bookmark_borderFlucht vor Gemeinsamkeit

In den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren habe ich mir oft die Fra­ge gestellt, wie­so sich Ehe­paa­re / Lebens­ge­mein­schaf­ten auf den Weg machen und für vie­le Mona­te fern ihrer 'Hei­mat' mit Wohn­wa­gen oder Wohn­mo­bil unter­wegs sind.

Natür­lich kommt da zuerst der Gedanke:

  • "Die sind Rent­ner und haben Zeit!", 
  • dann folgt 

  • "Die wol­len die Son­ne genie­ßen und der Käl­te entfliehen!", 
  • oder es könn­te der Gedan­ke sein 

  • "Die sind fit und aktiv und wol­len nicht zu Hau­se ver­sau­ern und Enkel hüten!" 

Das mag - jedes Argu­ment für sich oder kumu­liert - zutref­fend sein, ist aber nicht allein ausschlaggebend.

Sieht man genau­er hin kom­men wei­te­re Moti­ve hin­zu, die sich aus der ver­än­der­ten Lebens­si­tua­ti­on im Alter, mit errei­chen des Ren­ten­al­ters ergeben:
Wäh­rend in der Zeit davor das gemein­sa­me Leben sich auf Aben­de, Wochen­en­den und Urlau­be kon­zen­trier­te ist jetzt Zeit und Gemein­sam­keit im Über­fluß vor­han­den. Die Paa­re haben nach Jah­ren getrenn­ter Tages­ab­läu­fe plötz­lich sehr viel Zeit mit­ein­an­der zu ver­brin­gen - und da gehen Vie­len schon nach weni­gen Mona­ten die Gesprächs­the­men aus. Die Gemein­sam­kei­ten sind unzu­rei­chend, die Über­ein­stim­mung sinkt, die Dif­fe­ren­zen in Den­ken und Han­deln tre­ten her­vor und wer­den zuneh­mend zur Last. Streit ist vor­pro­gram­miert und bestimmt immer häu­fi­ger das Leben. Man geht sich 'auf die Ner­ven' und weiß nichts mit sich und dem Part­ner anzufangen.

Dem mit Wohn­wa­gen oder Wohn­mo­bil zu ent­flie­hen ist eine der mög­li­chen Lösun­gen und die zuneh­men­den Zah­len der Wohn­mo­bil- und Wohn­wa­gen­be­sit­zer spricht eine ein­deu­ti­ge Sprache:
Wenn man so reist sind tag­täg­lich viel­fäl­ti­ge Auf­ga­ben zu bewäl­ti­gen. Die Beschäf­ti­gung mit­ein­an­der redu­ziert sich, es wird 'funk­tio­niert' und 'erle­digt' und 'mit Drit­ten' kom­mu­ni­ziert, 'Aktio­nis­mus' beherrscht das Leben, über­tüncht die inter­nen Span­nun­gen. Die 'Ablen­kung' ver­stärkt sich durch die räum­li­che Nähe zu ande­ren Per­so­nen im Umfeld, denn auf den Cam­ping­plät­zen und Wohn­mo­bil­stell­plät­zen geht es eng zu, da dreht man sich um und hat schon einen neu­en Ansprech­part­ner. Die Beschäf­ti­gung mit Frem­den nimmt mehr Raum ein als die Beschäf­ti­gung mit­ein­an­der, das inter­ne Kon­flikt­po­ten­ti­al sinkt.

Die ganz oben genann­ten Bedin­gun­gen für die Flucht in den Süden stel­len genau­ge­nom­men nur einen klei­nen Teil der tat­säch­li­chen Moti­va­ti­on dar. In Wahr­heit - und das wol­len die mei­sten Betrof­fe­nen natür­lich nicht wahr­ha­ben, schon erst recht nicht zuge­ben - ist es eine Flucht vor dem gegen­sei­ti­gen Anöden, der Unfä­hig­keit sich nütz­lich zu beschäf­ti­gen, der man­geln­den Dia­log­fä­hig­keit und der Angst vor Aus­ein­an­der­set­zun­gen mit dem Partner. 

Das fröh­li­che Cam­per­le­ben ist dem­nach eine dün­ne Fas­sa­de. Sie ermög­licht Vie­len 'klei­ne Fluch­ten' aus dem All­tag, bie­tet Ori­en­tie­rung weg vom Part­ner hin zu einer - ver­meint­lich - "gro­ßen Fami­lie von Cam­pern". Gemein­sa­me Akti­vi­tä­ten in der Grup­pe: Rad­tou­ren, Gril­len, Auf- und Abbau, zusam­men Fuß­ball anse­hen und dabei Bier trin­ken, usw. - das füllt die Zeit und gibt Gele­gen­heit Bemer­kun­gen über Ande­re, als "Scherz" oder "Flach­se­rei" getarnt, unter­zu­brin­gen. Auf Dau­er wird aber auch bei die­ser Lebens­ge­stal­tung die Kon­flikt­ver­mei­dung nur bedigt gelin­gen - was an Streit mit dem Part­ner ver­mie­den wird bahnt dem Kon­flikt mit Frem­den den Weg .... und dem wie­der­um begeg­nen die Wohn­mo­bi­li­sten durch ste­ten Orts­wech­sel. Ich wage also die The­se, daß beson­ders die­se Lang­zeit­ur­lau­ber a-sozia­le Men­schen sind, die sich für kur­ze Zeit 'ver­stel­len' kön­nen und sozi­al inter­agie­ren, deren wah­re Natur aber schnell zum Aus­druck kommt, wenn sie für län­ge­re Zeit mit den glei­chen Men­schen umge­hen müssen.

Schaut man sich unter die­ser Annah­me die Zah­len an - Deut­sche sind unter den Wohn­mo­bi­li­sten die größ­te Grup­pe - so ent­steht das Fazit:
Deut­sche Wohn­mo­bi­li­sten* sind meist schlech­te Ehe­part­ner und häu­fig unver­träg­li­che Soziopathen.

* Ich weiß, pau­scha­le Urtei­le sind schlecht. Den­noch trifft das - aus mei­ner Beob­ach­tung - über­wie­gend zu. Es betrifft glei­cher­ma­ßen die Wohn­wa­gen-Lang­zeit­cam­per, und nicht nur die im Süden! 

  1. Die Zahl der Wohn­mo­bi­li­sten hat - gemes­sen an der Zulas­sungs­zah­len - in den letz­ten Jahr­zehn­ten ste­tig zuge­nom­men. ¹
  2. Cam­per mit Wohn­wa­gen, die wäh­rend der käl­te­ren Jah­res­zeit "Dau­er­cam­ping" irgend­wo in süd­li­chen Gefil­den machen wer­den immer zahl­rei­cher. ²,³
  3. Die Nord-Euro­pä­er besit­zen auf Basis der Bevöl­ke­rungs­zahl mehr Wohn­wa­gen & Wohn­mo­bi­le als die Süd­eu­ro­pä­er, Schwe­den hat Hol­land über­holt. ⁴
  4. Die Zahl der zuge­las­se­nen Wohn­wa­gen sta­gniert, bei den Wohn­mo­bi­len gibt es ein sat­tes Plus von annä­hernd 11%. ⁵,

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¹ http://www.kfz-auskunft.de/news/7063.html
² http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=tour_occ_nin2&lang=de
³ http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_OFFPUB/KS-HA-10-001-11/DE/KS-HA-10-001-11-DE.PDF
http://www.autobild.de/artikel/caravan-statistik-in-europa-1001923.html
http://www.civd.de/caravaning/presse/pressemeldungen/2013/14-januar-2013-3/
http://www.civd.de/caravaning/presse/pressemeldungen/2013/14-januar-2013-2/