In der Schlange beim Postschalter. Zwei hinter mir wartende Männer mittleren Alters.
M1: Vater (Mitte bis Ende 30) mit Sohn, ca. 10, der von der väterlichen Weisheit andauernd profitieren darf, Hinweise auf die Tatsachen der Welt sprudeln ständig auf den Sohn ein. M2: Alter etwa wie M1.
Die Männer M1/M2 führen folgenden Dialog:
M1: Hast Du den schweren Unfall in T. gesehen?
M2: Nein, nur am Straßenrand zwei total zerfetzte Autos.
M1: Ja, das eine war das von G., der war knapp über 30, seine Frau und die Kinder sind auch beide tot, sie war 26, die Kinder 2 und 5.
M2: Furchtbar, so jung!
M1: Und der an allem Schuld war ist 82, der hat’s überlebt.
M2: Was, mit 82 noch am fahr’n?
M1: Die sollten für alle ab 60 eine neue Prüfung machen, dann wär’ so ’was nicht passiert.
M2: Mein Onkel hat mit 75 seinen Lappen abgegeben.
M1: Passt! Und mit 80 sollte sowieso niemand mehr Auto fahren …. Das ist doch „Tod am Steuer“.
M2: Klar, die können doch besser in’n Bus.
Jetzt reicht’s mir, ich sage, an beide gewandt:
Finden Sie nicht, daß das Altersdiskriminierung ist, was Sie da verlangen?
M1: Von wegen, die gehör’n doch weg von der Straße!
M2: So junge Leute tot, haben Sie gar kein Mitleid?
Ich: Überlegen Sie ’mal, Sie kommen auch in das Alter.
M2: Na, dann hörn’ wir eben auf zu fahr’n.
M1: Ich würd’ eine Prüfung machen.
Ich (zu M1): Wie viele Kilometer fahren Sie denn so pro Jahr?
M1: (Überlegt lange): Na, so um die 20.000.
Ich: Und wann hatten Sie den letzten Unfall?
M2 (mischt sich ein): Du bist doch aus dem Tor von K. gefahren und hast einen angestupst, der ’rein wollte!?
M1: Die Triefnase hat Tomaten auf den Augen gehabt, sonst hätt’ er noch ausweichen können …. Außerdem war’s nur Blech, keiner verletzt.
Ich: Wissen Sie, ich fühle mich schon betroffen, ich bin kurz vor 60, fahre im Monat 8.000 Kilometer und den letzten – unverschuldeten – Unfall hatte ich ’82.
Eine junge Frau von weiter hinten in der Reihe sagt:
Der Herr hat schon recht, wenn Wiederholung, dann für alle, etwa so alle 4 bis 5 Jahre. Kennen Sie noch alle Regeln, wenn Sie ihren Führerschein vor 20 Jahren gemacht haben?
Die beiden Männer haben sich sofort vereint auf die junge Frau „gestürzt“, typisches Rollenverständnis dieser Altersgruppe, die Frauen als „leichteres“ Opfer ansieht. Ich erspare Ihnen - liebe(-r) Leser(-in) - den Text. Floskeln, Vorurteile, Phrasen: Stammtisch pur, die absolute „Patentlösung“.
Und was lernen wir daraus?
Vorurteile statt Fakten!
In einer Studie des Deutschen Verkehrssicherheitrates war jüngst zu lesen, dass ältere Fahrer durch Erfahrung kompensieren, was ihnen an Reaktionsgeschwindigkeit fehlt, sie fahren „besonnener“ und regen sich nicht so leicht auf.
Wofür plädiere ich?
Sie wissen es schon:
Alle 4-5 Jahre eine Wiederholungsprüfung, theoretisch und praktisch.
Aber bitte:
Mindestens drei theoretische und ebenso viele praktische Stunden.
Gleiches Recht für alle, egal wie alt - oder jung - das ist „gerecht“.