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[Frei übersetzt: Genieße das Leben - es hat ein Verfallsdatum.] |
"Sechzig Jahre und kein bißchen weise, aus gehabtem Schaden nichts gelernt. Sechzig Jahre auf dem Weg zum Greise und doch sechzig Jahr' davon entfernt. [ Songtext/Curd Jurgens |
Am Sonnabend waren meine Frau & ich mit einem befreundeten Paar bei einer Musikveranstaltung. Die avisierte Band sollte bekannte Songs aus den Sechzigern & Siebzigern zu Gehör bringen. Eine korrekte Beschreibung, wie sich später herausstellte.
Wir waren eine Stunde vor dem Beginn laut Flyer dort. "Alle Plätze besetzt, draußen [7°C] sind aber noch Tische frei", ließ uns der herbeieilende Kellner wissen. Er habe aber Decken. Das war die Rettung, denn die Damen hätten sich ohne nicht zum 'draußen sitzen' bewegen lassen.
Um die Musiker hatte sich schon vor Beginn der Darbietung eine Gruppe von jüngeren Leuten geschart, so etwa zwischen 30 und 40. Die gleich nach den ersten Stücken durch Applaus & Zurufe erkennen ließen, dass die Musik nach ihrem Geschmack war.
Der Kellner kam mit den Getränken, zweite Runde, und bemerkte nebenbei es seien nun drinnen doch noch Plätze frei geworden. Woraufhin sich die Frauen flugs aufmachten die zu 'besetzen', denn trotz der Decken war es lausig kalt.
Wir blieben noch ein paar Minuten vor der weit geöffneten Doppeltür, als Raucher in gehörigem Abstand, aus Rücksicht und weil es immer militante Nichtraucher gibt die schon vom Anblick einer Zigarette Lungenkrebs bekommen.
Neben uns standen zwei junge Frauen die ab und an verstohlen zu uns her schauten. Schließlich sagte eine der Beiden "Sind sie wegen der Musik hier ...? " und es war ihr anzusehen, dass sie es aus echtem Erstaunen fragte - denn unser Alter ist uns durchaus anzusehen.
"Genau! Und wir haben noch die Musiker live erlebt von denen die Musik stammt die gerade gespielt wird. Deswegen sind wir hier."
Der Gesichtsausdruck sprach Bände und sie war so perplex, dass sie eine Antwort schuldig blieb. Ü70 und Musik aus der Zeit zwischen 1960 und 1980? Einer Zeit also, zu der die meisten Anwesenden noch nicht einmal geboren waren? Irgendwie unpassend - das spiegelte sich in ihrem Blick wider.
Während bei den Dreißigjährigen das Alter erst noch kommt, viele sich nicht einmal Gedanken dazu machen, bin ich bereits alt - mindestens aus deren Perspektive. All die Überlegungen zum "Alter" - die bei Vierzig- und Fünfzigjährigen bestimmt sporadisch angestellt werden - liegen weit hinter mir. Und noch weit vor diesen jungen Frauen. So sehr erwachsen sie sich fühlen mögen.
Wenn ich in den Spiegel sehe ist mir mein Alter bewußt, ansonsten kaum. Von den Einschränkungen der Kraft, der Ausdauer und den nötigen, länger werdenden Ruhepausen einmal abgesehen. Was ich mit 20, 40 und sogar noch 60 spielend erledigen konnte überlasse ich manchmal lieber einem Handwerker, weil ich es zwar theoretisch beherrsche - praktisch aber nicht mehr schaffen kann. Mit Bauchgrummeln, Sie werden das kennen, weil viele Arbeiten sehr unterschiedlich erledigt werden können und nicht immer mit der 'besten' Lösung zu rechnen ist. Präzision und Sorgfalt scheinen im Handwerk außer Mode zu kommen.
Weil ich lange im Ausland war und nicht in Deutschland gefahren bin ist mir aufgefallen wie sehr sich der Verkehr auf den Autobahnen verlangsamt hat. Während früher die 'Schnellen' kurz hintereinander mit mehr als 200 km/h angebraust kamen beobachtet man sowas nur noch vereinzelt.
Ich habe keine mit Selbstgehäkeltem bezogene Klorolle auf der Ablage, auch keinen Wackeldackel und erst recht keinen Tirolerhut - und trotz der obigen Einsicht fahre ich so, dass es niemanden zur Weißglut treibt. Allerdings weiß ich aus Erfahrung: Wenn ich mich antreiben lasse zahle ich den Strafzettel, nicht der Drängler hinter mir. Je älter ich werde desto klarer steht mir die Endlichkeit (im Bild oben "Verfallsdatum") des Lebens vor Augen. Ein guter Grund das Schicksal nicht herauszufordern und kein unnötiges Risiko einzugehen.
Ansonsten nehme ich keine Rücksicht mehr auf die zarten Gefühle und Empfindlichkeiten der Umwelt, insbesondere sage ich unverblümt was ich denke. Ich weigere mich Sachverhalte zu beschönigen und so Meinungsverschiedenheiten 'elegant' zu umgehen. Es geht mir nicht (mehr) um Harmonie, sondern um Lösungen. Manchen erscheint das grob, ich nenne es effizient. Eine sinnvolle Nutzung der mir verbleibenden Zeit.
Nun verrate ich Ihnen noch ein kleines Geheimnis. Jedes Mal, wenn ich eine Beschriftung auf Lebensmitteln, Etiketten oder Webseiten sehe die kleiner als 6px ausgeführt ist, stelle ich mir die "Schöpfer" solcher Frechheiten gegenüber uns 'Alten' vor:
Zu einer Zeit in der diese Hanswurste (selbst mit einer Sehhilfe!) nicht mehr lesen können was da geschrieben steht.
Ein Beitrag zu "#älterwerden", einer Blogaktion bei Frau Quadratmeter
Siehe hierzu auch:
Leistungszwang vs. Altersleistung
und
Altersbedingte Leistungsminderung