Zurück in die Vergangenheit


Heu­te las ich:


On 27.03.19 16:36, Bent von Kraut­re­por­ter cited:

> Als gin­ge es am Gym­na­si­um um nichts ande­res als um gute Noten, an den
> ande­ren Schu­len nur dar­um, die Übrig­ge­blie­be­nen zu bändigen",
> kom­men­tiert Par­vin Sadigh auf Zeit Online .
> Des­halb for­dert er sie*: Opfert das Gymnasium!

Dass es an den Gym­na­si­en um gute Noten geht ist nicht zuletzt eine Ent­wick­lung die von SPD und Gewerk­schaf­ten in den Sieb­zi­gern vor­an­ge­trie­ben und in den spä­te­ren Jah­ren von ande­ren Regie­run­gen aus Geld­man­gel fort­ge­setzt wur­de und im Lau­fe der Jah­re immer brei­ter unter­stützt wur­de - die Illu­si­on jeder müs­se Abitur haben wur­de dadurch erkauft, dass man den Stan­dard immer mehr absenk­te. Und 'voi­là!' schon hagelt es gute Noten.

Fol­ge­rich­tig wur­de das Abitur immer wohl­fei­ler, die Fach­hoch­schu­len und Sozi­al­bil­dungs­stät­ten (frü­her: Sozi­al­aka­de­mie) wur­den zu Hoch­schu­len erklärt und zuletzt wur­de mit Ein­füh­rung von Bache­lor und Masters der aka­de­mi­schen Anfor­de­rung der letz­te Todes­stoß verpasst.

Jetzt also folgt die zwei­te Wel­le: 'Opfert das Gym­na­si­um!'?

* Par­vin Sadigh ist übri­gens eine Frau.

Ohne einen lan­gen, fami­liä­ren und kul­tu­rel­len Hin­ter­grund in "D" zu haben kann man leicht sol­che For­de­run­gen stel­len. Frau Sadigh mag es nicht bes­ser wis­sen. Ich weiß dage­gen nichts über die Moti­va­ti­on der Frau Sadigh, noch über ihre ein­schlä­gi­gen Kennt­nis­se oder ihre Aus­bil­dung.

Was ich im Inter­net zu Frau Sadigh gefun­den habe ist nicht sehr umfang­reich, jeden­falls scheint sie sich bis­lang nicht auf dem Gebiet der pri­mä­ren und sekun­dä­ren Schul­bil­dung beson­ders her­vor­ge­tan zu haben.

Müss­te nicht zuvor, also bevor man eine mehr­hun­der­jäh­ri­ge Tra­di­ti­on wie das Gym­na­si­um über Bord wirft

1. eine gründ­li­che Ana­ly­se der Vor- bzw. Nach­tei­le und

2. eine Berech­nung der Kosten für Räum­lich­kei­ten, Schul­neu­bau­ten etc. ste­hen und

3. eine Unter­su­chung über die in ande­ren (ver­gleich­ba­ren!) Län­dern bereits bestehen­den Syste­me - unter Berück­sich­ti­gung der Stär­ken und Schwä­chen - ein­be­zo­gen werden?

Aus den U.S.A. ist mir bekannt, dass sol­che Mon­ster­schu­len (> 1.000 Schü­ler) beson­de­re Pro­ble­me auf­wer­fen (Ban­den­bil­dung, Mob­bing, Kri­mi­na­li­tät), die in klei­ne­ren Ein­hei­ten unbe­kannt sind. Soviel zur rei­nen Größe.

Was die Lehr­plä­ne angeht sieht es noch schlim­mer aus, weil schon jetzt der Weg des gering­sten Wider­stan­des gewählt wird. Das Bei­spiel High School beweist das im Extrem - es sin­ken über die Jah­re die Anfor­de­run­gen und der Stan­dard. Her­aus kom­men Absol­ven­ten, die besten­falls als Hand­lan­ger tau­gen und kei­ner­lei All­ge­mein­wis­sen mehr haben. Patrio­ten kann man in sol­chen Schu­len groß­zie­hen, sie för­dern aller­dings einen Anti-Intel­lek­tio­nis­mus mit mili­tan­ter Aus­prä­gung, da Stär­ke vor Intel­lekt gesetzt wird. Nicht etwa aus Absicht, son­dern aus dem sozio­kul­tu­rel­len Umfeld der puber­tie­ren­den Schü­ler­schaft ent­ste­hend, in dem Kraft vor Geist, Kon­flikt vor Aus­gleich steht.


Aber in Wirk­lich­keit ist es sowie­so längst eine Gemein­schafts­schu­le gewor­den die sich öff­nen muss für indi­vi­dua­li­sier­tes Ler­nen, für Sozi­al­ar­bei­ter und Psychologen

Wer hat das denn zu ver­ant­wor­ten, immer vor­aus­ge­setzt, dass es tat­säch­lich so ist? In einer Gesell­schaft, in der Mit­tel­maß regiert (wört­lich gemeint!) ist es nicht ver­wun­der­lich, wenn Mit­tel­maß geför­dert wird. Eine Gesell­schaft lebt aber von ihren besten Köp­fen, von intel­li­gen­ten 'Spin­nern', die krea­tiv sein dür­fen und Höchst­lei­stun­gen locker aus dem Ärmel schütteln.

Sozia­les Ver­hal­ten und Inklu­si­on sind wich­tig, aber doch nicht auf Kosten des­sen wofür Schu­le da ist: Ein Lern­an­ge­bot zu machen, Schü­ler zu för­dern und ihre Lei­stung durch ein Zeug­nis zu würdigen.

Das gan­ze System nun an den Schwäch­sten aus­zu­rich­ten ist wahr­haf­tig eine Uto­pie - wer will uns als Volks­wirt­schaft denn mit einer sol­chen Umwäl­zung zugrun­de rich­ten? Sol­len wir ins Mit­tel­al­ter zurück­fal­len, alle Kin­der aller Jahr­gän­ge in einer Klas­se? Das wäre den Gedan­ken völ­lig zu Ende zu denken.

Was par­al­lel ent­steht sind Pri­vat­schu­len - und schon ist es vor­bei mit der schö­nen Idee der Inklu­si­on! Eltern mit den ent­spre­chen­den Ein­künf­ten oder genug Kre­dit­wür­dig­keit wer­den ihre Kin­der auf Pri­vat­schu­len schicken. Wie sol­che Gesell­schaf­ten struk­tu­riert sind kann man am Bei­spiel der U.S.A. sehen. Der Unter­gang der dann noch vor­han­de­nen öffent­li­chen Schu­len, in denen die Gym­na­si­en ein­ge­glie­dert und auf­ge­gan­gen sind, ist vor­pro­gram­miert. Zum Schluß lei­det die Qua­li­tät der Schul­ab­sol­ven­ten und die Zahl der 'Nicht-Absol­ven­ten' steigt.

Man mag das sogar posi­tiv fin­den, wenn sich die Ent­wick­lung zu mehr Frei­zeit und mehr Maschi­nen­ar­beit so ent­wickelt wie es vor­her­ge­sagt wird. Die Poli­tik wäre bestimmt nicht dage­gen, las­sen sich doch Unwis­sen­de bes­ser über­töl­peln als Men­schen mit soli­der Bildung.

Woher soll, bit­te­schön, das Geld für die Sache kom­men? Schon jetzt ist nicht genug da, Schu­len zer­fal­len, es fehlt an moder­nen Lehr­mit­teln, die Lehr­kräf­te sind aus­ge­la­stet und eine Rie­sen­lücke droht weil nicht genug Nach­wuchs da ist - wie soll denn da eine der­ar­tig anspruchs­vol­le Umwäl­zung des kom­plet­ten Lern­ge­fü­ges funktionieren?

Kommentare

  1. Ja, was soll man dazu sagen? In Wirk­lich­keit ist es nicht ein Aus­rich­ten am Mit­tel­maß, es ist ein bewuss­tes Her­un­ter­fah­ren des Niveaus. Inter­es­san­ter­wei­se haben das in Öster­reich die Sozia­li­sten bewirkt, wobei die ursprüng­li­chen Ideen viel­leicht gar nicht nega­tiv gemeint waren.
    Aber jetzt lei­den bei uns gera­de die Roten unter dem, was sie 1970 mit den Schul­ver­su­chen ange­rich­tet haben.
    Das gan­ze setzt sich im Berufs­le­ben genau­so fort. Wenn ich mich beschwert habe, dass Pro­gram­mie­rer, die damals an die 4000 € und mehr 15 mal im Jahr ver­dient haben, bei Schu­lun­gen zu faul und unfle­xi­bel waren, hör­te ich von mei­nen Kol­le­gen und auch Chefs: "Du musst die Leu­te dort 'abho­len', wo sie gera­de ste­hen". Ich woll­te aber nicht immer bei Adam und Eva beginnen.
    Nur in mei­nem Fall war es ja egal. Die Prü­fun­gen mach­te nicht ich, son­dern sie waren kom­mis­sio­nell. Und letzt­lich kamen die von mir geschul­ten Leu­te auch durch.
    Aber es ist schon eine Tat­sa­che. Heu­te wird geklagt, dass unse­re Schü­ler über­for­dert sind. Vor 60 Jah­ren war das Schul­sy­stem so, dass ich als Aus­tausch­stu­dent die ame­ri­ka­ni­sche zwei Jahr älte­ren Schü­ler in die Tasche gesteckt habe. Heu­te wird das nicht so leicht mög­lich sein. Es sei denn, man käme aus einer Privatschule.
    -
    Ein ver­wand­tes The­ma. Asyl­wer­ber, die eine Lee­re in einem der aner­kann­ten Man­gel­be­ru­fe machen, wer­den trotz­dem abge­scho­ben. Urteil des ober­sten Ver­fas­sungs­ge­richt wäh­rend der letz­ten Tage. Aber bit­te, jeden Monat gibt es einen Arti­kel über den Man­gel an bestimm­ten Fachberufen.
    Der ist natür­lich anders bedingt. Drei­jäh­ri­ge sind gefragt, die Eng­lisch und Chi­ne­sisch kön­nen, eine fer­ti­ge Berufs­aus­bil­dung haben, 10 Jah­re Erfah­rung mit­brin­gen (! wann immer sie das erlebt haben sol­len) und mit einem Gehalt von 1,5 € / Stun­de zufrie­den sind. (Falsch, das ist eine ande­re Bau­stel­le) Also gut 1000 € im Monat wür­de man ihnen schon zugestehen.
    Ich glau­be in Deutsch­land ist es nicht ganz anders. Aber in die­sem Kom­men­tar beschrän­ke ich mich ein­mal auf Öster­reich. Auf einen Kanz­ler, der zum Stu­die­ren zu blöd ist, und einen Vize­kanz­ler als Den­tist, der sich am lieb­sten mit Iden­ti­tä­ren umgibt.
    Es ist so wider­lich, dass man nur mehr in einem fort kot­zen möch­te. Aber die­se Bei­den pro­fi­tie­ren ja von einer Bevöl­ke­rung, die schon lan­ge nicht mehr den­ken kann.

    1. Wenn Sie anspre­chen es gäbe vie­le Par­al­le­len, dann kann ich nur bei­pflich­ten! Es sind nur Nuan­cen, in denen sich das unter­schei­det, inter­es­san­ter­wei­se aber die Sozi­al­de­mo­kra­ten in ihrem Bestre­ben die 'Pro­le­ta­ri­er' zu bil­den - wie bei uns - weit über das Ziel hinaus ....

      Was die Bil­dung unse­rer Poli­ti­ker angeht sieht es eben­so fin­ster aus, da ist Frau Mer­kel noch eine rühm­li­che Ausnahme. 

      In mei­ner Nach­bar­schaft wohn­te ein syri­scher Inge­nieur mit drei Söh­nen: Der Vater (48) lern­te inner­halb eines Jah­res flie­ßend Deutsch, die drei Kin­der gehör­ten inner­halb des zwei­ten Jah­res zu den Besten ihrer Klas­se. die Mut­ter mach­te den Füh­rer­schein und war dabei die Prü­fung für eine Apo­the­ke zu absol­vie­ren - sicher, nicht die durch­schnitt­li­che Fami­lie, aber ein gutes Bei­spiel dafür, dass die Kla­gen der 'Geburts­deut­schen', das Gym­na­si­um sei zu schwer, nicht den Tat­sa­chen ent­spricht son­dern deren man­gel­haf­tem Wil­len etwas zu leisten.

    1. Die Ein­sicht zu haben, dass das Gym­na­si­um nicht die rich­ti­ge Schu­le für das eige­ne Kind ist, fehlt vie­len Eltern:
      Schon die Betrach­tung wie vie­le "Nach­hil­fe­in­sti­tu­te" in den letz­ten Jah­ren aus dem Boden geschos­sen sind ist doch ein Indiz für man­gel­haf­te Aus­wahl beim Über­gang zu den höhe­ren Lehranstalten.

    2. Was glau­ben Sie, wie das erst wer­den wird, wenn die Eltern allein dar­über ent­schei­den, auf wel­che wei­ter­füh­ren­de Schu­le ihr Kind gehen soll, ganz ohne Lehrer"empfehlung". Jemand erzähl­te mir, das sei geplant.

  2. @ iGing
    Das wird genau zu dem füh­ren, was ich wei­ter oben beschrieb:
    Wer Geld hat schickt sei­ne Kin­der in Pri­vat­schu­len, abge­stuft nach sozia­lem Sta­tus, die weni­ger betuch­ten Eltern schicken ihre Kin­der in Gym­na­si­en - und da wird es eine Dif­fe­ren­zie­rung geben, man­che bes­ser, vie­le schlech­ter und das wird sich nach dem sozia­len Umfeld rich­ten. Da wird dann der Wohn­ort zum Auswahlkriterium.

    Wir brau­chen nur nach USA zu schau­en - dort ist die­ses Sta­di­um schon erreicht, das wir am Ende haben werden:
    Eine *Ein­heits­schu­le* mit Schwer­punkt auf unver­fäng­li­chem Lehr- und Lern­stoff, Redu­zie­rung der 'schwie­ri­gen' aka­de­misch for­dern­den Fächer, Staats­bür­ger­kun­de (= Gehirn­wä­sche poten­ziert) .... und vor allem Titel und Ehren für selbst klein­ste Her­vor­he­bun­gen aus der Mas­se, ohne jeden Wert für das Fort­kom­men der Gesellschaft.

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