bookmark_borderWas will uns der ❞Dichter❝ sagen?

Im heu­ti­gen *news­let­ter* von cor­rec­tiv / Wir für NRW / Die wich­tig­sten Geschich­ten aus NRW, den ich bekom­me und des­sen Redak­ti­on ich als Abon­nent mit einer monat­li­chen Zah­lung unter­stüt­ze, ist - wie stets - am Ende die Rubrik "Wuss­test du ..." von der ich die Abbil­dung hier ganz oben rein­ge­setzt habe.

Durch die gel­be Mar­kie­rung und den Pfeil möch­te ich ihr Augen­merk, lie­be Lesen­de, auf die Zei­le len­ken die lautet:
" .. Wuss­test Du, obwohl seit über 56 Jah­ren Tür­ken in Deutsch­land leben, gab es bis heu­te kei­nen ein­zi­gen tür­kisch­stäm­mi­gen Mini­ster in der Bundesregierung .. "

Mei­ne erste Regung war, hier ein­fach zu antworten:
"Na und? Es gab ja auch noch kei­nen ita­lie­nisch~ oder spa­nisch~ oder grie­chisch­stäm­mi­gen Minister ..."

Als Zwei­tes dach­te ich:
"Wie vie­le deutsch­stäm­mi­ge Mini­ster gibt es eigent­lich in der Tür­kei?" - denn es gibt schon eine gro­ße Zahl von in der Tür­kei leben­den Deutschstämmigen.

Mein drit­ter Gedan­ke war:
Da ist es wie­der, die­ses belei­digt-betrof­fe­ne Selbst­mit­leid, das ich schon öfter von tür­kisch­stäm­mi­gen Men­schen gehört habe, völ­lig unre­flek­tiert, und ohne den gering­sten Zwei­fel, dass alles Unge­mach stets die Schuld ande­rer ist und nie selbst verursacht. 

Weder die eine, noch die ande­ren Ant­wor­ten sind hin­rei­chend und ange­mes­sen um sich dem dar­ge­stell­ten Man­gel - so er denn einer ist - zu stel­len und auf Abhil­fe zu sin­nen. In dem gelb mar­kier­ten Satz steckt Spreng­stoff, in meh­rerer­lei Hinsicht.

Sach­lich zer­legt erge­ben sich fol­gen­de Vor­wür­fe:

  1. 1.
    Obwohl Tür­ken so lan­ge schon in Deutsch­land leben sind sie nicht völ­lig inter­griert bzw. sind ausgegrenzt.
  2. 2.
    Die lang­jäh­ri­ge Anwe­sen­heit von tür­kisch­stäm­mi­gen Men­schen hat nicht zu einer adäqua­ten Reprä­sen­ta­ti­on in der Poli­tik der BRD geführt.
  3. 3.
    Zwi­schen den Zei­len steht der Vor­wurf: Man will uns hier nicht haben, wir haben kei­ne Rech­te - weil wir anders sind.

Zu 1.
Vie­le tür­ki­sche Män­ner und Frau­en kamen & kom­men hier­her ohne je die Lan­des­spra­che gelernt zu haben oder spä­ter zu ler­nen. Daher besteht ein Man­gel an öffent­li­cher Sicht­bar­keit und Inter­ak­ti­on mit Ein­hei­mi­schen, die zwangs­wei­se Selbst-Abschot­tung gegen­über dem All­tags­le­ben in Deutsch­land. Betrof­fen sind vor allem Frau­en und Mäd­chen. Die kon­ser­va­ti­ve Reli­gi­ons­aus­übung und Grund­ein­stel­lung einer män­ner­do­mi­nier­ten Gesell­schaft ver­hin­dern mas­siv eine Annä­he­rung an die Gepflo­gen­hei­ten im Lande. 

Dadurch sind ca. 50% der tür­kisch­stämm­gen Men­schen - eben Frau­en und Mäd­chen - nicht aus­rei­chend integriert.
Dafür sind die Zuge­wan­der­ten selbst ver­ant­wort­lich, nicht das Gast­land. Sofern es sich um bereits hier gebo­re­ne Per­so­nen han­delt gilt dies um so mehr, wenn alte Gepflo­gen­hei­ten aus der Tür­kei nicht modi­fi­ziert oder abge­legt werden.

Sich gegen­über der Gesell­schaft des Gast­lan­des abzu­schot­ten und Kon­tak­te zu ver­mei­den, gar zu unter­bin­den, wird nicht zu erfolg­rei­cher Inte­gra­ti­on füh­ren. Wie allent­hal­ben zu beob­ach­ten ist. 

Hier müs­sen sich die Tür­ken selbst fra­gen was die­sen Zustand ändern könnte. 

Zu 2.
Poli­ti­sche Ämter wer­den nicht nach Natio­na­li­tät zuge­wie­sen, obwohl es da natür­lich in man­chen Lebens­be­rei­chen Quo­ten­re­ge­lun­gen gibt, etwa die Reprä­sen­tanz von Dänen in Schles­wig-Hol­stein oder Son­der­rech­te der Sor­ben aus dem Spreewald.

Ganz all­ge­mein gilt für die Politik:
Wer sich enga­gie­ren will muß das mit­tels einer Par­tei­mit­glied­schaft tun, durch Enga­ge­ment und Kom­pe­tenz in die Rän­ge auf­stei­gen, und schließ­lich aus der Mit­te der Par­tei­ta­ge auf dor­ti­gen Vor­schlag mit einem Mini­ster­amt betraut werden.

Auch hier gilt, dass es in der eige­nen Ver­ant­wor­tung der tür­kisch­stäm­mi­gen Per­so­nen liegt, sich den Anstren­gun­gen einer sol­chen Aus­wahl zu unter­wer­fen und den Weg nach oben so anzu­stre­ben - nie­mand wird für ein Mini­ster­amt des­we­gen aus­ge­wählt, weil er eine bestimm­te Natio­na­li­tät hat. Deut­scher (von Geburt) zu sein bedeu­tet mit­hin kei­nen Vor­teil für die Bewer­bung um ein sol­ches Amt im Staate.

Zu 3.
Eini­ge Gedan­ken dazu, wer für was ver­ant­wort­lich ist:
Es kann doch nicht von einer Mehr­heit ver­langt wer­den, sich hier etwa einer Min­der­heit anzu­pas­sen. Inte­gra­ti­on bedeu­tet, sich den Gepflo­gen­hei­ten des Lan­des anzu­pas­sen in das man ein­wan­dert. Es bedeu­tet, die Sit­ten und Gebräu­che min­de­stens zu ken­nen und die eige­nen Sit­ten und Gebräu­che dann zu ändern, wenn sie mit den gesetz­li­chen (recht­li­chen) und gesell­schaft­li­chen Regeln des Gast­lan­des nicht ver­ein­bar sind.

Wenn man das nicht will muß man bes­ser in sein Hei­mat­land zurück­keh­ren, auch wenn man hier in Deutsch­land gebo­ren wur­de. Da hilft es nicht sich etwas "anders" zu wün­schen, soviel Rea­li­täts­sinn soll­te schon vor­han­den sein.

Es gibt noch einen - völ­lig neu­tra­len, da mathe­ma­ti­schen - Grund für die 'man­gel­haf­te Repräsentation':
Bei einer Gesamt­be­völ­ke­rung von ca. 82 Mil­lio­nen Men­schen machen die Tür­kisch­stäm­mi­gen, die wähl­bar sind, groß­zü­gig gerech­net ca. 2,8 Mil­lio­nen aus. Das sind 3,4% der Gesamtbevölkerung.
Das Kabi­nett Mer­kel hat 15 Mini­ster, 3,4% davon sind ca. 0,5 Personen.
Das bedeu­tet: Eine eth­ni­sche Min­der­heit wäre erst dann (statistisch/mathematisch) unter­re­prä­sen­tiert wenn sie min­de­stens einen Anteil von 7% der Bevöl­ke­rung hät­te und doch kei­nen Mini­ster stellte.

PS
Ich habe jetzt kei­ne Recher­che ange­stellt ob der Vor­wurf stimmt, dass es kei­ne tür­kisch­stämm­gen Mini­ster gibt, ich erin­ne­re mich aller­dings von einer Inte­gra­ti­ons­mi­ni­ste­rin in einem Bun­des­land gele­sen zu haben, konn­te aller­dings bei mei­ner Suche nichts fin­den. Soll­ten Sie, lie­be Lesen­de, dazu Infor­ma­ti­onn haben bit­te ich um Mit­tei­lung in den Kommentaren.