Was unterscheidet uns (Europäer)
von den Amerikanern?

" .. Über den Reich­tum einer ent­wickel­ten Gesell­schaft ent­schei­det heu­te in erster Linie das Netz­werk von Wis­sen­schaft, Tech­no­lo­gie und Wirt­schaft. Das ame­ri­ka­ni­sche Netz­werk ist anders ver­drah­tet als das Euro­päi­sche. Es ist schnel­ler, effi­zi­en­ter, mus­ku­lö­ser. Das euro­päi­sche ist trä­ger und sta­bi­ler. .. " - so lau­tet die Ein­lei­tung eines Bei­trags von Prof. Dr. Gert Keil, vor­mals Frei­burg, jetzt Poli­tik­be­ra­ter in Berlin.

Die Beob­ach­tung, daß in Ame­ri­ka schnel­ler gehan­delt und weni­ger gezau­dert wird ist sicher ein wesent­li­cher Unter­schied. 'Hier­zu­lan­de wer­den eher Beden­ken gegen­über neu­en tech­ni­schen Ent­wick­lun­gen vor­ge­bracht' stimmt sicher auch. Die Ame­ri­ka­ner sei­en uns in Hin­blick auf Tech­no­lo­gie auf allen Fel­dern vor­aus ist bestimmt nicht kor­rekt. Was sie beherr­schen ist:
Auf­stre­ben­de Wis­sen­schaft­ler anlocken - und danach deren Ergeb­nis­se als "Ame­ri­ka­nisch" zu verkaufen!

Inso­weit ist die Fra­ge­stel­lung eher: Wie hält man die Spit­zen­for­scher im Lan­de bzw. in Euro­pa? Eine Fra­ge, die sich mög­li­cher­wei­se in die­ser Form immer sel­te­ner stel­len wird, weil das Finan­zie­rungs­sy­stem in U.S.A. sich bekann­ter­ma­ßen in einer tief­grei­fen­den Kri­se befindet ....

Als näch­sten Punkt muß man die Alters­struk­tur ver­glei­chen. Dabei kommt her­aus, daß die ame­ri­ka­ni­schen Erfol­ge von sehr jun­gen For­schern erreicht wer­den, die sich dann - weil ihr Inter­es­se an grund­le­gen­der For­schung mit der zuneh­men­den Aner­ken­nung schwin­det - auf ihren Erfol­gen (und dem damit ver­bun­de­nen finan­zi­el­len Pol­ster) aus­ru­hen. Hier­zu­lan­de wer­den die Ergeb­nis­se durch­schnitt­lich erst eini­ge Jah­re spä­ter gewon­nen, dafür ist aber das For­scher­stre­ben ste­tig und hält über eine län­ge­re Zeit­span­ne an - trotz der vie­len bür­o­k­tra­ti­schen Hin­der­nis­se des (läh­mend ver­wal­te­ten) Wissenschaftsapparates ....

Ein wei­te­rer - wesent­li­cher - Aspekt fehlt in den Keil'schen Betrach­tun­gen: Ame­ri­ka­ner sind "wachs­tums­gläu­big" - wird ihnen die Gewiß­heit auf Wachs­tum genom­men - und es sieht der­zeit ganz danach aus - dann ver­sie­gen die Inve­sti­tio­nen in die Wis­sen­schaf­ten und es kommt zu einer Aus­trock­nung der Forschungsaktivitäten.

Die Finanz­kri­se - mögen ihre Aus­wir­kun­gen auch noch so dra­ma­tisch selbst für Euro­pa aus­se­hen - wird so mög­li­cher­wei­se zur Ret­tung der Spit­zen­for­schung durch Ver­rin­ge­rung der Abwan­de­rung nach U.S.A. .... wenn es dann noch gelingt, die büro­kra­ti­schen Hür­den zu ver­rin­gern könn­ten wir den frü­he­ren Vor­sprung wie­der­ge­win­nen oder - wie im Fall der Nano-Tech­no­lo­gie (in der wir ent­ge­gen der von Dr. Keil ver­tre­te­nen The­se welt­weit füh­rend sind) halten.

Min­de­stens ich wür­de es mir so wünschen.

Kommentare

  1. Ein For­scher strebt pri­mär nach For­schung. Dafür nimmt er außer­ge­wöhn­li­che Umstän­de in Kauf, wenn denn sein Drang nach Erkun­dung des Neu­en befrie­digt wird. Und wenn er das dann in der intel­lek­tu­el­len Umge­bung eines MIT oder eines Stan­ford-Cam­pus oder mit den schier unbe­grenz­ten finan­zi­el­len Mit­teln einer Uni­ver­si­ty of Texas at Austin gar­niert sieht: wes­halb soll­te er dann ins rhei­nisch-ver­schro­be­ne Köln, ins han­sea­tisch über­coo­le Ham­burg oder ins ver­reg­ne­te Mün­ster zie­hen, wo über­all nebenbei
    - sowohl die Bezah­lung schlech­ter ist,
    - häu­fig nicht genug in Infra­struk­tur inve­stiert wird,
    - zuviel Leh­re und zuwe­nig For­schung betrie­ben wird,
    - Man­power wie die Nadel im Heu­hau­fen gesucht wird und
    - der Staat über­all hineinreglementiert?
    Mag sein, dass die Rezes­si­on dies ändern wird. Ich neh­me aber mehr an, dass ledig­lich eine Flur­be­rei­ni­gung statt­fin­det. Die gro­ßen Uni­ver­si­tä­ten wer­den über­le­ben, dafür sor­gen zig Hun­der­te von Mil­lio­nä­ren, die sich ihrer alma mater erin­nern und wei­ter­hin flei­ßig spen­den wer­den. In mei­nem Bekann­ten­kreis befin­den sich zwei Pro­fes­so­ren und ein wis­sen­schaft­li­cher Rat, die alle­samt seit lan­gem in den USA leben und dort nicht weg­wol­len. Grün­de sie­he oben.

    just my 2 cents, obwohl ich Dei­ne Argu­men­ta­ti­on nach­voll­zie­hen kann.

  2. Hin­sicht­lich der ein­engen­den Gege­ben­hei­ten hier­zu­lan­de sind wir ja völ­lig einer Mei­nung - die­se Ver­kru­stung und der Man­gel an Mög­lich­kei­ten sich zu ent­wickeln wird durch die hie­si­ge Struk­tur mit dem Lehr­stuhl­in­ha­ber als "Big Boss" an dem nie­mand vor­bei­kommt fest­ge­schrie­ben .... manch ein hoff­nungs­vol­ler Jung-Wis­sen­schaft­ler wird gna­den­los aus­ge­beu­tet und die Meri­ten wer­den dem "Chef" zuge­schrie­ben. Ja, bedau­er­lich, und noch schlim­mer weil schon die '68er Stu­den­ten­be­we­gung dar­an schei­ter­te die­se Pha­lanx aufzubrechen.

    Bezah­lung:
    Das mag für Spit­zen­leu­te zutref­fen - die Mas­se der (nicht fest­an­ge­stell­ten) Mit­ar­bei­ter hat zwar nomi­nell ein höhe­res Ein­kom­men als hier, dafür sind aber die Kosten für KV und Alters­si­che­rung fast aus­schließ­lich von den Mit­ar­bei­tern selbst zu tra­gen: Das zehrt einen Löwen­an­teil des Mehr­ver­dien­stes auf ....

    Leh­re / Forschung:
    Der Lehr­an­teil mag zwar auf dem Papier gerin­ger sein, aller­dings feh­len all die Stun­den die zur (dort sehr viel inten­si­ve­ren, weil bezahl­ten) Stu­den­ten­be­treu­ung ein­ge­setzt wer­den müssen
    [Obwohl ich nur zwei Vor­le­sun­gen a 1,5h 2x pro Woche hat­te war das etwas ein Halb­tag pro Woche zusätzlich!]

    Regle­ment:
    Nun, min­de­stens ist das Stu­di­um gegen­über den frü­he­ren Ver­hält­nis­sen hier (Ände­rung durch die Ein­füh­rung des Bachelor/Master) sehr viel stär­ker regle­men­tiert, d.h. die 'cre­dits' müs­sen in einer bestimm­ten Rei­hen­fol­ge und mit Min­dest­lei­stun­gen erbracht wer­den - die Schuld für ein Ver­sa­gen (außer durch Fehl­zei­ten) wird regel­mä­ßig den Leh­ren­den gege­ben. Schon daher muß zusätz­li­che Zeit ein­ge­setzt werden ....

    Infrastruktur/Ausstattung/Mitarbeiterzahlen
    Was da vor­ge­hal­ten und inve­stiert wird ist in der Tat beacht­lich - obwohl bei genau­er Betrach­tung hier nur gering­fü­gig weni­ger ein­ge­setzt wird - nur hier 'ver­sickert' viel Geld für Ver­wal­tung der Ver­wal­tung anstatt für den Haupt­zweck aus­ge­ge­ben zu wer­den .... außer­dem sor­gen zähe und undurch­sich­ti­ge Beschaf­fungs­we­ge für wei­te­ren Verlust.
    Da sind uns die Ame­ri­ka­ner bestimmt ein paar Schrit­te voraus.

  3. Nach­trag
    Ich fand noch einen guten Arti­kel eines US.-College-Professors, der sich zur Situa­ti­on der "Höhe­ren Bil­dung" äußert.

    Ein kur­zes Zitat - das schon etwas über die Grund­ten­denz des Arti­kels aussagt:
    " .. One atti­tu­de per­va­ding hig­her edu­ca­ti­on today is: stu­dents are cus­to­mers who need to be kept hap­py by ser­vice-ori­en­ted pro­fes­sors and admi­ni­stra­tors. That's a big rea­son why, at my col­lege at least, the hot­test topics deba­ted by the Stu­dent Coun­cil are not govern­ment wars, tor­tu­re, or bail-outs but a lack of par­king and the qua­li­ty of cafe­te­ria food. .. "

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