bookmark_borderDie Folgen (I)

Stel­len Sie sich einen schön ange­leg­ten Park vor, klein, aber ein­la­dend. Dahin­ter ein impo­san­tes Stadt­schloss. Jetzt Sitz der Kom­mu­nal­be­hör­den. Da ste­hen sta­bi­le Bän­ke unter gro­ßen, alten Bäu­men, meist Kasta­ni­en.- Die sieht man heu­te immer sel­te­ner obwohl sie doch bei Son­ne Schat­ten auf die Bän­ke wer­fen und so zum Ver­wei­len einladen.

Auf zwei Bän­ken mit etwa vier Meter Abstand sit­zen zwei alte Damen, neben den Bän­ken ste­hen ihre Rol­la­to­ren, sie sit­zen so, dass sie sich sehen kön­nen und unter­hal­ten sich mit erho­be­ner Stim­me, die von den Schloss­wän­den wider­hallt, über ihre Erfah­run­gen mit Covid-19, Coro­na, und .... den Tod von Mitbewohnern.

1. Senio­rin
"Die Frau Zie­sel ist vor­ge­stern gestorben!"

2. Senio­rin
"Die kann­te ich kaum, hat auf dem zwei­ten Flur gewohnt."

1. Senio­rin
"Ich traf sie immer beim Früh­stück, die war noch frü­her auf."

2. Senio­rin
"Ich ess' ja sel­ten Frühstück."
Pause
"Die Frau Fried­rich hab' ich auch lang nicht mehr gesehen."

1. Senio­rin
"Ach, wis­sen Sie das nicht, die ist schon vor vier Wochen gestorben.
Noch vor dem Herrn Wil­helm, mein Gott, wie die Zeit vergeht!"

2. Senio­rin
"So, der Wil­helm ist auch schon tot.
Scha­de, der hat mich immer zum Ein­kau­fen mit­ge­nom­men - und zum Doktor.
Ich hab' mich gewun­dert war­um er in letz­ter Zeit nicht mehr kam."

1. Senio­rin
"Zum Dok­tor müss­te ich bald 'mal wie­der, war schon zwei Wochen nicht da."

2. Senio­rin ....

Den Rest der Kon­ver­sa­ti­on schen­ke ich mir und füge nur ein paar klei­ne Anmer­kun­gen hinzu:
A. Wenn das so wei­ter geht müs­sen bald vie­le Arzt­pra­xen dicht machen weil ihnen die 'betag­ten Pati­en­ten' wegbleiben,
B. Die Alten neh­men den Tod ande­rer Bewoh­ner nicht so tra­gisch wie man­che hyste­ri­schen Berichterstatter.
C. Da bin ich nun siche­rer als je zuvor, dass ich nie frei­wil­lig in "betreu­tes Woh­nen" ein­zie­hen werde.