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In einem Meer von Lügen in den Interviews, Artikeln und Diskussionsrunden der letzten Wochen sind Fakten nur hinderlich gewesen - sie hätten offenbart, wie sehr die Wahrheit zugunsten der politischen Akteure und konservativen Argumente in Deutschland, Frankreich, England, den Niederlanden usw. und der sogenannten "Troika" gebeugt wurde um die Griechen als Missetäter zu brandmarken.
Damit räumt der nachfolgend übersetzte Text gründlich auf.
BEZUG:
Posting auf der Seite von Y. Varoufakis zum Thema
"Nine Myths About the Greek Crisis – by James K. Galbraith"
[ⓒ Übersetzung: W.v.Sulecki; Übernahme nur mit ausführlicher Quellenangabe]
1. Das Referendum über den Euro.
Sobald der griechische Premierminister Alexis Tsipras die Volksabstimmung ankündigte, sagten François Hollande, David Cameron, Matteo Renzi, und der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel zu den Griechen, dass ein "Nein" das Verlassen des Euro durch Griechenland bedeuten würde. Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission, ging noch weiter: Er sagte, ein "Nein" bedeutet das Verlassen der Europäischen Union.
In der Tat hat die griechische Regierung viele Male betont dass - Ja oder Nein - sie sich unwiderruflich zu Europäischer Union und dem Euro verpflichtet. Und juristisch, nach den Verträgen, kann Griechenland aus keinem von Beiden 'herausgeworfen' werden.
2. Der IWF [engl.: IMF] ist flexibel.
IWF-Chefin Christine Lagarde behauptet, dass ihre Institution "Flexibilität" in Verhandlungen mit den Griechen gezeigt habe. In Wahrheit hat der IWF in mehr als vier Monaten fast nichts eingeräumt:
Nicht hinsichtlich Steuern, Renten, Löhnen, Tarifverhandlungen oder Höhe der griechischen Schulden. Der griechische Chefunterhändler Euclid Tsakalatos veröffentlichte Einzelheiten eines Briefings mit Details, und kommt zu dem Schluss: "Was bedeutet für die griechische Regierung eine Flexibilität der Institutionen? Sie wäre eine gute Idee."
[Anm. d. Übers.: Dies ist eine ironisch gemeinte rhetorische Frage die zeigt, dass es in Wirklichkeit keine Flexibilität gab]
3. Die Gläubiger waren großzügig.
Angela Merkel hat die Bedingungen von den Gläubigern gegenüber Griechenland als "sehr großzügig" bezeichnet. Aber in der Tat bestanden die Gläubiger weiter auf einem erdrückenden Sparprogramm, basierend auf einem unerreichbaren Haushaltsüberschuss den Griechenland unmöglicher erfüllen konnte, und aus einer Fortführung der drakonischen Maßnahmen, die die Griechen schon mehr als ein Viertel ihres Einkommens gekostet haben und das Land in eine Depression stürzten. Umschuldung, eine offensichtliche Notwendigkeit, wurde ebenfalls abgelehnt.
4. Die Europäische Zentralbank hat griechische Finanzstabilität gewährleistet.
Eine Zentralbank soll die finanzielle Stabilität der solventer Banken schützen. Aber von Anfang Februar an schnitt die EZB die direkte Finanzierung der griechischen Banken ab, und führte eine tropfenweise eintrudelnde, teure Liquiditätsstützung ein, die auf speziell geschaffenen "Notfallbedingungen" basierte. Dies förderte eine langsame Entnahme von Geld bei den Banken und lähmte so die Investitionen in die Wirtschaft. Als die Verhandlungen scheiterten, stellte die EZB die Unterstützung insgesamt ein, woraufhin ein überstürzter Bank-Run einsetzte und ihr nun einen Vorwand gab, Kapitalkontrollen aufzuerlegen und so effektiv (indirekt) die Banken zu schließen.
5. Die griechische Regierung gefährdet das Bündnis mit Amerika.
Dies ist eine besondere Sorge einiger US-Konservativen, die eine linke Regierung an der Macht sehen und annehmen, dass sie deswegen pro-russisch und Anti-NATO sein müsse. Es ist wahr, dass die griechische Linke historische Bedenken gegen die USA, insbesondere wegen der Unterstützung der Militärjunta, von 1967 bis 1974 durch die CIA hat. Tatsächlich aber hat sich die Einstellung der griechischen Linken geändert, teilweise dank der deutschen Erfahrungen hierzu. Die jetzige Regierung ist pro-amerikanisch und ein verläßliches Mitglied der NATO.
6. Alexis Tsipras hat den IWF eine "kriminelle" Organisation genannt.
Das war, versöhnlich ausgedrückt, eine überhitzte Schlagzeile von Bloomberg zu einem Bericht über eine sehr moderate parlamentarischen Rede, die zu Recht darauf hinwies, dass die IWF-Wirtschafts- und Schuldenprojektionen für Griechenland zuvor, als erstmals im Jahr 2010 Sparmaßnahmen formuliert und auferlegt wurden, hoffnungslos optimistisch waren. In der Tat ist jeder Buchstabe der Briefe von Tsipras an die Gläubiger in formeller und respektvoller Sprache abgefasst worden.
7. Die griechische Regierung spielt Spielchen.
Weil Finanzminister Varoufakis den wirtschaftlichen Bereich der Spieltheorie überschaut äußern selbsternannte Experten seit Monaten die Meinung, er spiele "Chicken" oder "Poker" oder ein anderes Spiel. In Heraklion bestritt Varoufakis dies vor zwei Wochen, wie er es viele Male getan hat: "Wir bluffen nicht. Wir üben uns auch nicht im meta-bluffen." Es gibt keine versteckten Karten. Die griechische rote Linie - Grundsätze, an denen diese Regierung sich weigert zu rühren - wie Arbeitsrecht, noch mehr Kürzungen der an der Armutsgrenze liegenden Altersversorgung und Notverkaufsprivatisierungen - war vom ersten Tag an deutlich erkennbar.
8. Ein "Ja"-Votum wird Europa retten.
"Ja", würde noch mehr Einschränkungen und soziale Zerstörung bedeuten, und eine Regierung, die so etwas beschließt wäre rasch am Ende. Was folgte wäre eine Regierung die nicht von Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis geführt würde - letzte politische Führer, vielleicht in ganz Europa, einer authentischen, pro- europäischen Linken. Wenn sie stürzen werden die Anti-Europäer nachfolgen, möglicherweise auch ultrarechte Elemente wie die griechische Nazi-Partei Golden Dawn. Und das antieuropäische Feuer wird sich verbreiten, nach Frankreich, Großbritannien und Spanien um nur einige Länder zu nennen.
9. Ein "Nein" wird Europa zerstören.
In der Tat, nur das "Nein" kann Griechenland retten - und durch die Rettung Griechenlands auch Europa. Ein "Nein" bedeutet, dass das griechische Volk sich nicht beugt, dass ihre Regierung nicht stürzt, und dass die Gläubiger sich schließlich mit dem Versagen der bisherigen europäischen Politik auseinandersetzen. Die Verhandlungen können dann wieder aufgenommen werden - oder richtiger, es können zielgerichtete Verhandlungen beginnen. Dies ist entscheidend, wenn Europa gerettet werden soll. Wenn es jemals einen Moment gab an dem die Vereinigten Staaten für Anständigkeit und demokratische Werte sprechen sollten - wie auch in eigenem nationalen Interesse - dann ist es gerade jetzt.
Siehe hierzu
Greece: Nine Myths About the Greek Crisis
James K. Galbraith; (July 1, 2015)
Es ist immer gut, wenn man mit dem Geld anderer Menschen spielen kann: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/eurokrise/griechenland/griechenland-krise-us-oekonomen-kritisieren-deutschland-13681324.html
" .. Eine naheliegende Erklärung ist, dass die Griechen ihren politischen Institutionen nicht trauen oder sich selbst nicht trauen. Wer nicht vertraut, der investiert nicht .. "
Das ist ein Zitat aus dem verlinkten Artikel der FAZ.
Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass es die früheren - konservativen, CDU/CSU-nahen - Regierungen Griechenlands waren die das zu verantworten haben.
Die jetzige Regierung hat stets betont, dass es 'früher' falsch gelaufen ist und sie deswegen andere Lösungen für richtig hält.
Solche, die den Geldgebern daswegen nicht gefallen weil darin der versteckte Vorwurf enthalten ist, dass es wegen der TROIKA-Vorgehensweise den Griechen (egal unter welcher Regierung) überhaupt nicht möglich gewesen wäre sich zu sanieren.
Die überwältigende Zustimmung für Schäuble ist leicht zu erklären:
Die 'Gehirnwäsche', das beständige Trommeln der Medien, allen voran das Volksbildungsblatt "B*LD" und anderer Springer-Blätter in den vergangenen Monaten, zeigt Erfolg.
"Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft.
Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit."
(George Orwell, 1984)
Uns fehlt jetzt nur noch ein "reguliertes Internet", die Weichen wurden ja diese Woche bereits in Brüssel gestellt. Raten Sie mal, zu wessen Gunsten das reguliert wird ..!?
Zu der jüngsten - geänderten - Äußerung des IMF [Original *.pdf => HIER] ....
Zum gleichen Thema noch => DIES
Nachtrag
RA Stadler hat (nun auch etwas) dazu geschrieben
"Griechenland: Tragödie oder Farce?"