
Mich wundert immer, dass insbesondere die Christen völlig vergessen was in der Bibel steht, die doch sonst immer für alle möglichen Zwecke instrumentalisiert wird. Seit frühester Kindheit - ich wurde katholisch getauft und evangelisch erzogen - habe ich folgenden Satz & Interpretationen dazu gehört:
[Nächsten]
Siehe dieses Video zum Thema
Guten Abend Herr WVS!
"Übe keine Rache an einem Angehörigen deines Volkes und trage ihm nichts nach, sondern liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ich bin der Herr!"
Ich halte "Ich bin der Herr" für eine Definition, die von Kirchenherren benutzt wird (wurde), um etwas im Namen Gottes durchzusetzen oder ein Regelwerk aufzustellen, die religiös begründete Machtverhältnisse schaffen oder zementieren soll(t)e. Jesus erscheint mir niemals darauf ausgewesen zu sein, eine Kirche zu gründen und sich als Herr(scher)zu etablieren.
Bedauerlicherweise muß man feststellen: Es geht beim "Glauben" - egal welcher Provenienz - immer um Macht. Die "Gläubigen" werden von Kind an daran gewöhnt nicht selbst zu denken sondern das zu "glauben", was ihnen von den Kirchenführern als das Richtige & Wichtige dargestellt wird .... ob das nun eine einzelne Gottheit oder eine Vielzahl von Göttern ist, die bei Übertretung von Regeln mit schlimmsten Strafen droht, scheint mir dabei unwichtig.
Wieso meinen Sie, dass "insbesondere die Christen" das vergessen würden? Jeder vergisst es. Wie soll man auch seinen Nächsten lieben (können), wenn man sich selbst nicht liebt, weil man sich selbst gar nicht kennt?
Ich schrieb das in der Absicht darauf hinzuweisen, dass es insbesondere die Parteien mit dem "C" im Namen doch wissen sollten, was "Nächstenliebe" bedeutet und daraus praktisch-politische Schlüsse ziehen müßten.
So stellt es sich für mich als Ignoranz gegenüber den Grundsätzen der christlichen Lehre dar - aus welchem Grund auch immer.
Jeder Mensch hat eine Vorstellung von sich selbst - die oft nicht mit dem übereinstimmt was Fremdbeobachtung konstatieren würde. Ob das immer zu (persönlichen) Konsequenzen führt sei dahin gestellt.
Sie haben bestimmt Recht wenn Sie damit sagen wollen:
Menschen sind Meister der Verdrängung von unangenehmen Wahrheiten, insbesondere wenn es sie selbst betrifft.
Selbsterkenntnis ist aber eine unvergleichlich schöne Erfahrung, keine unangenehme Realisation von verdrängten misslichen Eigenschaften und 'Wahrheiten'. Eher die Erfahrung des eigenen 'guten Kerns', den zu sehen und zu l(i)eben viele schon verlernt haben.
Vielleicht ist es denkbar für Sie wenn ich vorschlage sich in der Mitte zu treffen und so zu formulieren:
die in jedem Menschen verborgen sind.
@ WVS
Mir gefällt diese Ansicht zur Selbsterkenntnis, und ergänze noch das eigene Verhalten, das im Selbsterkenntnisprozess erkennbar. Allerdings frage ich mich, was nützt Selbsterkenntnis, wenn ich daraus keine Schlüsse ziehe oder die falschen Schlüsse? Hm.
Ja, Selbsterkenntnis kann gute und schlechte Eigenschaften bewusst machen, aber nur die Erkenntnis dessen,was ich den 'guten Kern' genannt habe, und die Liebe dazu führt zu einer positiven Entwicklung, im eigenen Selbstverständnis und im Umgang mit Anderen.
@ IGING
Mir ist noch zu wenig deutlich, was Sie konkret mit "guten Kern" benennen und meinen. Ich kann mir vorstellen, Sie meinen so etwas wie Verhalten, Denken und Charaktereigenschafen, das Sie als "gut" oder "guter Kern" bezeichnen (oder allgemein als solches verstanden werden in der europäischen Kultur).
Wie weit impliziert der Begriff des "gute Kerns", es könne auch so etwas wie einen "schlechten" Kern geben im menschlichen Dasein?
Nehmen wir ein Beispiel. Nehmen wir mal an, ... ich neige zum Alkohol, betrinke mich schon morgens und und in diesem Zustand neige ich dazu, andere verbal zu attackieren und unterstelle ihnen ständig schlechte Absichten, die sie mir gegenüber hegen. Sagen wir, ich erkenne, ich fühle mich (bedauerlicherweise nur kurzfristig) gleich viel besser, wenn ich anderen "die Wahrheit" ins Gesicht schleudere. - Ich persönlich würde dieses Verhalten jetzt nicht unbedingt dem "guten Kern" zuschreiben.
(Wie weit)könnte Selbsterkenntnis im geschilderten Fall zu einer "positiven Entwicklung" führen, im eigenen Selbstverständnis und im Umgang mit anderen? Was wäre eine positive Entwicklung, die ich in dem Fall nehmen könnte? Was würden Sie in im besagten Beispiel als positive Entwicklung betrachten? Was müsste ich tun, um zum "guten Kern" und der Liebe zu ihm zu gelangen, damit ich eine positive Entwicklung nehmen kann?
@iGing | @ Rosenherz
" .. Wenn eigenes Leben reflektiert wird
und man feststellt wo man fehlgegangen ist,
schmerzt Erkenntnis oftmals mehr, als sie erhellt .. "
Das las ich neulich in einem Weblog, leider habe ich den Link nicht gefunden. Ich habe es herauskopiert um mich immer mal wieder daran zu erinnern.
Nicht an den Schmerz oder etwas Falsches, sondern daran, dass zu einer bestimmten Zeit eine bestimmte Grundhaltung und Erfahrung da war, die möglicherweise aus heutiger Sicht ganz anders ist.
Demgegenüber steht das, was Frau iGing wohl meint, es ist die angelegte Persönlichkeit, die nicht änderbar ist, da sie genetisch fixiert in uns vorliegt. Da ist die Tendenz sich immer besser zu sehen als man tatsächlich ist.
Kommen wir damit zu dem Punkt "Die Welt erscheint uns so, wie wir sie uns denken?"
Wer die Persönlichkeit beipielsweise als genetisch fixiert und vorgegeben sieht, erlebt sich und die Welt als solche? Zum Beispiel als grundgelegten "guten Kern"?
Wer die Persönlichkeit beispielsweise als wandelbar, entwicklungsfähig, prozesshaft sieht, erlebt sich und die Welt als solche, wandelbar, entwicklungsfähig, prozesshaft?
Oder können wir von einem sowohl-als auch sprechen? Ein Art grundgerüst oder Kern, auf dem aufbauend sich prozesshaft das Leben als Person und Persönlichkeit entfaltet und wandelt?
Sind Selbsterkenntnis und Selbstreflexion nicht zugleich Innenschau, wie bin ich wirklich und wo stehe ich ich derzeit? Eine Art Standortermittlung?
Sicher, wenn man sich die Zeit nehmen kann über ihre Frage nachzudenken: "Wo stehe ich derzeit?"
Meist gibt es nach meiner Erfahrung dazu einen Anlaß. Ein Problem tut sich auf, ich muß mich damit beschäftigen, abwägen welche Optionen es gibt und abgleichen mit dem, was man so allgemein als "Werte" bezeichnet .... daraus schließlich folgt eine endgültige Entscheidung und die entsprechende Handlung.
Womit wir uns beim Punkt "Werte, Werteentwicklung und Wertekultur" einfinden. Beispielsweise: Für eine Person kann das zügellose Rausrotzen von Meinung und Unterstellung einen hohen (möglicherweise höchsten) Wert darstellen. Für eine andere Person kann das Bleibenlassen des Griffs in die Rotzkiste einen hohen (möglicherweise höchsten) Wert darstellen. Kommt wohl darauf an, was die Person damit an Wert ausdrücken will und was sie zu erreichen sucht (oder glaubt zu erreichen).
Was ich mit dem "guten Kern" meine, trage ich als Mensch von Natur aus mit mir herum: die Möglichkeit der freien Entscheidung, Hoffnung, Wertschätzung, Dankbarkeit, ... das sind Eigenschaften/Fähigkeiten, die nicht an eine bestimmte genetische Disposition gebunden sind und die man pflegen und hochhalten kann, sofern man sich ihrer bewusst ist. Mit Selbsterkenntnis meine ich diese Bewusstmachung.
Dass ich mir auch meiner negativen Seiten oder Defizite bewusst werden kann, ist dabei nur hilfreich. Ich kann dagegen aber nur angehen, indem ich mich an das Positive halte und ihm Nahrung gebe. Es nützt nichts, das Negative zu bekämpfen, ohne das Positive zu nähren. Deshalb sollten wir - wie es ja im Ausgangszitat heißt - uns selbst lieben und dann unseren Nächsten so wie uns selbst.
Das kann ich nachvollziehen. Doch Jahrhunderte galt und gilt beispielsweise in Russlands Familiensystemen noch immer: "Wer liebt, der schlägt". "Liebst du deinen Sohn, so bringe ihm häufig Wunden bei - und lobe ihn nicht danach. Strafe deinen Sohn von Jugend an und du wirst dich an ihm freuen in seiner Reife" heißt es schon im Domostroj, einem Gesetzeskodex aus dem 16. Jahrhundert.
Noch heute leiden Frauen und Familien weltweit unter häuslicher Gewalt im Sinne von "Wer liebt, der schlägt!"
Das ist ja aber nichts, was wir für erstrebenswert halten. Und es ist ein weiterer Beleg dafür, dass in Gesellschaften, die sich als dem Christentum verpflichtet gebärden, die eigentlichen Inhalte des Christentums ignoriert werden.
Aktuell wehren sich vor allem die (evangelisch-) orthodoxen Gemeinden gegen eine Grundgesetzänderung die zugunsten von Kindern deren Rechte festschreiben soll - und Jahre später werden sie dann wieder behaupten 'Vorreiter der Kinderrechte' gewesen zu sein ....
Hm, ich bin ja eigentlich durch und durch Atheistin, aber ich finde den Grundsatz, was Wicca betrifft, mehr als sympathisch: „An' it harm none, do what ye will”. Damit ist eigentlich alles gesagt.
In dem zitierten Leitmotiv kann ich - helfen Sie mir da gern auf die Sprünge - nichts christliches entdecken. Insoweit sind Sie doch ihrer atheistischen Grundeinstellung treu.
Ich halte genauso wie Sie nichts von Religion jeder Art & Ausprägung.
Reibe mir daher stets verwundert die Augen wenn ich höre wir seien ein "christlich geprägter Staat" - denn dann können wir bestimmt keine Demokratie sein. Was allerdings von den gleichen Politikern immer wieder betont wird.