Stil und Form ....

schei­nen all­mäh­lich ver­lo­ren zu gehen. Heu­te war­te­te ich in einer Apo­the­ke. Ein Ver­tre­ter - für Pin­zet­ten, Sche­ren und Nagel­fei­len, wie ich spä­ter erken­nen konn­te - kam her­ein, drän­gel­te sich nach vorn und begehr­te lautstark:
"Ich will die Frau Apo­the­ke­rin sprechen!"
Die Frau Apo­the­ke­rin ant­wor­te­te aus dem Hin­ter­grund der Apotheke:
"Heu­te kei­ne Ver­tre­ter mehr!"
Der unge­dul­di­ge, unge­ho­bel­te Ver­tre­ter war nicht zu brem­sen, ließ eine Lita­nei ab, war­um es gut sei ihn doch zu emp­fan­gen. Schließ­lich ließ sich die Apo­the­ke­rin breit­schla­gen, sprach mit dem Mann.
Er hat­te einen Anzug mit unzäh­li­gen Fal­ten und Knicken an, der aus­sah, als ob er dar­in geschla­fen hät­te. Allei­ne das Sak­ko war eini­ger­ma­ßen glatt.
Als sich die Trau­be von Kun­den vor mir auf­lö­ste konn­te ich einen Blick auf die Schu­he des Man­nes wer­fen. Hin­ten offe­ne Lat­schen, und ich dach­te, ich könn­te mei­nen Augen nicht trau­en: Nicht nur offe­ne Schu­he zum Anzug mit Kra­wat­te, nein, auch barfüßig!

Ich wäre jetzt sehr neu­gie­rig zu erfah­ren, ob denn die Vor­ge­setz­ten die­ses Ver­tre­ters von der "ele­gan­ten Erschei­nung" und dem "prä­gen­den Ein­druck", den ihr Mit­ar­bei­ter macht, wissen ....

Nun ist mir klar, war­um neu­er­dings "Benimm-Unter­richt" bei Unter­neh­men so hoch im Kurs stehen!

Kommentare

  1. Ja Hier
    mei­ne Gedan­ken zu Ver­tre­tern, da ich kei­nen Track­back set­zen konn­te, was ich "kaum zu glau­ben" finde.

    Nun, der ange­spro­che­ne Ver­tre­ter war wohl einer die­ser jun­gen, neu­en Zunft (ich brau­che noch einen Namen dafür).
    Gege­el­te Haa­re, Schie­fe Kra­wat­te, barfuss.
    New Eco­no­my Style....

    Ich habe zu genü­ge sol­che Men­schen kennengelernt....

    1. Ich plä­die­re .... - um es zu ver­deut­li­chen - nicht gegen Ver­tre­ter im All­ge­mei­nen, son­dern nur gegen sol­che "Aus­wüch­se" von fle­gel­haf­tem und nach­läs­si­gem Ver­hal­ten. Das ist in vie­len Berei­chen zu fin­den. Hier wur­de nur - pars pro toto - ein beson­ders schlim­mer Fall herausgestellt ....

    2. Sit­ten­bruch als Geschäfts­mo­dell Ja, doch wie es so oft in Unter­hal­tun­gen läuft: jeder trägt seins dazu.

      Wenn es um das Ver­hal­ten an sich geht so machen Fir­men alle mög­li­chen unsitt­li­chen Sachen um sich zu bereichern.
      Neh­men wir die Spams, die Ver­tre­ter, die Anru­fe von Fir­men mit denen man ein­mal (1) zu tun hatte.

      Ver­tre­ter kön­nen durch­aus char­mant sein, wie jeder Markt Besit­zer durch­aus weiss.
      Den­noch: Sit­ten­bruch als Geschäftsmodell.

    3. Ich habe .... nichts gegen wei­te­re Bei­spie­le, im Gegen­teil, sie ver­deut­li­chen nur die Viel­falt der mensch­li­chen Natur. 
      Jede beschrie­be­ne Per­son - so wie bei Ihnen die Staub­sauger­ver­tre­ter - erfüllt irgend­wie eine Aufgabe.
      Und sei es nur, wie ich ein­mal las, die Funk­ti­on "als abschrecken­des Bei­spiel zu die­nen." ....

      Der von mir beschrie­be­ne Fall geht denn auch über den Berufs­zweig "Ver­tre­ter" hin­aus (das ist sowie­so eine höchst unzu­tref­fen­de Berufs­be­zeich­nung, schon wegen der Vile­falt in den Auf­ga­ben­be­rei­chen. Mal wer­den eben Staub­sauger ver­trie­ben, mal Com­pu­ter­to­mo­gra­phen - da ist bestimmt ein Unter­schied in den Anfor­de­run­gen an Per­sön­lich­keit und Fachwissen). 

      Ich möch­te den Bei­trag als Plä­doy­er für "bes­se­res Beneh­men" und "ein wenig Stil bei der Beklei­dung" ver­stan­den wissen ....

  2. Kitsch Auf die Gefahr hin die Dis­kus­si­on in den Off­topic Bereich zu ver­schie­ben: wir reden von Kitsch.
    Feen haben immer Flü­gel, Köni­ge eine Kro­ne und Ver­tre­ter eine, meist dia­go­nal gestreif­te, Kra­wat­te (und schwar­ze, edle Schuhe).
    Man kann es Kitsch nen­nen, Moral, oder gute Sitte.

    Seis drum, das "Ver­bre­chen" das die­ser erwähn­te Typ began­nen hat ist ein­fach nicht "cool" genug zu sein, sein Pro­dukt ele­gant rüberzubringen.

    Sicher­lich, Klei­der machen Leu­te, und mit den rich­ti­gen Klei­dern ist vie­les so viel einfacher.

    Den­noch: Sie haben Recht, gra­de wegen des­sen was ich grad erwähnte.
    Ver­kau­fen wird ent­we­der durch gute Wort­wahl, gute Klei­dung, meist jedoch bei­des ermöglicht.
    Ein wei­te­rer Grund war­um der Typ, egal wie heiss es ist, mit ver­nünf­ti­gen Schu­hen rum­lau­fen sollte.

    Gra­de edi­tier­te ich die schwar­zen, edlen Schu­he hin­zu und mir wur­de dabei bewusst, das jeder weiss, das Ver­tre­ter weder edel, noch reich sind und das es alles nur Show ist und: das es trotz­dem funktioniert...

    1. Zwi­schen ....

      1. Kitsch,
      2. Moral und 
      3. gute Sit­te

      möch­te ich doch unter­schei­den! Wobei "Stil & Form", die als ursprüng­li­che Über­schrift ste­hen, zwar dem Begriffs­in­halt von "gute Sit­te" nahe sind, sich jedoch in Nuan­cen unter­schei­den .... ich mein­te damit "Umgangs­for­men" oder "Manie­ren" - also das "Gewußt wie" in allen Lebens­la­gen .... wäh­rend ich aus dem, was Sie dazu anmer­ken eher das "Kli­schee" herauslese: 
      So sind Ver­tre­ter - und nicht anders!

      Das hat­te ich nicht sagen wol­len. Ein schlech­tes Bei­spiel, das gibt es in ande­ren Beru­fen auch, kann doch nicht dazu die­nen, eine gan­ze Berufs­grup­pe pau­schal abzu­wer­ten. Nein, da hät­ten Sie mich mißverstanden .....

  3. das zum the­ma "benimm-unter­richt" ich wur­de vor kur­zem ange­ru­fen, weil man mir erzäh­len woll­te, dass ich für nur ganz wenig geld einen viel schnel­le­ren und bes­se­ren inter­net­an­schluss haben könn­te. weil ich gute lau­ne hat­te, habe ich gelacht und der dame geant­wor­tet, dass ich glau­be dass wir hier ganz gut bedient sind und ich des­halb kein inter­es­se habe. dar­auf­hin hat sie mich ange­schrie­en und mit den wor­ten: „las­sen sie mich doch in ruhe“ aufgelegt… 
    ich hät­te sie ger­ne noch dar­an erin­nert, dass SIE mich ange­ru­fen hat, aber dazu gab es kei­ne gele­gen­heit mehr ;)

    1. Ich find es recht pfif­fig, manch­mal, wenn ich Zeit hab, sol­che uner­wünsch­ten Anru­fer in ein län­ge­res Gespräch über dies und das zu ver­wickeln. So war da mal die Lot­to­sy­stem­frau, der ich erklä­ren durf­te, dass es gar nicht sein kann, dass sie mich anruft, um mich für das System zu gewin­nen, und dann trotz­dem die gesam­te Gewinn­sum­me des Systems, bei dem man auch nur die nor­ma­len Gebüh­ren für einen Lot­to­schein zahl­te, aus­ge­schüt­tet wür­de. Eif­rig ver­such­te sie mich zehn Minu­ten lang mit Argu­men­ten, die sie offen­sicht­lich ver­ständ­nis­los von einer Liste ablas, zu über­zeu­gen. Ich bin kein begna­de­ter Mathe­ma­ti­ker, aber dazu reich­te mein Zah­len­ge­fühl, dass an irgend­ei­ner Stel­le das Geld raus­ge­zo­gen wer­den musste. 

      Wenn ich kei­ne Zeit für sowas habe, lege ich auf, ohne noch ein Wort zu sagen. Ich hab um den Anruf nicht gebeten.

    2. Für sol­che Spiel­chen .... habe ich kein Ver­ständ­nis - bii­te nicht grum­meln - denn ich sage mir, die Leu­te dort tun auch ihren Job um sich auf anstän­di­ge Wei­se ihren Lebens­un­ter­halt zu verdienen.
      Meist leh­ne ich höf­lich aber bestimmt ab und wün­sche ihnen einen schö­nen, erfolg­rei­chen Tag. Das kostet mich nichts und bringt etwas Posi­ti­ves in den sonst sicher nicht beson­ders erfreu­li­chen Alltag.
      [Wenn man mir aller­dings "frech" käme, so wie oben beschrie­ben, hät­te ich kei­ne Hem­mun­gen das auch zu benennen]

  4. Ach ja, zu dem Ver­tre­ter war mich auch noch was ein­ge­fal­len: Wenn der schon Nagel­fei­len und ähn­li­ches Mani- und Pedi­kür­werk­zeug feil­bot, woll­te er es sicher gleich an sei­nen eige­nen Fuß­nä­geln demon­strie­ren. Da hat­te das Feh­len der Socken sicher prak­ti­sche Gründe.

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