[Das Thema schien mir bedeutsam, weil bei Frau la-mamma eine Frage zu (Wirtschafts-) Zyklen - samt Antwort - diskutiert wurde].
Was im allgemeinen als "Wachstum" bezeichnet wird ist in den (wesentlichen) Industrieländern in Wirklichkeit ein "Nullsummenspiel", denn tatsächliches Wachstum findet nicht statt ....
Der Begriff "Wachstum" suggeriert einen Zuwachs wo kein Zuwachs zu verzeichnen ist. Dies als zutreffend anzusehen fällt dem aufmerksamen Beobachter nicht schwer:
Geht man offenen Auges durch eine größere Stadt, so wird man Neuaufbau erkennen der an Stellen stattfindet wo zuvor bereits Gebäude mit florierenden Unternehmen zu finden waren. Sieht man noch genauer hin und erinnert sich, so werden zyklische Strukturen erkennbar.
Zunächst wird eine Planung durchgeführt - auf deren absolute Notwendigkeit wird von Seiten der Planenden stets energisch hingewiesen - die oft mit Unterstützung der Städte & deren Baubehörden abläuft. Da findet man bereits den ersten Grund für Skepsis, denn die Städte haben 1. ein Interesse ihre Behörden 'auszulasten' - das bedeutet ja Einnahmen - und 2. langfristig Steuereinnahmen zu sichern und auszuweiten - das wird durch Erweiterung der Zahl von vorhandenen Betrieben erreicht:
Mehr Betriebe = mehr Einnahmen ....
Bei solchen Vorhaben müssen natürlich bestehende Gebäude abgerissen werden, die vorhandenen Betriebe werden (oft nur teilweise) 'ausgesiedelt' und im neuen Projekt - sofern sie dann dort die erheblich teurere Miete noch zu zahlen in der Lage sind! - wieder 'angesiedelt' .... Eine bloße "Erweiterung", Sanierung oder ein Umbau werden deswegen nicht in Betracht gezogen, weil der 'profit' bei Neuplanung, Abriß und Neubau natürlich viel höher ist als mit Maßnahmen, bei denen ein Teil der "Altsubstanz" erhalten wird ....
Am Neubau verdienen die Beteiligten allesamt ein Mehrfaches dessen, was ein bloßer Umbau in ihre Kassen spülen könnte .... kein Wunder also, wenn Neubau das bevorzugte Vorgehen ist. Dabei ist es - so sonderbar das klingen mag - völlig unwichtig, ob es sich um Ersatz an gleicher Stelle oder an anderem Orte handelt. In der Summe werden bestimmte Bereiche 'entsiedelt' und neue Bereiche 'besiedelt' und davon profitieren Abbruchunternehmen, Architekten, Baugesellschaften und städtische Behörden die an Planung, Bauordnung beteiligt sind und möglicherweise verdient eine Stadt auch direkt, wenn sie Grundstücke veräußern kann.
Schaut man genau hin, dann wird deutlich:
Die entstehenden Einkünfte werden nirgendwo zu den zusätzlich geschaffenen Flächen ins Verhältnis gesetzt, den Bürgern werden lediglich die Vorzüge solcher Vorhaben dargestellt. Und eine Diskussion findet meist auch erst dann statt, wenn solche Projekte sich schon in einem nahezu unumkehrbaren Stadium befinden ....
"Und ist's nicht Absicht, so hat es doch Methode!"
möchte man da anfügen ....
Wie oben bereits angedeutet entsteht also kein wenig vernachlässigbar geringes Wachstum (im Sinne von "absolutem Zuwachs"), denn es werden andererseits noch bestehende "Werte" abgerissen und vernichtet. Verdient wird aber trotzdem, und zwar nicht schlecht:
Banken verdienen,
(Bau-) Gesellschaften verdienen,
Städte verdienen,
einige wenige Privilegierte/Ausführende "die Jemanden kennen der wen kennt" ....
Ein "Nullsummenspiel" schrieb ich weiter oben. Dabei bleibe ich. Allerdings - wie zu sehen ist - nur für die Bürger. Sie zahlen höhere Preise in den neuen Geschäften - weil die ja auch höhere Mieten zahlen müssen, sie zahlen für neue Infrastrukturmaßnahmen durch erhöhte Gebühren der Städte, sie zahlen in Form von Verlust an Identität, denn die neuen Gebäude sind oft nur "zweckmäßig" aber nicht besonders ansehnlich ...! Ganz nebenbei werden an sich noch nutzbare Werte zerstört, eine Tatsache, die wahrscheinlich irgendwann dadurch zum Erliegen kommt, daß die Rohstoffe ausgehen.
Das Wachstum, was keines ist, ähnelt "Des Kaisers neuen Kleidern" - nur verstehen das immer weniger Menschen, weil 'Pokemon' und 'spongeBob' und andere dümmliche Serien die Märchen abgelöst haben, die wenigstens noch für Lernschritte bei den Kleinen sorgten. Konsumieren statt Hinterfragen wird einstudiert. Damit gewinnen Jene, die bei der Durchsetzung ihres 'profits' keine lästigen Bürgereinwände gebrauchen können ....
Überlegen sie doch' mal, liebe Leser, ob es denn wirklich nötig und/oder überlebensnotwendig ist ein beständiges "Wachstum" zu haben. Der "Club of Rome" hat schon in den Siebzigern auf die "Grenzen des Wachstums" hingewiesen.
Umsonst, wie mir scheint.
'business as usual' - solange bis die Ressourcen erschöpft sind ....
Wahrscheinlich haben wir uns dann die Folgen 'verdient' ....
die euphemismen vom nullwachstum oder gar das unwort minuswachstum streuen uns natürlich weiteren sand in die augen ...
dass wachstum per se ein wert ist, bezweifle ich auch, ich sehe nur absolut keine gangbare oder sinnovlle möglichkeit gegen diesen anscheinend bestehenden gesellschaftlichen grundkonsens zu opponieren.
Beim Lesen dachte ich sofort an den seinerzeitigen Club of Rome Beitrag - das finde ich jetzt wiederum sehr interessant.
Wachstum geschieht in die falsche Richtung. Wir könnten Qualität wachsen lassen, oder auch Intelligenz, Allgemeinbildung und Benehmen. Wir könnten soziales Engagement wachsen lassen oder auch bürgerliches Selbstwert- und Verantwortungsgefühl.
Aber anscheinend ist ja die Gartenzaunhype "wenn der Gartenzaun des Nachbarn neu ist, muß meiner auch - und größer und teurer" nicht auszurotten.
@ la-mamma
Danke für den Hinweis auf zwei "Unworte" wie "Nullwachstum" und "Minuswachstum" - die sehr deutlich die verschleiernde Sprache entlarven ...!
Was ist zu tun?
Zunächst einmal müssen Tatsachen auch als Tatsachen benannt werden, dann müssen die Grenzen aufgezeigt werden, sie müssen in das Bewußtsein der Bevölkerung 'eingehämmert' werden:
Auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen kann nicht so verbraucht werden als hätte man ein "Töpfchen koch!" zur Verfügung .... die Folgen werden noch in der üblichen beschönigenden Art dargestellt, daher glauben Viele, es sei noch lange, lange Zeit um Umstellungen durchzuführen - dabei ist es nicht mehr fünf-vor-zwölf sondern eher eins-vor-zwölf ....
@ Hexa
Genau: Höher, schneller, weiter! - und kein Ende in Sicht .... diese Mentalität hat uns dahin gebracht wo wir jetzt sind, und nun fehlen die Ansätze es wieder zu richten - immer noch wird an Symptomen herumgekaspert wo schon lang wirkliche Lösungen gebraucht würden .... das "weiter so!" der Politik zeigt ihre Hilflosigkeit.
Mit Ideen von vorgestern werden Probleme von morgen nie zu lösen sein.