Der größere Schaden, liebes Tagebuch, wer verursacht ihn? Das schoß mir neulich so durch den Kopf. Also nicht so richtig, eher so als Gedanke. Der Gedanke blieb nicht ohne Folgen, er ließ mich nicht mehr los:
Sozialhilfeempfänger die Mißbrauch betreiben, die uns alle, die Staatsbürger, betrügen und sich von uns 'aushalten' lassen.
Das kann doch nicht richtig sein, liebes Tagebuch, das ist doch eine Frechheit!
Und dann fiel mir ein, was ich vor ein paar Tagen gelesen hatte, und was vor ein paar Jahren in Bocholt passiert war; etwas ähnliches hat es dann bei Solarworld gegeben - der Staat zahlt, das Unternehmen kassiert .... und kurz darauf wird dicht gemacht:
Firmen hatten in beiden Fällen Millionen an Investitionshilfe bekommen, man hat sich um deren Ansiedlung 'gerissen', sie bekamen nicht nur Bares sondern auch langfristige Steuererleichterungen - und keine Versprechen die diese Firmen abgegeben haben wurden eingehalten:
Seien es Arbeitsplätze oder zukünftige (lokal zu entrichtende) Steuern aus den produzierten Waren.
Oder, liebes Tagebuch, das, was als "Größter Steuerraub der Geschichte der Bundesrepublik" bezeichnet wird, die Cum-Ex-Geschäfte, die (nicht nur) den deutschen Staat Milliarden gekostet haben. Liebes Tagebuch, hast du da Politiker drüber reden hören? Das Thema war für ein paar Stunden ein paar kleine Anmerkungen wert .... und dann?
Schweigen im Walde!
Kein Politiker redet mehr drüber.
Worüber wird allerdings ständig gesprochen?
Über *peanuts*, abgelenkt wird von den großen Gaunern.
Man spricht und redet sich den Mund fusselig über die dreisten "Sozialschmarotzer".
Bei denen geht es um ein paar hundert Euro.
Sicher, liebes Tagebuch, das ist zusammengezählt bestimmt ein erkleckliches Sümmchen.
An Cum-Ex oder die Diätenerhöhungen der Abgeordneten kommt es aber nicht ran.
Den Armen zieht man von der *Stütze* noch das Kindergeld ab.
Damit die so richtig lernen was es heißt "den Gürtel enger schnallen!"
Dafür mästen sich die Abgeordneten unserer *Volksvertretung*, die sowieso schon genug haben, seit letztem Jahr (wie in manchen Jahren davor) mit einem monatlichen Zuschlag in Höhe einer durchschnittlichen Monatsrente zusätzlich zu ihrem Salär, das etwa das zehnfache des Rentenbetrages eines Durchschnittsrentners beträgt.
Der smarte Herr Lindner, sonst nie um einen Spruch verlegen wenn es um Hilfeempfänger aus der Staatskasse geht, hat sich schon immer in solchen Fällen zurück gehalten, bei denen es nicht um ein paar Hundert oder Tausend, sondern um Millionen und Milliarden Euro geht!
Wenn in Südamerika ein gewählter Präsident durch den US Geheimdienst ausgehebelt und durch eine Marionette ersetzt wird, wenn Saudi Arabien Jahr für Jahr mehr Menschen köpft und im Pazifik Inseln im Meer verschwinden weil in den USA ein Dummkopf sein Unwesen treibt, der behauptet es gäbe keine globale Erwärmung, wird das mit einem Nebensatz abgetan.
Aber, liebes Tagebuch, wenn ein deutscher Arbeitsloser nicht in die nächste unsinnige (weil mittlerweile als nutzlos erkannte) *Fördermaßnahme* gehen will wird in der ARD ein Brennpunkt eingeschoben, beim ZDF wird eine Talkrunde durchgeführt und BILD am Sonntag titelt "Wie lange wollen wir uns noch von Sozialbetrüger (62) ausnehmen lassen?" - und das alles mündet in eine Kürzung des ausgezahlten Betrages der - wie höchstrichterlich schon festgestellt wurde - das absolute Minimum darstellt, das ein Mensch in unserem Land braucht um nicht zu verhungern.
Es ist eine himmelschreiende Schande, liebes Tagebuch, wie hier mit Menschen umgegangen wird, die brav und ohne Murren in die Sozialkassen eingezahlt haben, weil man ihnen versprochen hat, sie bekämen Hilfe wenn es nötig sei.
Das, liebes Tagebuch, ist zwar ein erworbener Rechtsanspruch - behandelt werden diese Menschen dann allerdings wie Gauner, die sich auf Kosten anderer ein schönes Leben machen wollen .... derweilen lachen sich die wirklichen Sozialschmarotzer, die uns, unseren Staat, um Milliarden betrügen, ins Fäustchen, weil es gelungen ist von sich abzulenken ....
Wegen möglichen "Sozialbetrug" der e-Card hat man in Österreich das System auf "Foto auf der e-Card" umgestellt. Kostenpunkt: 200.000 Euro.
Höhe des bisher stattegefundenen Sozialsbetrugs mittels e-Card: 10.000 Euro.
Da kannte, liebe Frau Rosenherz, wieder einmal irgendwer irgendwen, dem er einen Gefallen schuldete .... so läuft das doch im politischen Haifischteich.
PS
Wie schön, wieder einmal ein Lebenszeichen von Ihnen zu lesen - Sie waren ja sooo lange 'verschewunden' ..?!
Irgendwann habe ich mal die rhetorische Frage "Schmarotzen oder Schmarotzen für Geld - ist das wirklich besser?" (oder so ähnlich) bei mir drüben eingeworfen, und den Widerspruch gemeint, den die gängige Öffentlichkeitsarbeit als auch das Fußvolk aufmacht, wenn es darum geht, ob einer sich gesellschaftlich nützlich macht, wenn er von "seinen" (allein das würde auch noch mal eine weitere Infragestellung voraussetzen) Millionen tagtäglich lebt und z. B. sich in kostspieligem Luxus ergeht.
Mit anderen Worten: Wenn ein Millionär jeden Tag faulenzt und das Geld nur verbraucht, sagt keiner was. Da wird immer gern von "rechtmäßig" verdient und weiterem gesprochen.
Macht ein Sozialhelfer das Gleiche, schreit man schnell "Haltet den Dieb!", beschimpft ihn als "Schmarotzer", von dem die Gesellschaft keinen Nutzen hat, und fordert, dass dem Treiben gefälligst schnell der Gar ausgemacht wird.
Obwohl beide sich genau gleich verhalten.
Also, um Moral kann es in diesem Zusammenhang gar nicht gehen, denn sonst würde man den Millionär nicht bewundern für das selbe Verhalten, was man jemand anderem aus einer anderen Einkommensklasse zum Vorwurf macht.
Ein Millionär, der das Geld nur verbraucht, welches zudem auch noch, in der Regel der Fälle, andere für ihn erarbeiten, ist aus praktischen Gründen genauso wenig nützlich oder guttuend sein für die Gesellschaft wie jemand, der nur durch Steuergeld am Leben erhalten wird, und "nichts an die Gesellschaft zurückgibt".
Der Unterschied ist, dass der Millionär von seinen Millionen Politiker 'schmieren' kann und sich so ihrer Protektion seines eigenen Tuns und dessen Verschleierung als 'gesellschaftlich akzeptiert und erwünscht' versichern kann - dazu fehlt dem Empfänger von Sozialhilfe das Geld (und damit die Einflussmöglichkeit).
Das als systemischer Unterschied.
Erstaunlich nur, dass die kritisierte Argumentionskette im Fußvolk 1:1 so funktioniert, ohne dass jemandem was daran auffällt!
Bürger sind ja einzeln nicht unbedingt gekauft...
Nicht "gekauft" in diesem tatsächlichen Sinne - aber "eingelullt" im Sinne von beschäftigt mit Unsinn, Vorurteilen, Gerüchten und Verschwörungstheorien, etc. ....
Das sind bei mir aber zwei verschiedene Sachen...