«Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren»

40 Jahre Studentenrevolte: 

«Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren»

18. Feb 09:52
Rudi Dutschke begeisterte die Studenten und erschreckte das Bürgertum
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Die Revo­lu­ti­on hat Geburts­tag: Heu­te vor 40 Jah­ren zogen Stu­den­ten über den Ber­li­ner Kur­für­sten­damm und pro­te­stier­ten gegen den Viet­nam-Krieg. Es war der Beginn einer gesell­schaft­li­chen Erneuerung.

Etwa 10 000 Demon­stran­ten zogen mit rhyth­mi­schen «Ho-Ho-Tschi-Minh»-Rufen durch West-Ber­lin. Mit rot-blau­en Fah­nen des kom­mu­ni­sti­schen Viet­kong, Mao- und Che-Gue­va­ra-Pla­ka­ten pro­te­stier­ten sie am 18. Febru­ar 1968 gegen den Viet­nam-Krieg der USA. Und Rudi Dutsch­ke, Chef-Ideo­lo­ge des Sozia­li­sti­schen Deut­schen Stu­den­ten­bun­des (SDS), rief bei einer «Inter­na­tio­na­len Viet­nam-Kon­fe­renz» im Febru­ar vor 40 Jah­ren in der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät: «Es lebe die Weltrevolution.»

Das Jahr 1968 steht für den Höhe­punkt der Stu­den­ten­be­we­gung, deren Wir­kung weit über die Hör­sä­le hin­aus­ging. Es war das Jahr, in dem die Beat­les ihr legen­dä­res «Wei­ßes Album» her­aus­brach­ten. «Wir alle möch­ten die Welt ver­än­dern», heißt es in einer Zei­le des Songs «Revo­lu­ti­on 1». Der Zeit­geist weh­te von Ber­ke­ley über Paris, Frank­furt am Main und West-Ber­lin bis nach Prag, wo er von rus­si­schen Pan­zern nie­der­ge­walzt wurde. 

Auf die Demon­stra­ti­on gegen den Viet­nam-Krieg reagier­te das offi­zi­el­le Ber­lin drei Tage spä­ter. Der Senat unter dem Regie­ren­den Bür­ger­mei­ster Klaus Schütz (SPD), Par­tei­en und Gewerk­schaf­ten orga­ni­sier­ten eine Gegen­kund­ge­bung «für Frei­heit und Frie­den» mit bis zu 100.000 Teil­neh­mern. Vor dem Rat­haus Schö­ne­berg waren dabei auch Sprü­che wie «Dutsch­ke Volks­feind Nr. eins» zu sehen. 

Feind Nr. 1: Die «Bild»-Zeitung

Seit dem Tod des Stu­den­ten Ben­no Ohnes­org am 2. Juni 1967 bei Pro­te­sten gegen den Schah-Besuch in Ber­lin heiz­te sich die Atmo­sphä­re auf. Am 11. April 1968 schließ­lich streck­te der Hilfs­ar­bei­ter Josef Bach­mann Dutsch­ke mit drei Schüs­sen nie­der. Es folg­ten an den Oster­ta­gen die schwer­sten Unru­hen in der Geschich­te der Bun­des­re­pu­blik. Auf­ge­brach­te jun­ge Leu­te errich­te­ten vor Drucke­rei­en des Axel-Sprin­ger-Ver­la­ges Blocka­den, Fahr­zeu­ge wur­den in Brand gesetzt. Sie woll­ten die Aus­lie­fe­rung der «Bild»-Zeitung ver­hin­dern, die sie mit­ver­ant­wort­lich mach­ten für das Atten­tat, an des­sen Fol­gen Dutsch­ke 1979 starb. 

Die Stu­den­ten- und Jugend­re­vol­te war aus den USA nach Deutsch­land geschwappt. In Bonn regier­te die Gro­ße Koali­ti­on, außer­halb des Par­la­ments for­mier­te sich der Pro­test. Er rich­te­te sich gegen das Estab­lish­ment in Staat und Gesell­schaft. «Unter den Tala­ren der Muff von tau­send Jah­ren» - war der rebel­li­sche Slo­gan gegen die Pro­fes­so­ren. Das Ende des Nazi-Regimes lag erst 23 Jah­re zurück. Vie­le Eltern der auf­be­geh­ren­den Gene­ra­ti­on waren Par­tei­mit­glie­der gewe­sen, die ihre Nazi-Ver­gan­gen­heit ver­dräng­ten und sich im Wirt­schafts­wun­der­land neu ein­ge­rich­tet hatten. 

«Bür­ger lasst das Glot­zen sein...»

Aus Sicht der Nach­ge­bo­re­nen war vie­les in der Gesell­schaft ver­kru­stet und reak­tio­när. Ehe­bruch stand unter der Fuch­tel des Straf­ge­setz­bu­ches und Homo­se­xua­li­tät auch. Näch­tig­te ein unver­hei­ra­te­tes Paar im Heim der Eltern, konn­ten die­se wegen Kup­pe­lei belangt wer­den. «Es herrsch­te eine Stickig­keit, die man sich heu­te gar nicht mehr vor­stel­len kann», erin­ner­te sich erst kürz­lich der grü­ne Ex-Außen­mi­ni­ster Josch­ka Fischer. 

Im Mai revol­tier­ten in Paris die Stu­den­ten der Sor­bon­ne, ein Gene­ral­streik leg­te ganz Frank­reich lahm. Auf Bonn, damals noch Sitz von Bun­des­re­gie­rung und Bun­des­tag, beweg­te sich am 11. Mai ein Stern­marsch mit zehn­tau­sen­den Teil­neh­mern zu, um - letzt­lich ver­geb­lich - gegen die Ver­ab­schie­dung der Not­stands­ge­set­ze zu pro­te­stie­ren. «Bür­ger lasst das Glot­zen sein, kommt her­un­ter, reiht Euch ein», rie­fen sie den Bon­nern zu. 

Der Marsch durch die Institutionen

Danach zer­fiel die Stu­den­ten­be­we­gung in vie­le Grup­pen und Grüpp­chen. Eine klei­ne Min­der­heit ver­schrieb sich der Gewalt. Andre­as Baa­der und Gud­run Ens­slin, die im April aus Pro­test gegen den Viet­nam­krieg in Frank­furt Brand­an­schlä­ge auf zwei Kauf­häu­ser ver­üb­ten, wur­den zu Füh­rern der ter­ro­ri­sti­schen Roten Armee Frak­ti­on (RAF). Ande­re mach­ten sich auf den «lan­gen Marsch durch die Insti­tu­tio­nen» - bei den Jung­so­zia­li­sten, in den Gewerk­schaf­ten oder schließ­lich - wie Fischer - bei den Grünen. 

Die «68er»-Bewegung hat nach Ein­schät­zung des Poli­to­lo­gen Wolf­gang Kraus­haar die Gesell­schaft in der Bun­des­re­pu­blik «trotz poli­ti­scher Fehl­ent­wick­lun­gen enorm durch­ge­pu­stet». Auch 40 Jah­re danach gebe es Phä­no­me­ne, die ohne die Revol­te nicht denk­bar wären, sag­te der 59- Jäh­ri­ge in einem Gespräch mit der Deut­schen Pres­se-Agen­tur dpa. Dazu gehö­re die grö­ße­re indi­vi­du­el­le Frei­heit, über die jun­ge Men­schen heu­te wie selbst­ver­ständ­lich ver­füg­ten, aber auch ver­än­der­te Geschlechterrollen.

Fami­lie als klein­bür­ger­li­che Zwangsanstalt

Ande­re machen die «68er» ver­ant­wort­lich für eine Zer­stö­rung der bür­ger­li­chen Fami­lie, Kin­der­man­gel und Wer­te­ver­fall. So sag­te der Bun­des­ver­fas­sungs­rich­ter Udo Di Fabio vor einer Wei­le: «Es hat schon Wir­kung gezeigt, dass man Fleiß und Ord­nung als Kate­go­rien der freud­schen Trieb­un­ter­drückung abtat und die Fami­lie als klein­bür­ger­li­che Zwangs­an­stalt dar­stell­te.» (Nor­bert Klasch­ka und Mar­gret Schol­tyssek, dpa)

Par­men­i­des sei unter allen Wei­sen der Ein­zi­ge gewe­sen, der geleug­net habe, dass alles Bewe­gung und Ver­än­de­rung sei

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