.... ist garkein Ausdruck für das, was ich heute bei der Lektüre eines lokalen Blättchens empfand.
Unter der Überschrift
»Das Kükennest sagt "Danke schön"«
wird dem Leser mitgeteilt » .. mit einem Armwaschbecken konnte das Inventar des Kindergartens erweitert werden .. die Kinder und Erzieherinnen⍨ freuten sich riesig über dieses Geschenk, denn nun können im Kükennest regelmäßig Armbäder nach Sebastian Kneipp durchgeführt werden .. der Kindergarten ist auf dem Weg zur Zertifizierung zum Kneipp Kindergarten ..«
Sagen sie selbst, liebe Lesende:
Haben Sie schon mal ein Kindergartenkind kennengelernt - oder können Sie sich ein Kindergartenkind vorstellen - das sich über ein Kneipp'sches Armwaschbecken 'riesig freut'?
"catch them young" - eine besonders perfide Erfindung des Marketings, wobei die neuen Konsumenten schon gewonnen werden wenn sie die Tragweite dessen noch nicht abschätzen können dem sie da ausgesetzt werden, einfach deswegen weil ihnen als Kindern die nötige Urteilsfähigkeit fehlt. Gehirnwäsche der 'alternativen' Art im Kindergarten, so weit sind wir schon gekommen ....
Was da an Indoktrination implantiert wird hält ein Leben lang vor. Hier wird Kindern eingetrichtert Sebastian Kneipp habe etwas mit Gesundheit zu tun - der Weg in die Naturheil-Gläubigkeit wird durch harmlose 'Armbäder' begonnen und endet bei Homöopathie die Krankheiten mit Zuckerkügelchen zu behandeln sucht. Unter den "Partnern des Kneipp-Bundesverbandes" befinden sich dann auch die 'üblichen Verdächtigen': Hersteller und Vertreiber von unnützen, manchmal sogar nachgewiesen schädlichen Therapeutika aus der naturheilkundlichen Ecke .... gleich und gleich gesellt sich eben gern.
Es ist eine Schande, daß in diesem Land solche unbewiesenen, absurden und in vielen Fällen sogar schädlichen "Heil"methoden schon im Kindergarten praktiziert werden. Insbesondere auch deswegen, weil eine Nicht-Teilnahme die betroffenen Kinder sozial ausgrenzen würde und daher zu befürchten steht, daß selbst aufgeklärte Eltern diesem Treiben der Kneipp-Gläubigen tatenlos zusehen müssen.
Bezeichnenderweise stehen dann auch als erste Voraussetzung zur "Zertifizierung" à la Kneipp die Zahlen, d.h. die zu zahlenden Sockelbeträge an den Kneipp-Verein in der ersten Zeile, die Folgebeiträge in der zweiten, weitere finanzielle Forderungen dann in der dritten Zeile - die "Ausbilung" und "Fortbildung" folgen ganz weit unten. Klar, es geht ja zuerst um Geld, dann um "Gesinnung" und zuletzt vielleicht auch ein wenig um die Gesundheit der Patienten & Gesundheitsbewußten die sich "Kneipp" antun wollen.
Nur ein Beispiel, um was es sich da handelt, das aus dem Kneipp'schen Werk, 49.Auflage (1894) zitiert ist, das 'online' zur Verfügung steht:
Kneipps Empfehlung für "Nierenleiden"*
» .. Durch folgende Anwendungen wurde dem Manne geholfen: 1 . den einen Tag Oberguß und Knieguß Vormittags, Halbbad eine halbe Minute lang Nachmittags; 2. den anderen Tag des Nachts Ganzwaschung vom Bett aus in der Frühe, dann Wassergehen, Nachmittags Oberguß und Knieguß; 3. Oberguß, später Schenkelguß Vormittags, Rückenguß und Wassertreten Nachmittags; so abwechselnd drei Wochen lang; ferner 4. täglich eine Tasse Thee von 10 zerstoßenen Wachholderbeeren und etwas Zinnkraut, Morgens und Abends in je zwei Portionen trinken .. «
* Der Begriff "Nierenleiden" ist völlig unspezifisch und entbehrt nach heutiger Auffassung einer klaren Abgrenzung durch Symptome & daraus erfolgter Einordnung als Diagnose.
&bsp;
(*edit* - 08.03.;21:30h)
⍨ Mittlerweile hatte ich die Gelegenheit mit einer Erzieherin zu sprechen - es ist in der Tat so, daß die Durchführung bestimmter Aufgaben lt. Anweisung des Kneipp-Verbandes erledigt & dokumentiert werden müssen. Allerdings scheint es da mehrere Stufen der Intensität zu geben:Ein Kräutergarten ist zunächst einmal eine schöne Heranführung der Kinder an Pflanzen und Nutzen von Pflanzen für den Menschen - wie intensiv dann die Bedeutung als 'Heilpflanze' hervorgehoben wird obliegt der Beurteilung der einzelnen Beteiligten und kann durchaus verschieden ausfallen.
Außerdem ist es geregelt, daß Kinder, die nicht teilnehmen wollen (Kinderwunsch) / sollen (Elternwunsch) es auch nicht müssen ....
Was bleibt ist die grundsätzliche Kritik der Einmischung von Verbänden in die pädagogische Arbeit der Kindergärten.