Von "Definitionen" ....

".. Des­halb ist Natur­wis­sen­schaft immer nur der aktu­el­le Stand des Irr­tums, Phi­lo­so­phie eine evi­denz­freie Mei­nungs­äu­ße­rung und Reli­gi­on der fest­be­to­nier­te Stand des Irr­tums .."

[Quel­le]

In end­lo­sen Dis­kus­sio­nen um die Rele­vanz von Defi­ni­tio­nen fal­len mir immer zwei Extre­me auf:
Die ganz ver­zag­te Ein­stel­lung es gäbe kei­ne all­ge­mein gül­ti­ge Defi­ni­ti­on, alles sei schließ­lich indi­vi­du­ell, so wie der Mensch, der sie auf­stellt - und die unver­rück­ba­re Über­zeu­gung es ste­he doch für vie­le Berei­che des Lebens schon eine kla­re Beschrei­bung mit end­gül­tig defi­nier­ten Begrif­fen fest. Was sonst noch vor­kommt fällt zwi­schen die­se Extreme.

Damit könn­te man es gut sein las­sen und sich nicht wei­ter dar­über Gedan­ken machen. Schließ­lich gibt es Wich­ti­ge­res! Ja? Gibt es das? Sind nicht Defi­ni­tio­nen das Gerüst, an dem wir uns, ande­re, das Leben, die Welt und das Uni­ver­sum mes­sen um zu ver­ste­hen? Das kann doch nicht unwich­tig sein.

Ist es bestimmt auch nicht - nur müs­sen Vor­aus­set­zun­gen ein­ge­hal­ten wer­den, damit Defi­ni­tio­nen einen Sinn haben. Es nützt doch nie­man­dem etwas, wenn man zwar den glei­chen Begriff aus­spricht, dar­un­ter aber etwas grund­sätz­lich Ver­schie­de­nes ver­steht. So ist es denn eine gute Grund­la­ge für Dis­kus­sio­nen sich über die Begrif­fe (und deren Defi­ni­ti­on) ein Bild zu machen, einen Kon­sens herzustellen.

Von da an wird es schwierig. 

Die Christ­li­chen - auf deren fest­be­to­nier­te Defi­ni­ti­on der Welt ich hier in die­sem Zusam­men­hang nicht wei­ter ein­ge­hen will - behaup­ten bei­spiels­wei­se die Evo­lu­ti­on sei als "Theo­rie" gekenn­zeich­net. Daher sei ihr Wahr­heits­an­spruch von vorn­her­ein abzu­leh­nen. Da besteht ein grund­sätz­li­cher Gedan­ken­feh­ler, denn "Theo­rie" bedeu­tet natur­wis­sen­schaft­lich etwas ande­res als in gei­stes­wis­sen­schaft­li­cher Deutung.
Natur­wis­sen­schaft­lich ist es eine offe­ne Aus­sa­ge, da sich durch expe­ri­men­tel­le For­schung, Beob­ach­tung und dar­aus her­zu­lei­ten­de Erkennt­nis die Sicht auf einen Zustand, eine frü­he­re Beweis­füh­rung und deren Ergeb­nis durch­aus ändern kön­nen, ohne dass dabei das gesam­te Gedan­ken­ge­bäu­de zusam­men­brä­che. Neh­men wir als Bei­spiel ein Haus, an dem eine Tür ver­brei­tert wird - dadurch ändert sich nichts Wesent­li­ches am Zweck aber bei der Nutz­bar­keit, denn nun pas­sen grö­ße­re Gegen­stän­de hindurch.
Gei­stes­wis­sen­schaft­lich betrach­tet ist eine "Theo­rie" so rele­vant wie die ande­re, es gibt kei­ne Mög­lich­keit die Rich­tig­keit der einen oder die Irrig­keit der ande­ren zu bewei­sen. Um ganz deut­lich zu wer­den: Dafür fällt mir kein pas­sen­des Bei­spiel ein. Mög­li­cher­wei­se liegt das dar­an, dass ich Natur- und kein Gei­stes­wis­sen­schaft­ler bin.

Kön­nen Sie, lie­be Lesen­de, da helfen?

Kommentare

  1. Mei­ne 2 cents: 

    1) Das Zitat irrt in Bezug auf Reli­gi­on. Es soll­te hei­ßen "eines Irr­tums" und nicht "des Irr­tums". Denn Irr­tü­mer gibt es in die­sem Bereich gera­de beson­ders viele.
    2) Das mit der Natur­wis­sen­schaft ist lei­der nur zu wahr. Tat­säch­lich kann das gesam­te Gebäu­de zusam­men­bre­chen. Eines der Bei­spie­le sind die Erkennt­nis­se, die wir über die Funk­ti­on des Gehirns vor 40 Jah­ren zu haben geglaubt haben. Mitt­ler­wei­le sind vie­le Vor­stel­lun­gen wider­legt. Selbst das, was wir heu­te zu wis­sen glau­ben, könn­te kom­plett wider­legt wer­den (in der Zukunft) und voll­kom­men ande­re Ergeb­nis­se liefern.
    Per­sön­lich fällt es mir auch ziem­lich schwer zu glau­ben, dass unse­re heu­ti­ge phy­si­ka­li­sche Vor­stel­lung wirk­lich der Rea­li­tät ent­spricht. Vie­le Phy­si­ker geben auch zu, dass es sich in erster Linie um mathe­ma­ti­sche Model­le han­delt, die gera­de ein­mal den Vor­teil haben, in eini­gen Fäl­len durch Expe­ri­men­te bewie­sen wer­den zu kön­nen. "For the time being". Ich kann auch z.B. "Die Ord­nung der Zeit" von Car­lo Rovel­li als Lek­tü­re emp­feh­len. (Das habe ich kürz­lich mit einem Freund bespro­chen, der gemeint hat, dass der Autor wirk­lich inter­es­sant ist. Der Freund ist Phy­si­ker.) Ich wäre also durch­aus geneigt, anzu­neh­men, dass sich viel­leicht noch ein­mal ein gänz­lich ande­res natur­wis­sen­schaft­li­ches Bild ergibt, auf grund des­sen zukünf­ti­ge Men­schen sich über die Men­schen des 21. Jahr­hun­dert und deren Nai­vi­tät amüsieren.
    Mehr zu schrei­ben, wäre ein cent mehr :)

    1. Zu 1)
      Wir kön­nen dem Autor die­se Vari­an­te gern mit­tei­len - ich habe es so über­nom­men wie es publi­ziert war.
      Aller­dings stim­me ich Ihnen dahin­ge­hend zu, dass es in jeder Reli­gi­on vie­le Irr­tü­mer gibt, Reli­gio­nen nach­ge­ra­de aus Irr­tü­mern bestehen.

      Zu 2)
      Hier kommt es m.E. eben­so auf die Defi­ni­ti­on an:
      Betrach­tet man das, was neu gefun­den wird, als etwas grund­sätz­lich Neu­es - oder ist es eine Erwei­te­rung, auf der Basis des bestehen­den Wis­sens. Ich ten­die­re zu Letzterem.

      Gera­de im Hin­blick auf Ent­ste­hung und Beschrei­bung des Welt­alls und all des­sen, was wir als 'sicht­bar' anspre­chen und daher für "vor­han­den" hal­ten, kann ich mir gut vor­stel­len noch Über­ra­schun­gen zu erle­ben. Wobei eini­ge Grund­sät­ze in unse­rem *Nah­be­reich* sicher kaum ver­än­dert wer­den - im Klei­nen also weni­ger Über­ra­schun­gen als im Großen.

      PS
      Sie dür­fen zukünf­tig gern 3¢ hier­las­sen, Kom­men­ta­re sind nicht auf 2¢ begrenzt
      ;c)

    2. Naja, im Nah­be­reich bin ich eigent­lich genau­so skep­tisch. Ich abon­nie­re Spek­trum. In der Jän­ner­aus­ga­be sind sehr inter­es­san­te Arti­kel zu fin­den. Aber je mehr ich über "klein­ste Teil­chen" lese, desto mehr zweif­le ich an den Ergeb­nis­sen. Viel­leicht nicht an den Ergeb­nis­sen, aber an den Schlussfolgerungen.
      Oder viel­leicht anders betrach­tet: ich kann den zugrun­de lie­gen­den Infor­ma­tio­nen nicht mehr rich­tig fol­gen. Einer­seits ver­sagt bei mir bereits die mathe­ma­ti­sche Erfah­rung, obwohl ich da ein­mal sehr gut war. Ande­rer­seits basie­ren vie­le Schluss­fol­ge­run­gen auf "angeb­lich erprob­ten und bewie­se­nen" Theo­rien. Wir haben aber schon die Erfah­rung gemacht, dass Theo­rien zu Fall gebracht wer­den kön­nen, selbst wenn sie Aus­gangs­punkt für durch­aus ver­nünf­ti­ge Resul­ta­te waren.
      Ich lie­be ja die Geschich­te von Feyn­man ("Sure­ly, you are joking, Mr. Fein­man", ein lesens­wer­tes Buch). Dar­in beschreibt er, wie er von Whee­ler dazu gebracht wur­de, einen Vor­trag über eine Theo­rie der "schwa­chen Wech­sel­wir­kung" zu hal­ten. (Die Theo­rie hat sich dann 15 Jah­re gehal­ten. Als er fer­tig war, hat Fer­mi auf­ge­zeigt und ganz beschei­den und freund­lich gemeint, dass da etwas an der Theo­rie nicht stim­men könn­te. Dar­auf­hin stand Ein­stein auf und mein­te zu Fer­mi: "Sind Sie nicht so streng mit dem jun­gen Kol­le­gen! Wir waren alle mal jung." Auf den Ein­wand wur­de nicht mehr näher ein­ge­gan­gen und die Theo­rie wur­de in der Fol­ge akzep­tiert. 15 Jah­re spä­ter trat man an Feyn­man her­an und bat ihn, die Theo­rie zu fal­si­fi­zie­ren, weil die Ergeb­nis­se nicht mehr den Vor­her­sa­gen ent­spra­chen. Feyn­man schrieb, dass er ein­ein­halb Jah­re gebraucht hat­te, um den Feh­ler zu entdecken.Er mein­te auch, dass er damals so auf­ge­regt war, dass er den eigent­li­chen Ein­wand von Fer­mi gar nicht rich­tig ver­stan­den hät­te. Aber offen­bar hat­te Fer­mi instink­tiv (Mathe­ma­ti­ker haben so etwas wie Instinkt) die Schwach­stel­le rich­tig erkannt, ohne sie im Detail benen­nen zu können.
      Und genau­so den­ke ich wer­den noch eini­ge natur­wis­sen­schaft­li­che Erkennt­nis­se grund­le­gend umge­dreht werden.
      Als Men­schen sind wir eben ein­fach zu dumm, um die Welt um uns erklä­ren zu kön­nen. Man­che sind zwar sehr gescheit und viel­leicht noch viel, viel, viel mehr geschei­ter. Aber alle haben wir unse­re Grenzen.

    3. Glück­li­cher­wei­se bewe­gen wir uns bei dem geschil­der­ten Dis­kurs zwi­schen drei Kory­phä­en der Phy­sik auf einem Niveau das wohl nur weni­ge Men­schen haben - wes­we­gen es mir nicht schwer fällt zu geste­hen, dass ich da mei­ne Gren­zen sehe und nicht tie­fer ein­stei­gen kann (oder will). Da geht es mir so wie Sie es schil­dern. Und ich den­ke es ist nicht ehren­rüh­rig, sich zu sei­nen Gren­zen zu bekennen.

      Was ich für das Bio­lo­gie­stu­di­um brauch­te waren klas­si­sche Expe­ri­men­te aus der Phy­sik, eine fast schon an die (Haupt­fach-) Che­mi­ker­aus­bil­dung her­an­ra­gen­de Che­mie­kennt­nis, ins­be­son­de­re Orga­ni­sche Che­mie. Mathe­ma­tik zur Berech­nung von Wachs­tums­kur­ven, Wahr­schein­lich­kei­ten und sta­ti­sti­schen Model­len zur Abschät­zung der Rele­vanz und bild­li­chen Dar­stel­lung von Befun­den- soweit ist es mir gelun­gen, dar­über hin­aus hat­te und habe ich kei­nen Ehr­geiz mehr zu wissen.

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