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Als ich 1970 an der Hannover'schen ('kleinen') Mensa einer Kommilitonin die Türe öffnete um sie zuerst reingehen zu lassen zischte sie mich an: "Elitärer Scheißer!"
Mir wurde da bewußt, dass sich durch die '68er Studentenbewegung - noch in vollem Gange - etwas verändert hatte und weiter veränderte. Nicht in allen Aspekten zum Besseren, soviel steht heute im Rückblick fest.
Glücklicherweise und gut für mich, der ich mich an die neuen, 'repressionsfreien' Umgangsformen nicht so recht gewöhnen konnte, war der Umstand, dass es unter den Kommilitoninnen und den anderen Frauen gleichen Alters noch genug 'Andersdenkende' gab. Solche, die eine höfliche Geste nicht sofort mit revolutionärer Inbrunst zu meinen Ungunsten als Unterdrückungsversuch dem weiblichen Geschlecht gegenüber beurteilten - ich war nicht völlig "out" wie es heute heißen würde, nicht sozial isoliert & geächtet, nicht komplett verloren und zu ewigem Alleinsein verdammt ....
Heute sind die vormaligen Revolutionäre - mit wenigen Ausnahmen und egal ob Männlein oder Weiblein - nach ihrem Marsch durch die Institutionen sozial angepaßt und als Pensionäre wohl bestallt:
Sie haben irgendwann ihre Ideale verloren, verraten und verkauft gegen das, was hierzulande als "bürgerliches Leben" und normal angepriesen wird. Zurückgeblieben ist aus der Zeit eine Horde Kinder denen in den frühen Jahren eine ordentliche Erziehung verweigert wurde und die deswegen zu Menschenfeinden wurden - stets darauf bedacht sich selbst den größtmöglichen Vorteil zu verschaffen und sich mit Ellenbogen und dem Motto "Ich, ich und nochmal ich!" durch die Zeit bewegen.
Die Ironie liegt darin, dass es genau diese Kinder der sich emanzipierenden 68er Generation sind, die nun die damaligen Ideale ins Gegenteil verkehrt haben. Eine Generation von Egoisten, die sich ob der Abwendung von dem, woran ihre Eltern glaubten, zu elitären Tyrannen entwickelt haben die dem Geld nachlaufen und sich darüber definieren:
Nicht die Revolution frißt ihre Kinder, sondern die Kinder der Revolutionäre veränderten bereits und verändern immer noch die Revolution zu einem neoliberalen Moloch, der die verschlingt, die nicht als "Élite" geboren sind. Geist zählt nicht mehr, Bildung ist überflüssig, gesellschaftliches Engagement wird verlacht, dem Mittelmaß gehört die Stunde.
Als neue Élite verstehen sich Jene, die ein Computerprogramm zu schreiben verstehen - in Masse nicht die Besten im Lande, denn sowas ist 'Handwerk', es besteht aus Wiederholung und Routinen. Mechanistisch, ohne nach Transfer oder Assoziationsvermögen, schon erst Recht nicht nach Phantasie oder Intuition verlangend. OK, es gibt auch da Ausnahmen, allerdings hält sich deren Zahl in Grenzen.
Die 'Freaks', die früher in abgedunkelten Räumen saßen und Pizza als Hauptnahrung ansahen, sind den technisierten Mobiltelefonträgern gewichen, die sich RFID-Chips implantieren lassen weil man dann die Haustüre elektronisch öffnen kann. Ein zweifelhafter Nutzen, wenn man die Folgen für die Gesellschaft bedenkt. Die meinen durch ihre Aktivitäten die Welt ändern zu müssen - eine Welt, vor der sie nicht mehr staunend wie kleine Kinder stehen, sondern die sie sich um jeden Preis per "App" verfügbar machen wollen. Koste es was es wolle.
Da lob' ich mit die früheren Eliten, bei all den Mängeln die es gab. Die wußten wenigstens noch eine Oper von einem Musical zu unterscheiden und hielten Neo für eine Vorsilbe und nicht den Namen einer Person oder eines Fisches ....
[Erstveröffentlichung: 05. Aug 2014 um 11:00]