Ist Ihnen, liebe Leser, auch schon aufgefallen wie hierzulande über den britischen Oppositionsführer Jeremy Corbyn berichtet wird? Oder über den US-Politker Senator Bernie Sanders? Oder - um im Inland zu bleiben - über die Politik und Programmatik die "Die Linke" vorschlägt?
Wenig bis gar nicht - und wenn doch, dann immer mit Seitenhieben wie "sozialistische Grundhaltung", "proto-marxistisches Programm" oder "Unerfahrenheit in Sicherheitsfragen" und gar "Terroristensympathisant".
Es sind diese scheinbar nebensächlichen Attribute, diese beschreibenden Adjektive, die den Zuhörern suggestiv mitteilen sollen: Ein solcher Politiker taugt nicht für eine Spitzenrolle, als Premier, als international anerkannter Gesprächspartner. Wenn das noch nicht genügt werden noch ein paar »Jugendsünden« hervorgekramt und es wird unterstellt sowas sei nicht "regierungsfähig".
All das kommt uns doch sehr bekannt vor, es wird in gleicher Weise in vielen Ländern rund um den Globus gehandhabt. Gelobt werden eher rechts und konservativ stehende Kräfte, beschrieben als "bürgerliche Mitte". Das sind jene Politiker, die ihre Seele - und gegebenenfalls ihre Großmutter - für einen bequemen Posten an Großspender verkaufen [in U.S.A. euphemistisch schon mal als "special interest" bezeichnet]. Was früher "Korruption" genannt wurde heißt heute vornehm umschreibend "Networking" und ist gesellschaftsfähig geworden.
Verteufelt werden all Jene, die von der Story abzuweichen wagen die der derzeitigen Regierungsmeinung und -einschätzung entspricht. "Anti-Establishment" wird zum Schimpfwort, und (fast) kein Journalist aus den großen Medien wagt sich eine gegenteilige Einschätzung öffentlich zu verlauten.
Wer sich dennoch getraut eine alternative Betrachtung zu berichten muß schon eine starke Hausmacht im Hintergrund haben - oder eben keine Angst vor Verlust der bequemen Position: Das sind nicht viele Politiker oder Journalisten, weder bei uns noch in den U.S.A. oder Großbritannien.
Überlegen Sie doch mal was in den letzten Monaten und Jahren so passiert ist und was davon hier bei uns wahrgenommen werden konnte - es sei denn, man informiert sich aus Internetquellen und nicht nur aus den 20:00h-Nachrichten & Tageszeitungen .... viel interessanter ist nämlich das was in den Nachrichten nicht berichtet wird, woran die Bevölkerung nicht denken soll, was angeblich nebensächlich oder vernachlässigbar ist.
Es geht auch anders - und deswegen ist es den »Etablierten« so wichtig das tot zu schweigen:
" .. Unlike most of the leaders of major Western political parties, Jeremy Corbyn chose to be honest rather than treating citizens like children, and to the surprise of many he gained support. In the end, his party picked up 32 seats and a larger “government in waiting” role in a hung parliament .. " [Quelle]
treating citizens like children - genau das ist es, was zum Beispiel jene Politiker machen die behaupten die Bürger wüßten nichts mit dem Instrument der "Volksabstimmung" anzufangen. Es verschleiert nur unzureichen ihre Angst vor den Wählern, denn dann könnten sie ihre Fäden noch so fein spinnen, und die würden von Fall zu Fall durch den Wählerwillen zerrissen. Vorbei wäre es mit der bisherigen behäbigen Ruhe in dem Intervall zwischen den Wahlen ....
Ist es nicht Sache der Politik in einer Demokratie / einem Rechtsstaat den Inhalt eines zur Volksabstimmung stehenden Sachverhaltes allgemein verständlich zu präsentieren und erst dann abstimmen zu lassen?
Die Schweiz hat - und da bemühe ich wieder die von mir so geliebte Standardabweichungskurve - nicht mehr oder weniger Schlaue und Dumme als wir, und dort klappt es ganz gut mit solchen Abstimmungen.
Ganz nebenbei bezweifle ich, dass unsere »Volksvertreter« immer die Weisheit besitzen solche komplexen Vorgänge um die es bei Volksabstimmungen oft (wenn auch vereinfacht auf dem Stimmzettel vermerkt) geht, BESSER zu entscheiden als der/die durchschnittliche Michel/Micheline.
Politikverdrossenheit fängt genau da an wo sich Wähler nicht ernst genommen fühlen. Wenn es den Politikern wirklich ernst mit einer Bürgerbeteiligung wäre hätten sie doch in der Vergangenheit schon reichlich Gelegenheit gehabt das zu fördern. Weil es nicht passiert ist glaube ich es nicht mehr .... wenn es auch vor Wahlen immer mal wieder behauptet wird.
Ehrlichkeit ist für die Masse unserer Poltiker ein Fremdwort.
Oder haben Sie einen einzigen Volksvertreter [außer bei "Die Linke"] sagen hören, dass jene Länder am härtesten mit Terrorismus zu kämpfen haben die in Koalition mit den U.S.A. ausgezogen sind dieses Übel auszurotten?
Corbyn hat gesagt " .. Britain’s militarist foreign policy and intervention in Middle East conflicts .. " sei ein wesentlicher Faktor dafür sich als »Ziel« von Terrorismus zu positionieren.
Recht hat er.
Immer mehr Überwachung, Schnüffelei, Reduzierung der Bürgerrechte soll ja angeblich mehr Sicherheit bringen - wann kommt bei uns ein Politiker der mit dieser wahnwitzigen Lüge aufräumt?
Mir kommt es vorrangig darauf an einmal festzuhalten, dass ein Politiker mit "Wahrheit" Zugewinn hatte - und diese Wahrheit lautet "Der Westen (alle an den Konflkten z.B. des nahen Ostens Beteiligten, sei es direkt durch Soldaten oder indirekt durch Material / Logistik) ist selbst daran schuld wenn durch seine Handlungen Terroristen geschaffen werden weil oft die eigenen Grundsätze nicht erfüllt sind, die jeder angeblich bei sich erfüllt sehen will."
Der Preisträger des Aachener Walter-Hasenclever-Literaturpreises [2018], der östereichische Schriftsteller und Essayist Robert Menasse, hat am 25. November vor den Zuhörenden der europäischen Politik die Leviten gelesen:
" .. Das Preisschild unserer Werte war in den Zeitungen unlängst veröffentlicht: 5,73 Milliarden Euro! Das ist der Preis, für den wir unsere Werte verkauft haben. Das ist die Summe, die Saudi-Arabien für Waffenlieferungen aus Europa bezahlt. Die europäischen Staaten verkauften um diesen Preis damit nicht bloß „Waren“, sie verkauften damit auch die Werte, die die Grundlage des Europäischen Friedens- und Einigungsprojekts sind. Das ist doch der große historische Fortschritt gewesen: dass Europa in Gestalt der EU der erste und einzige Kontinent ist, der die Menschenrechtscharta zu seiner Verfassungsgrundlage gemacht hat .. "
Schauen wir abschließend noch einmal nach Frankreich, da feiert die Rhetorik Triumphe: Der (nicht mehr ganz so) neue französische Präsident Macron ist dazu da die Arbeiterrechte zu schrumpfen und den Profit der Superreichen zu mehren (siehe Steuerreform, die die Gelbwesten auf die Straßen brachte!). Man könnte ihn mit unserem unseligen Schröder vergleichen. Das ganze Ausmaß dessen, was Macron vor hat, werden die Franzosen erst merken wenn es kein Zurück mehr gibt, auch so wie bei uns, wo Alle dachten 'da kommt der Messias ...!'
Schneller als hierzulande haben sie bisher immer gehandelt, das zeigen die jüngsten Proteste - und wie wenig sie dort ihren Politikern noch trauen wird dadurch deutlich, dass die Franzosen nicht sofort alle Proteste abgeblasen haben als ihr Präsident Gesprächsbereitschaft signalisierte, sondern wachsam und abwartend sind.