Armes Deutschland
Aus grundsätzlichen Erwägungen - etwa, weil ein Jeder in diesem Land die Bildungsmöglichkeiten nutzen könnte, es Viele aber nicht tun und daher nur ein geringes Einkommen erzielen - könnte man die These vertreten:
Ein Mindestlohn ist kontraproduktiv - er stützt die intrinsische Trägheit schlecht ausgebildeter Menschen sich weiter zu bilden und dadurch bessere Einkünfte zu erzielen.
Das ist allerdings aus (mindestens) zwei Gründen falsch:
1. Zunächst wegen der mittlerweile allgemein anerkannten Tatsache, daß das Bildungssystem nicht allen Menschen gleiche Chancen bietet. Daß es nicht das Bildungswesen alleine verschuldet ist ebenso klar - allerdings lassen sich die verschiedenen Gründe für ein Versagen nicht pauschal benennen. Dazu müßte man die Umstände des Einzelfalles heranziehen und das ist schon wegen des Umfangs dieser Daten schlicht unmöglich. Deswegen also die Hilfskonstruktion "Mängel des Bildungswesens".
2. Als weiteres Hindernis muß ein Minderangebot an Stellen in Betracht gezogen werden. Es sind schlichtweg zu wenige Stellen verfügbar. Die zunehmende Automatisierung hat menschliche Arbeit überflüssig gemacht - und wo es keine Automatisierung gibt ist oft die Qualifikation der Stellensuchenden nicht für die angebotenen Stellen ausreichend. Nachschulung scheitert an den Faktoren "unzureichende Bildungsfähigkeit" und "unzureichendes Qualifizierungsangebot" - einmal von der Frage der Finanzierung völlig abgesehen.
Warum also soll vor diesem Hintergrund ein Mindestlohn trotzdem angemessen sein?
Der bestehende Zustand ist höchst unbefriedigend. Die Tatsache, daß trotz Vollzeitarbeit keine ausreichenden Einkommen erzielt werden basiert in vielen Branchen nicht auf ökonomischen Zwängen, sondern auf der Tatsache, daß staatliche Unterstützung da zur Verfügung steht, wo das Einkommen nicht ausreicht. Unter dem Stichwort "Aufstockung" werden Subventionen indirekt verteilt:
Indem der Staat den unterbezahlten Mitarbeitenden eine ergänzende Zahlung zu ihren Einkünften aus unselbständiger Arbeit zahlt.
Letztlich sind es also die Steuerzahler, die an Stelle der Unternehmen für ihre minderbezahlten Mitmenschen den Ausgleich erbringen. Das folgt der Idee
Gewinne privatisieren - Verluste sozialisieren
und feste Kosten möglichst der Allgemeinheit aufbürden!
Das Trommelfeuer der Unternehmen gegen einen Mindestlohn ist allzu verständlich - und durchsichtig - denn sie müßten die Mehrkosten aus bisherigem 'profit' zahlen. Das Märchen vom Untergang ganzer Branchen steht zwar im Raum, ist allerdings wenig glaubhaft. Es wurde - und wird - immer mit den schlimmsten Folgen argumentiert. Die Praxis zeigt stets ein anderes Ergebnis.
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Eine erweiterte Übersicht zum Mindestlohn hat die Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht.