
Sie: Das geht doch nicht mit rech­ten Din­gen zu.
Sie: So über Nacht.
Sie: Da muß doch wer was gemacht haben.
Sie: So schö­ne Blü­ten - und über Nacht alle welk.

Da kann ich von Glück sagen, dass die Zei­ten der Inqui­si­ti­on und Hexen­ver­fol­gung vor­bei sind.
Sonst wür­de ich bestimmt wegen "Ver­he­xung einer Aza­lee" auf den Schei­ter­hau­fen kommen.
Nach aus­gie­bi­ger Fol­ter, ver­steht sich, so wie es in Nürn­berg Sit­te war.

"300 Jah­re nach der Auf­klä­rung" suchen Men­schen immer noch Erklä­run­gen im Mysti­schen, Über­na­tür­li­chen, Über­sinn­li­chen .... So hieß es noch 1712:

".. Vor Alters waren nur weni­ge Wis­sen­schaff­ten, und die waren auch nicht son­der­lich aus­ge­füh­ret: Es stu­dir­ten auch weni­ge Leu­te, die begnüg­ten sich, wenn sie eine oder die ande­re Disci­plin ex pro­fes­so ver­stun­den; und die übri­gen alle begehr­ten den Gelehr­ten nicht ins Handwerck zu fal­len. […] Aber seit ohn­ge­fehr fünfft­zig Jah­ren, ist erst­lich die Anzahl der Wis­sen­schaf­ten gar sehr ver­meh­ret wor­den, daß man die Pro­fes­sio­nes auf Uni­ver­si­tä­ten zum wenig­sten dupli­ren müste, wenn eine ied­we­de Disci­plin beson­ders sol­te doci­ret werden .."

Dabei gibt es so vie­le natur­wis­sen­schaft­lich begründ­ba­re Mög­lich­kei­ten war­um die­se Aza­lee ihre Blü­ten gewor­fen hat. Bei­spiels­wei­se Was­ser­man­gel oder zu kal­te Nachttemperatur.
Ich zitie­re nach Wikipedia
".. vor den ersten Frö­sten müs­sen die Töp­fe in beheiz­te Gewächs­häu­ser gestellt werden .."
und
".. Wich­tig ist, sie nicht völ­lig aus­trock­nen zu lassen .."
und, was mir noch ein­fa­cher scheint:
".. Die Gar­ten­aza­leen blü­hen von Mai bis Anfang Juni .."

Alle drei Mög­lich­kei­ten völ­lig "nor­ma­le" Begrün­dun­gen für den Unter­gang der Blü­ten­pracht, denn wir schrei­ben ja heu­te den 02. Juli des Jah­res, und da ist "Mai bis Anfang Juni" schon eine Wei­le her.

Wenn man etwas aus die­sem Bericht ler­nen kann, dann ist es die Tat­sa­che, dass mei­ne Nach­ba­rin eine intri­gan­te, unwis­sen­de Per­son ist, die eher das Über­sinn­li­che als eine völ­lig nor­ma­le, ratio­na­le Erklä­rung in Erwä­gung zieht.

So kann ich hier berich­ten, ohne Fol­ter, und ohne auf dem Schei­ter­hau­fen zu landen.

PS
Ich habe die Wet­ter­da­ten für Juni herausgesucht.
Sehen Sie selbst es gab einen nächt­li­chen Käl­te­ein­bruch am 23.06.2018:

wetterkarte

 

Kommentare

  1. Wenn man etwas aus die­sem Bericht ler­nen kann, dann ist es die Tat­sa­che, dass
    - Sie, Herr wvs, kein Scrabb­le spielen;
    - Ihre Nach­ba­rin zwar nicht zu einer natur­wis­sen­schaft­li­che Begrün­dung fähig ist oder zu sein scheint, aber sie hat auch kei­ne mysti­sche Begrün­dung gege­ben und nicht das Über­sinn­li­che her­bei­zi­tiert; sie hat unter­stellt, dass jemand die Blü­ten abge­ris­sen oder sonst­wie mani­pu­liert hat oder haben könnte;
    - Ihnen die Bemer­kung Ihrer Nach­ba­rin es wert war, Beweis­ma­te­ri­al zu sam­meln, um sie ins Unrecht zu set­zen; wegen einer sol­chen Klei­nig­keit, die man genau­so­gut mit einem leich­ten Kopf­schüt­teln hät­te über­ge­hen können.
    Was schlie­ßen wir nun daraus?

  2. Lie­be Frau iGing,

    wir schlie­ßen daraus, 

    - dass ich hier nicht "Beweis­ma­te­ri­al gesam­melt" habe um jeman­den ins Unrecht zu set­zen, son­dern auf nach­voll­zieh­ba­re Ereig­nis­se hin­wei­se die sehr viel wahr­schein­li­cher sind als die rei­nen Ver­mu­tun­gen der Frau Nachbarin;
    - dass die Nach­ba­rin nicht das Nahe­lie­gen­de als Ursa­che für den Unter­gang der Pflan­ze annimmt, son­dern mich dafür ver­ant­wort­lich zu machen sucht.

    Dies ist nicht das erste sol­che Ereig­nis, angeb­lich ist die Mar­ki­se (auf der ande­ren Haus­sei­te ange­bracht) durch Vögel von unse­rem Bal­kon aus ver­schmutzt worden.
    Es ist auch die Nach­ba­rin, die sich beschwert hat, dass vom Fut­ter­haus Spel­ten und Vogel­kot her­un­ter gefal­len sind.

    Sehen Sie nun, wer mit die­sen Klein­lich­kei­ten ange­fan­gen hat?

    Nor­ma­ler­wei­se lie­ße mich das kalt. Aber aus frü­he­rer Erfah­rung weiß ich wo das mit Nach­barn endet. Es gibt Leu­te, die müs­sen mit ihren Nach­barn in Streit leben - weil sie anson­sten nichts mehr zu tun haben ....

    1. Es gibt auch Leu­te, die lan­den immer neben sol­chen Nachbarn.
      Der Gedan­ke dar­an, "wer mit die­sen Klein­lich­kei­ten ange­fan­gen hat", soll­te nie­mals als Begrün­dung für eige­nes Ver­hal­ten her­hal­ten. Es sei denn, es macht einem Spaß, dann kann man es weit trei­ben. Aber das unter­stel­le ich Ihnen nicht.

    2. Was, lie­be Frau iGing, schla­gen Sie denn als Lösung die­ses Kon­flik­tes vor - den, wie ich noch­mals beto­nen möch­te, nicht wir ange­fan­gen haben.
      Und wel­ches Ver­hal­ten wäre denn ihrer Mei­nung nach angemessen?
      Und wie ste­hen Sie zu der tat­säch­li­chen Mög­lich­keit, dass das Alles ohne jeg­li­ches Zutun von irgend jeman­dem geschah?

    3. Gibt es denn bzgl. der Aza­leen einen Konflikt?
      Igno­rie­ren wäre eine Lösung.

      Mit­ein­an­der spre­chen kann auch eine Lösung sein. Man­che Leu­te ver­hal­ten sich nur so, weil sie eigent­lich den Kon­takt vermissen.

      1. - Es gibt kei­nen "Kon­flikt", son­dern ledig­lich eine "Unter­stel­lung" - weil die ein­zi­gen Per­so­nen die an den Gewäch­sen vor­bei gehen wir (mei­ne Frau & ich) sind.
        - Mit­ein­an­der spre­chen ist schon des­we­gen kei­ne Lösung weil wir zwei völ­lig ver­schie­de­ne Spra­chen spre­chen - nicht im Sin­ne von Fremd­spra­che, son­dern im Sin­ne von Sprach­ebe­ne, Sprach­in­halt (Begriffs­ebe­ne), Lebens­in­hal­ten & Lebenszielen.
        - Eine son­der­ba­re Art den Dia­log zu suchen, wenn es denn die Absicht wäre. Was soll­te ich mit Per­so­nen 'spre­chen' deren Lebens­in­halt stun­den­lan­ge Gesell­schafts­pie­le (mit Betrü­ge­rei­en, die zu ewi­ger Strei­te­rei füh­ren) oder ihre Krank­hei­ten sind?

    4. "... weil wir zwei völ­lig ver­schie­dene Spra­chen spre­chen - nicht im Sin­ne von Fremdsprache"

      Davon kann ich ein Lied sin­gen, das geht mir hier mit fast allen Leu­ten so. Aber es sind Men­schen wie ich auch, und als sol­che las­se ich sie gel­ten; zumin­dest ist es ein Grund, ihnen freund­lich geson­nen zu sein, auch mit Distanz. Die­se Leu­te haben meist ihr Leben lang in die­sem Dorf gewohnt, was erwar­te ich von ihnen? Bei allen Unter­schie­den - hal­te ich mir zugu­te, dass ich einer bös­ar­ti­gen Aus­prä­gung der Kom­mu­ni­ka­ti­on von Anfang an ent­ge­gen­ge­ar­bei­tet habe, obwohl es Ansät­ze dazu gab.
      Sie kön­nen sicher sein, dass die­se Frau den Unter­schied genau­so spürt wie Sie. Da ist sie natür­lich hoff­nungs­los unter­le­gen und muss ihr Revier ver­tei­di­gen. Erklä­ren Sie ihr doch ein­fach mal in einem Plausch von Bal­kon zu Bal­kon, was ihren Aza­leen gescha­det hat und wie das aus pflan­zen­kund­li­cher Sicht zu sehen ist. Ohne Beleh­rung, son­dern weil Sie den Abgang der wun­der­schö­nen Blü­ten genau­so bedau­ern wie sie. Zumin­dest soviel Offen­heit soll­te man für sei­ne Nach­barn mit­brin­gen, oder?

      1. So sehr ich ihre Mühe in die­se Ange­le­gen­heit Aus­gleich & Ruhe zu brin­gen schätze:
        Es geht nicht wie in der Grund­schu­le, wo die Leh­re­rin sagt ".. und nun gebt euch die Hän­de und ver­tragt euch ..".
        Es han­delt sich um erwach­se­ne Men­schen, die sich auch 'erwach­sen' ver­hal­ten sollten.

        [OT: Haben Sie mein E-Mail an Sie von gestern gelesen?]

Schreibe einen Kommentar zu wvs Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert