Beim hpd [Humanistischer Pressedienst] wird über eine Befragung von Montagsdemonstranten berichtet. Das ist an sich ein lobenswertes Unterfangen.
Bedauerlich ist allerdings die völlig unkritische Behandlung zweier Teilaspekte:
- Zahl der Befragten und Befragungsdauer
Die Befragungszahlen sind getrennt zu betrachten. Die Anzahl der Befragten ist sicher hinreichend um statistische Notwendigkeiten zu erfüllen. Das trifft keineswegs auf die Zusammenhänge mit der Befragungsdauer zu, die zwischn 3 und 25 Minuten angegeben wurde.
Wie viele der Befragten wurden in drei Minuten befragt, wie viele in 25 Minuten?
Es ist doch durchaus für die Validität wichtig zu wissen ob von den Befragten 80% über 20 Minuten und 20% über 3 Minuten befragt werden konnten - oder umgekehrt.
Zitat: ".. Insgesamt führten die Interviewenden 195 Interviews mit 257 Personen (123 in Chemnitz und 72 in Gera) durch .."
Da stellt sich die nächste Frage:
Sind in den 195 Interviews immer mehrere Meinungen abgefragt worden? Da es ja offenbar mehr Personen als Interviews gab muss das mindestens bei ca. einem Drittel so gewesen sein wenn man von zwei Personen / Befragung ausgeht. Damit sind demografische Daten unerheblich, denn die treffen nur dann wirklich den Kern wenn sie klar einer Person zugeordnet werden können.
- Linksetzung statt Fettdruck
Der Text ist durchsetzt von fett gedruckten Anteilen was offenbar die Bedeutung dieser Stellen hervorheben soll. Es erschließt sich den Lesenden aber nicht, da entsprechende Links, die die Bedeutung unterstützen könnten, komplett fehlen.
Mir kommt es insgesamt betrachtet so vor, als ob nur der Wille da war die Untersuchung zu teilen, nicht jedoch der Wunsch selbst zu den Ergebnissen Stellung zu nehmen. Das, so scheint mir, ist für einen mit "Red." (steht für "Redaktion") gekennzeichneten Artikel zu wenig. Von einem "hpd" sollte eine Bewertung zu erwarten sein, erfolgt ist jedoch lediglich eine Darstellung die sehr nach Abschrift aus einer Pressemitteilung aussieht. Na klar, auch der hpd hat einmal Tage an denen die Informationen spärlicher sind, bei gleichzeitigem Druck den newsletter Abonnenten etwas vorzusetzen. Dann aber so etwas Banales?
Ein Beispiel dafür, wozu die durchschnittlich verständigen Lesenden möglicherweise gern Basisinformationen von der Redaktion wissen möchten um zu entscheiden welche der nachfolgenden Aussagen denn wohl zutreffend sein könnte:
(Zitat) ".. Im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine sind viele Demonstrant:innen der Meinung, dies sei nicht "unser Krieg" und Russland "nicht der Feind". Hingegen sehen sie die USA als "Strippenzieher" .."
Welche Wahrscheinlichkeit und welche Belege gibt es für die eine oder andere Version? Die Demonstranten pauschal als Hitzköpfe, Wahrheitsverweigerer und Verschwörungsgläubige zu bezeichnen und sie dementsprechend zu behandeln führt doch - wie bisher zu sehen ist - zu nichts!
Es muss ein ergebnisoffener (!) Dialog geführt werden, in dem man sich auf Definitionen einigt über die man sprechen will.
Vorallem aber sollte den Diskutanten klar sein, dass es nicht darum geht die Meinungen umzudrehen, sondern auf eine Faktenbasis zurück zu kommen.
Ist unter einem so schwachen Artikel der Redaktion denn die penetrant wiederkehrende Aufforderung via "STEADY" zu spenden angebracht?
Nach diesem Armutszeugnis an redaktionellem Text?
Wohl kaum.
Da hat es schon bessere Artikel gegeben, die für eine Unterstützungsaufforderung hätten werben können.
Nachdem all das weiter oben niedergeschrieben war stellte ich fest:
Es gibt bei der "taz" einen Artikel der auf der gleichen Studie basiert, nur ist der um Vieles besser als das, was beim hpd zu lesen war. Weil er sich nicht aufs 'referieren' beschränkt, sondern hinterfragt und ergänzt. Dazu muss man allerdings Zeit aufwenden und sich am Original orientieren.
Zum Weiterlesen
- Gefährdet schwindendes Vertrauen den gesellschaftlichen Zusammenhalt?
- Gesellschaftspolitische Perspektiven von Protestierenden
- Mir reicht’s Bürger; Eine Analyse der Montagsdemonstrationen in Chemnitz und Gera im Winter 2022/2023
Paulina Fröhlich, Dr. Florian Ranft, Erik Vollmann Veröffentlicht am 1. März 2023
*update* [04.03.2023; 10:10h]
Eine weitere Stellungnahme und Bewertung der Studie findet sich bei den "Nachdenkseiten", dazu ein kurzer Textauszug:
".. Darf die deutsche Bevölkerung kein eigenes Interesse haben? Muss sie ihr Interesse dem der ukrainischen Bevölkerung unterordnen? Ein Franzose würde ganz selbstverständlich sagen: Natürlich geht es für uns zuerst um Frankreich. Warum auch nicht? Wie soll man fremde Interessen achten, wenn man nicht mal die eigenen achten darf? .. Diese Studie ist wohl eher wenig Wissenschaft, dafür aber um so mehr Klassenkampf von oben .."