Donnerstags, so gegen fünf, geschah
– in Kassel – was noch niemand sah:
Ein Lichtblitz, dumpfes Donnergrollen,
Rauch, aus dem Nichts hervorgequollen.
Und als der Rauch verschwunden war
stand, silbrig glänzend, etwas da:
Ein Kegel mit Tentakeln dran
viel grösser als ein Durchschnittsmann.
Der Anblick schreckte Fahrer sehr
ein Stau entstand, und noch viel mehr
passierte rund um diesen Ort,
wer laufen konnte lief schnell fort.
Die Gegend war schnell menschenleer
rund um den fremden Roboter,
der, nach 'ner halben Schrecksekunde
drehte eine kleine Runde.
Um dann in grösser werdend‘ Kreisen
– sich bewegend wie auf Gleisen –
in Fahrt kam, Richtung Innenstadt:
dabei macht er zwei Autos platt!
Die Tentakeln angelegt
er so entlang der Strasse fegt.
Man wich ihm aus, so gut man konnt‘
vermied, dass man ihm nahe kommt.
Der Ruf nach Obrigkeit ward laut,
doch keiner hat sich recht getraut
dem Ungetüm Einhalt zu bieten,
vielmehr ward sein Pfad gemieden.
Als schliesslich bremst der Ausserird’sche
vor’m Rathaus, neben einer Kirche,
ein Kreis von Gaffern sich ergibt
weil meist der Mensch besond’res liebt …
Zuckt die Maschine führt das gleich
dazu, dass laut die Menge kreischt,
nach hinten sich zu retten sucht,
so mancher dabei heftig flucht.
Die Neugier übermächtig ist.
Man diskutiert, mit welcher List
das ausserird’sche, fremde Ding
zu packen wäre, wenn es ging.
Doch plötzlich Stille, atemlos,
als der Roboter spricht d’rauf los:
„Ich bin vom Stern Andromeda,
und komm in Frieden“ – nichts geschah!
Ein kleiner Knirps, vielleicht fünf Jahr‘
verlässt der Menschen grosse Schar
und stapft auf die Maschine zu,
spricht, laut vernehmlich, ganz in Ruh:
„Wer ist Dein Vater, Deine Mutter?“
„Gibt’s auf Andromeda auch Butter?“
„Hast Du 'ne Schwester und 'nen Bruder?“
„Gibt es bei euch auch Babypuder?“
„Was willst Du hier, Maschinenwesen?“
und: „Bist Du schon 'mal dagewesen?“
„Wie bist Du denn hierher geflogen?“
„Warum macht Dein Bauch 'nen Bogen?“
„Ist bei Euch der Himmel blau?“
„Hast Du zuhause eine Frau?“
„Wird bei euch Kaffee getrunken?“
„Wenn Du gepupst, hat’s dann gestunken?“
„Ist Deine Haut aus Zuckerguss?“
„Wann ist bei Dir am Abend Schluss,
wann musst Du zu Bette geh’n?
„Gibt’s bei euch Zwerge oder Feen?“
„Wenn Du zuviele Bonbons isst
sagt man Dir dass Du kotzen wirst?“
„Hast Du ein Taschentuch dabei?“
„Essen die Babys bei euch Brei?“
„Gibt’s Engel auf Andromeda?“
„War schon der Osterhase da?“
„Bekommst Du auch ein Taschengeld?“
„Tut's bei euch weh wenn man hinfällt?“
„Wenn’s bei euch regnet nehmt ihr Schirme?“
„Magst lieber Apfel Du statt Birne?“
„Kennst Du das Einmaleins schon ganz?“
„Gibt’s etwas, das Du singen kannst?“
Es sprudelt rasch der Fragen Fülle,
rund um den Knaben ist es stille.
Der Robot scheint ganz ungerührt,
doch ein Vibrieren man jetzt spürt.
Zunächst noch steht der Robot stumm,
doch dann ertönt ein laut‘ Gebrumm,
die Oberfläche leuchtet heller,
die Tentakeln dreh’n sich schneller,
ein lautes Kreischen tönt sodann
– hat in den Ohren weh getan –
sehr langsam hebt er ab vom Grund
und Worte spricht Maschinenmund:
„Ein Ort des Grauens ist die Erde,
damit ich nicht ganz irre werde,
bei so viel Fragen, ohne Ende,
auf die ich nicht die Antwort fände,
will schnell dem Orte ich entflieh’n
auf meinen Weg nach Hause geh’n!“
Sprach’s – und zischte steil nach oben,
ist himmelwärts davongestoben.
Ganz Kassel spricht von dem Ereignis
vom Knaben auch und seinem Wagnis:
Vor so viel Fragen – welcher Graus –
nimmt selbst ein Roboter Reissaus!
Erstveröffentlichung: 20.06.2004 00:03:48