Im folgenden Zitat ist von "Zufall" die Rede. Hier wird deutlich, wie die geisteswissenschaftliche Betrachtung aus einer sehr einfachen Gegebenheit etwas höchst Komplexes zu machen versteht - dem wahrscheinlich ob dieser Verdrehung der Tatsachen niemand mehr so recht zu folgen weiß.
Zugeben will es aber niemand, deswegen bleibt solcher Unfug unwidersprochen und füllt ganze Bibliotheken!
Zitat:
' ..Es gibt zwei unterschiedliche Inhalte des Begriffs "Zufall":
(1) Der eine ist der echte harte Zufall (1a), bei dem sich der nächste Zustand nicht aus dem vorhergehenden ergibt. Der steht die Gegenposition gegenüber, dass sich ein Zustand vollständig aus den vorangegangenen Zuständen ergibt (1b), unabhängig davon, wieviele Billionen von Faktoren da eine Rolle spielen.
(2) Der andere Begriffsinhalt befasst sich mit der Voraussehbarkeit des folgenden Zustandes. Diesen Begriff verwendet man beim Würfel .. '
/Zitat
Soweit also das Zitat, die Ziffernunterscheidung ist von mir um leichter den Bezug herzstellen.
Wenden wir uns zunächst (1) zu: Der 'echt harte Zufall' ist einen sprachliche Unsinnigkeit, denn Zufall ist immer überraschend und nicht vorhersehbar .... hier soll durch den Zusatz eine Unterscheidung suggeriert werden die es nicht gibt.
Ganz einfach stellen wir uns das Gegenteil vor:
Der 'unechte, ganz weiche Zufall' .... merken Sie 'was?
(1a) Der vermeintlich 'echt harte Zufall' ist also schlicht → Zufall
Die Gegenposition, die hierzu aufgebaut wird 'dass sich ein Zustand vollständig aus den vorangegangenen Zuständen ergibt' ist dann allerdings genauso unsinnig. Denn wenn sich ein Zustand aus dem Vorherigen ergibt ist es kein Zufall mehr. Es handelt sich dann um eine - absehbare - 'Folge'.
(1b) Die vermeintliche Gegenposition ist also eine falsche Annahme, es ist kein Zufall, sondern eine vorhersehbare Folge.
Sodann kommen wir zu (2) Voraussehbarkeit: Schon wieder sollen wir aufs Glatteis geführt werden, denn wenn etwas 'voraussehbar' ist, ist es kein Zufall mehr, sondern wie (1b) eine "Folge".
Der Zufall beim Würfeln ist allerdings nicht voraussehbar. Das nimmt der Autor irrigerweise an.
Auch wenn die Zahl der Möglichkeiten eingeschränkt ist - der Würfel hat ja nur sechs Seiten und damit sechs Möglichkeiten zu fallen - ist doch keine "Vorhersehbarkeit" gegeben:
Es handelt sich also um einen "Zufall" welche Zahl fallen wird.
(2) Ist also ein Sonderfall durch die beschränkte Anzahl von Varianten. Allerdings genau wie (1a) schlicht → Zufall.
Zusammengefasst sind (1a) und (2) gleich und damit "Zufall", (1b) hingegen ist kein Zufall sondern eine Folge - und hat deswegen in der Erörterung nichts zu suchen.
Der Text, der eine Unterscheidung von "Zufällen" zu machen sucht ist daher kompletter Unfug. Ein klassisches Beispiel für geisteswissenschaftliches Verwirrspiel ohne jede praktische Bedeutung.
WIKIPEDIA sagt dazu
Wenn von Zufall gesprochen wird, kann konkret gemeint sein:
1. Ein Ereignis geschieht objektiv ohne Ursache („objektiver Zufall“).
2. Ein Ereignis geschieht, ohne dass eine Ursache erkennbar ist.
3. Ein Ereignis geschieht, bei dem man zwar die Einflussfaktoren kennt, sie aber nicht messen oder steuern kann, so dass das Ergebnis nicht vorhersehbar ist („empirisch-pragmatischer Zufall“).
4. Zwei Ereignisse stehen in keinem (bekannten) kausalen Zusammenhang.
Zu den 4 Möglichkeiten meine zwei cents.
1) ist eigentlich mit 4) gleich. Der Ausdruck objektiv bedeutet nämlich auch nicht mehr, als dass wir keinen Zusammenhang kennen. Rein philosophisch betrachtet, sind wir gar nicht in der Lage, etwas objektiv festzustellen oder zu betrachten.
2) ist nur eine Abschwächung - die Ursache ist nicht erkennbar. Aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es eine Ursache gibt.
3) Das ist der Zustand, den wir heute versuchen zu postulieren, wenn wir mit der Quantenmechanik zu tun haben.
Da wir nach Gödel gar nicht in der Lage sind, falsche oder wahre Aussagen in der Mathematik zu erkennen, und nicht einmal entscheiden können, ob eine Unterscheidung möglich ist, könnte man den Zufall eigentlich komplett beiseite lassen. "Irgendetwas passiert, aber wir wissen nicht warum."
Nun gibt es das Würfelbeispiel. Da kann man viel besser ersehen, was der Mensch mit Zufall meint. (Er meint, dass man etwas nicht im Voraus wissen kann.)
Und das bringt eine Verbindung mit den Scheißreligionen, wie sie z.B. der Katholizismus ist. Die Scheißprotestanten inkludiere ich gleich. Aber es geht um die Verwendung des Zufallbegriffs bei den Jesuiten!
Auch heute ist es notwendig - vor allem bei der Verchiffrierung - zufallsgesteuerte Zahlen zu verwenden. Gerade habe ich irgendwo einen Artikel gelesen, dass bei irgendeinem Prozessor oder eine Software ein fürchterlicher Fehler passiert ist. Der Zufallszahlengenerator ist keiner. Seine Zahlenfolgen können analysiert werden und mit entsprechender Datenmenge kann man vorhersagen, was die nächste "zufällige" Zahl sein wird. Gut, das kann man erklären und es gibt andere Generatoren, die nicht so "vorhersagbar" sind.
Aber die Jesuiten hatten im 15. oder 16. Jhd die Zufallszahlen als Instanz der Göttlichkeit verwendet. Sie hatten eine Folge von "zufälligen" Zahlen, bei der die Laien absolut keinen Zusammenhang zwischen einer und der nächsten Zahl herstellen konnten. Nur die Jesuiten selbst, wussten, wie die nächste Zahl aussehen würde, weil sie ja in unmittelbarer Verbindung mit Gott standen.
Nun, ihre Zahlen sahen wirklich sehr zufällig aus.
Z.B. 8574, 5134, 3579 8092, usw Daraus konnte man ohne Computer (und selbst mit Computer) keinen Zusammenhang zwischen den Zahlen herstellen. Da hatte sich Gott offenbart. Nur den Jesuiten ließ er die göttliche Gnade zuteil, die nächste Zahl zu kennen.
Da Gott unendlich war, musste es auch die "zufällige" Zahlenreihe sein.
Es ist eine gute Denksportaufgabe, zu erkennen, warum die Folge nicht zufällig sein kann.
Anmerkung: weitere Erklärung abdecken und selbst versuchen. Erst dann runter scrollen :)
Auflösung:
Die Zahlen waren alle vierstellig. Das heißt, es gab nur 10000 verschieden Zahlen, und jede Zahl hatte immer einen Nachfolger, der ausschließlich durch die vorangegangene Zahl bestimmt war. Es mussten sich also geschlossene Ketten bilden. Gab es eine Wiederholung einer bereits vorgekommenen Zahl ging die Folge mit der gleichen Anordung wie beim ersten Mal weiter.
tatsächlich waren die längsten anscheinend unzusammenhängenden Ketten nur 3000 verschiedene Zahlen lang. Manche Ketten waren auch viel kürzer. Die Zahl 0000 hätte immer 0000 als Nachfolger gehabt
Der Algorithmus war einfach: man quadriere die Zahl und streiche die ersten zwei (manchmal war es nur eine) und die letzten zwei Ziffern weg. Die verbleibenden vier Ziffern waren die neue "ZUFALLSZAHL".
So einfach also!
Heute kann man das einem Kind erklären. Es zeigt aber deutlich, wie damals im Zeichen der Religion "verarscht" worden war. Auch heute noch, allerdings mit anderen Aussagen.
Man kann heute relativ gut Pseudozufallszahlen generieren. Man bezieht sich auf die Statistik, die in der Physik rund um uns geltend gemacht wird. Zerfallszahlen von radioaktiven Isotopen. Das einfachste Beispiel findet sich im Schrödinger-Experiment mit der Katze.
Interessanterweise glauben wir aber heute auch, dass wir die Zufälle ausschalten können, wenn die neuen Referenzdimensionen wie kg, Mol etc. von der Physik abgeleitet werden. Da verwenden wir die Statistik und "die große Zahl", um absolute Werte abzuleiten.
Das sind dann keine zufälligen Werte. (interessant, nicht?)
Aber über den Zufall kann man so viel philosophieren, wie man will. Die Menschen werden es in der Masse nicht verstehen.
Vielen Dank für ihre umfassende Erörterung und das sehr überzeugende Beispiel wie durchaus erklärliche, aber schwer zu durchschauende Modelle etwas *Übernatürliches* vortäuschen können.
Die Vierereinteilung stammt von WIKIPEDIA, daher fühle ich mich nicht dafür verantwortlich, ich habe sie als neutrales Beispiel dafür genannt, dass es mehrere Ansätze der Beschreibung von Zufällen gibt - die letztlich, darauf weisen Sie ja zu Recht hin, immer nur Näherungen, nie endgültige Beschreibung sein können. Zumal es wohl unbestritten ist, dass selbst unter dem gleichen (sprachlichen) Begriff jeder Mensch etwas total anderes assoziieren kann.
*edit*
Hier halte ich eher 1. und 2. für gleiche Aussagen
Mein Ziel war es, die Verwirrung ein wenig zu zerstreuen, die in dem (diesem Artikel zugrunde liegenden) zitierten Absatz aufgebaut wurde um eine Unterscheidung zu treffen die es gar nicht gibt. Da sehe ich - u.a. auch nach Lektüre von (ideologischen) Grundsatzschriften in der Philosophie - immer wieder diese verschachtelten Endlossätze, teilweise über einen gesamten Absatz, deren Sinnzusammenhang man erst durch mehrfaches Lesen und auseinandernehmen in Teilsätze überhaupt erfassen kann:
Um dann festzustellen, dass der komplette 'Erguss' auch zerlegt keinen Sinn ergibt.
{Wie unschwer zu erkennen sein wird stehe ich mit solchen Geschwafel auf Kriegsfuß.}
Referenzdimensionen
Da schien es mir bis heute so, dass doch *Musterstücke* vorhanden sind, auf die man sich weltweit geeinigt hat und die als Grundlage für jedwede Messung auf diesem Planeten benutzt werden. Deswegen verstehe ich hier ihren Einwand nicht - es geht um 'Grundeinheiten', an denen kein Zweifel besteht - ?
Mein Einwand ist nicht wirklich einer. Es ging nur um Folgendes: um Einheiten vergleichbar zu machen, musste es eine absolute Referenz geben, z.B. das Urkilogramm oder das Urmeter, Platin-Iridium. Warum Platin-Iridium? Mit der geeigneten Legierung konnte der thermische Einfluss minimiert werden.
Jetzt hat man den Referenzmaßstab auf das Vielfache einer Wellenlänge geändert, von der man annimmt, dass sie eine Naturkonstante ist. (Ich bezweifle das nicht, aber es sind schon Hausherren gestorben, wie man in Wien zu sagen pflegt.)
Die Genauigkeit ist jetzt eine größere. Aber ob nicht in hundert Jahren vielleicht neue Referenzmaßstäbe eingeführt werden, kann man nicht ausschließen.
Es sieht so aus, dass die Wissenschaft momentan nicht revolutioniert sondern nur verfeinert.
Einzig im Bereich der Quantenmechanik gibt es wohl Überraschungen/neue Befunde.
Ansonsten haben Sie es richtig eingeschätzt: Kurzfristig nicht viel zu erwarten.