bookmark_border§ 219

Wie Vie­les in unse­rer Repu­blik ist selbst die Gesetz­ge­bung rund um Schwan­ger­schaft und Abtrei­bung nicht auf ratio­na­ler Ebe­ne gestal­tet, son­dern zwingt der Bevöl­ke­rungs­mehr­heit die Nor­men einer Min­der­heit auf. Die­se Min­der­heits­vor­stel­lun­gen sind dahin­ge­hend miss­ge­lei­tet, als sie die wis­sen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se bei­sei­te schie­ben und eige­ne Begriff­lich­kei­ten wäh­len, die ihre Sicht schon durch die Wort­wahl ver­deut­li­chen. Sach­ver­hal­te wer­den dem­nach min­de­stens mit­tels Vor­ein­ge­nom­men­heit in der Sprach­wahl ver­zer­rend dar­ge­stellt. So, dass die Wahl einer Abtrei­bung nega­tiv, der Erhalt der Schwan­ger­schaft posi­tiv erscheint.

Zu der oft schwie­ri­gen Lebens­si­tua­ti­on der Schwan­ge­ren wird durch die­sen Bera­tungs­zwang - der laut Gesetz das Ziel haben soll kei­nen Abbruch zu wäh­len - kommt nun noch ein gewich­ti­ger mora­li­scher Zwang hin­zu. Zwar sol­len die Mög­lich­kei­ten nach der Geburt dar­ge­stellt wer­den die - ver­meint­lich, sel­ten tat­säch­lich - eine Hil­fe für die wer­den­de Mut­ter sein könn­ten, wobei völ­lig ver­kannt wird, dass es genü­gend Hin­wei­se gibt, wie spä­ter die Pro­ble­me, die eine Frau zum Gedan­ken an Abbruch geführt haben, trotz aller Zusi­che­run­gen erbeut auf­tau­chen. Nun noch ver­stärkt und erschwe­rend bestimmt durch die Ver­sor­gung des Kindes. 

Was sagt das Gesetz?
Straf­ge­setz­buch (StGB) § 219 Bera­tung der Schwan­ge­ren in einer Not- und Konfliktlage
(1) Die Bera­tung dient dem Schutz des unge­bo­re­nen Lebens. Sie hat sich von dem Bemü­hen lei­ten zu las­sen, die Frau zur Fort­set­zung der Schwan­ger­schaft zu ermu­ti­gen und ihr Per­spek­ti­ven für ein Leben mit dem Kind zu eröff­nen; sie soll ihr hel­fen, eine ver­ant­wort­li­che und gewis­sen­haf­te Ent­schei­dung zu tref­fen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Unge­bo­re­ne in jedem Sta­di­um der Schwan­ger­schaft auch ihr gegen­über ein eige­nes Recht auf Leben hat und daß des­halb nach der Rechts­ord­nung ein Schwan­ger­schafts­ab­bruch nur in Aus­nah­me­si­tua­tio­nen in Betracht kom­men kann, wenn der Frau durch das Aus­tra­gen des Kin­des eine Bela­stung erwächst, die so schwer und außer­ge­wöhn­lich ist, daß sie die zumut­ba­re Opfer­gren­ze über­steigt. Die Bera­tung soll durch Rat und Hil­fe dazu bei­tra­gen, die in Zusam­men­hang mit der Schwan­ger­schaft bestehen­de Kon­flikt­la­ge zu bewäl­ti­gen und einer Not­la­ge abzu­hel­fen. Das Nähe­re regelt das Schwangerschaftskonfliktgesetz.

Hier soll der her­vor­ge­ho­be­ne Satz, zen­tra­le Idee des Para­gra­phen, etwas genau­er unter die Lupe genom­men wer­den. Aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht ist es - um das gleich ein­lei­tend anzu­mer­ken - eine Dar­stel­lung, die durch Fak­ten nicht gestützt ist. Es muss dem­nach davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Art der Fest­le­gung ent­we­der aus Unwis­sen­heit oder mit vol­ler Absicht so gewählt wur­de um Frau­en, die sich mit der Absicht eines Abbruchs an die Bera­tungs­stel­len wen­den, noch vor dem Gespräch als Rechts­bre­che­rin­nen und Kinds­tö­te­rin­nen zu verunglimpfen.

Aus der bis­he­ri­gen Dis­kus­si­on in den Medi­en ist deut­lich gewor­den, dass es vor allem kirch­li­che Krei­se, dar­un­ter vor­ran­gig katho­li­sche Offi­zi­el­le sind, die sich gegen jede Form der Rege­lung für eine straf­freie und selbst­be­stimm­te Rechts­norm der Abtrei­bung stellen.

Es ste­hen sich zwei Frak­tio­nen gegenüber:
Die Abtrei­bungs­geg­ner, auch Pro-Life (Für das Leben) genannt, und die Abtrei­bungs­be­für­wor­ter, mit der Bezeich­nung Pro-Choice (Für die freie Wahl der Mutter).
Nach den Ver­ständ­nis der Extre­mi­sten von Pro-Life wer­den mit Befruch­tung die Zel­len zu einer Per­son mit See­le und vol­len Men­schen­rech­ten, wodurch Abtrei­bung zum Mord wird und des­we­gen vom Staat zu unter­bin­den ist.
Pro-Choice ver­neint die­se Fest­le­gung und setzt als Gren­ze der Mensch­wer­dung den ersten selb­stän­di­gen Atem­zug die­ser nun­mehr selb­stän­di­gen Person.

Bei­de Posi­tio­nen sind aus wis­sen­schaft­li­cher Sicht unzutreffend.

Eine Schwan­ger­schaft wird in drei Abschnit­te geteilt, deren Zeit­dau­er fest­steht und in denen die aus der Zell­ver­ei­ni­gung von Eizel­le mit der Samen­zel­le ent­stan­de­ne Zell­mas­se (Zygo­te) nun ent­wickelt und letz­ten Endes bei vol­ler Aus­tra­gungs­zeit als Baby gebo­ren wird.
Der erste Abschnitt (1.Trimenon) ist gekenn­zeich­net von der Ein­ni­stung in die Gebär­mut­ter­schleim­haut, durch den der wach­sen­de Zell­klum­pen sich eine Ver­sor­gung mit Nähr­stof­fen durch den müt­ter­li­chen Orga­nis­mus sichert. Öfter als gedacht kommt es jedoch gera­de in die­sem begin­nen­den Sta­di­um der Ent­wick­lung zu Feh­lern, die dann zum Abgang die­ser Zell­mas­se füh­ren. Gelingt die Ein­ni­stung ist das, was sich da anhef­tet, kei­nes­falls bereits ein Mensch oder ein defi­nier­tes Lebewesen.

Es bleibt fest­zu­hal­ten, dass es drei Mög­lich­kei­ten des Ver­laufs nach einer Befruch­tung geben kann:
1. die 'Zell­mas­se' stirbt bereits durch Fehl­funk­ti­on bei der Ein­ni­stung oder Fehl­ge­burt inner­halb der ersten Wochen nach Einnistung;
2. Abtrei­bung oder Früh­ge­burt füh­ren zum Abster­ben der Frucht;
3. Geburt und erfor­der­li­cher Rei­fe­grad ermög­li­chen die Wand­lung vom Fötus zum Kind, zu einer tat­säch­li­chen Person.

Die Fäl­le nach 1. und 2. sind häu­fi­ger als jene zu 3. und ihre Häu­fig­keit nimmt gegen Ende des zwei­ten Tri­me­nons ab. 


Ein­schrän­kend bleibt hier fol­gen­des festzuhalten:
Eine "Per­son", ein selb­stän­di­ges Lebe­we­sen zu wer­den erfor­dert nicht etwa nur vege­ta­ti­ve Funk­tio­nen wie Herz­schlag, phy­si­sche Bedin­gun­gen wie Miniar­tur­form eines Baby­kör­pers, son­dern ein Bewusst­sein als Per­son.
Dem­nach ver­steht man unter "Embro" eine unrei­fe Mas­se an Zel­len als Vor­stu­fe eines mensch­li­chen Orga­nis­mus. Dies beschreibt einen Zeit­raum von der Emp­fäng­nis bis etwa zur ach­ten Schwan­ger­schafts­wo­che. Von "Fötus" spricht man bei einem unrei­fen men­schen­ty­pi­schen Orga­nis­mus, der alle ange­leg­ten Orga­ne und Gewe­be hat, die­ser Zeit­raum umfasst die Zeit ab der neun­ten Woche bis zur Geburt.
Von einer eigen­stän­di­gen Per­son hin­ge­gen geht man erst aus wenn das Gehirn soweit funk­ti­ons­fä­hig ist, dass von einem "Bewusst­sein" aus­ge­gan­gen wer­den kann. Das ist im all­ge­mei­nen ab dem fünf­ten Monat bzw. der 17. Schwan­ger­schafts­wo­che im zwei­ten Abschnitt (2. Tri­me­non) der Fall.
Das soll­te - will man die Rech­te bei­der Sei­ten abwä­gen - die Gren­ze sein, ab der eine Abtrei­bung nur noch unter ganz extre­men Ver­hält­nis­sen gestat­tet wer­den kann.