Vor Jahren hatte ich - während meiner selbständigen Tätigkeit - häufig Angebote von Firmen mich in dieser oder jener Art an ihren Geschäften zu beteiligen. Manche dieser Tätigkeiten waren kurios, manche schwierig, an einigen konnte man nur scheitern.
Drei "Geschäftsmodelle" sind so geartet, dass man sie einmal vorstellen sollte.
1. "Der Jahrmarktschreier" (JMS) - das Produkt ist völlig unwichtig, es geht um die Psychologie von Gruppen bis Massen - die zu versammeln ist nämlich eine hohe Kunst! Spaßeshalber habe ich an einer Schulung teilgenommen und mir die Methoden angesehen - immer auch unter dem Blickwinkel, ob ich sie für mein eigenes Geschäftsmodell gebrauchen könnte.
Ich verrate ihnen die wichtigsten Punkte - und wenn Sie wieder einmal einen solchen Marktschreier (oder eine Schreierin, die sind meist mit mehr Publikum gesegnet) irgendwo arbeiten sehen, dann gehen Sie hin und schauen, ob es immer noch die gleiche Methode ist. Aber Vorsicht! Sie könnten überredet werden etwas zu kaufen!
Zunächst spricht der JMS einzelne Personen an die so aussehen, als ob sie Zeit haben und sich etwas anhören würden, die zieht er in ein Gespräch, das er dann etwas lauter führt und dabei bewegt er sich auf andere Vorbeikommende zu und stellt sich so in ihren Weg, dass sie aus Höflichkeit erst mal stehen bleiben und zuhören ...
Das ist der Beginn einer "Traube" (Ansammlung von mehreren Personen, wovon einige näher, andere weiter entfernt stehen, denken Sie an die Form einer Weintraube), die muss sich bilden, damit er nun gezielt seine Produkte anpreisen kann.
Das Credo lautet "Die Traube halten!" - deswegen redet der JMS ununterbrochen. Der Text ist seitenlang und auswendig zu lernen, dann erst ohne Betonung aufzusagen, später werden Nuancen hervorgehoben und verstärkt, das sind die Kaufimpulse für jene Zuhörende, die schon Bereitschaft dazu signalisieren.
Manchmal arbeitet man da mit Lockvögeln, die entweder nur bestätigen wie gut bei ihnen das Produkt zu gebrauchen ist, oder die gleich mehrere Produkte kaufen und dazu Bemerkungen in die Menge streuen - das Beispiel soll die Hemmung nehmen sich vor mehreren Menschen an den JMS zu wenden.
Ein *hartes Brot*, das steht fest. Ich wünsche Ihnen, dass Sie nie in die Situation kommen eine solche Tätigkeit ausüben zu müssen. Diese Menschen, die das machen, haben meine Hochachtung. Denn es ist Knochenarbeit die belastet und nur wenig Geld bringt.
2. "Jahres-Übersichts-Kalender und/oder Stadtkarten mit Werbeaufdruck" lokaler Unternehmen zur kostenlosen Verteilung.
Dieses Modell hat zwei Grundvoraussetzungen: Erstens muss eine Gemeinde dem Vorhaben zustimmen, das ist eine Frage der versteckten Vergütung für die Verantwortlichen, zweitens muss ein Raum zur Verfügung sein, der über einen Telefonanschluss verfügt, einen Gemeindeanschluss, wohlgemerkt!
Über dieses Telefon werden Geschäftsleute in dem Ort angerufen und man gibt sich nicht als Fremdmitarbeiter zu erkennen, sondern agiert gesprächstechnisch so, als ob man im Auftrag der Gemeinde handelt. Deswegen die Gemeindetelefonnummer.
Dann werden Listen von Gewerbetreibenden telefonisch abgearbeitet, Name für Name, Geschäft für Geschäft. Bei *willigen Inhaber:innen* wird versucht die Anzeigengröße zu steigern, denn am Anfang geht es immer nur um eine Mini-Anzeige die wenig kostet damit das Gespräch weitergeht und nicht gleich eine Blockade wegen der Kosten zu haben ....
Dann kommen weitere Zusatzleistungen: Farbe, Größe, Platzierung, Flyer, Aktionsmaterial etc. .... also eine Palette von Dingen die sich aus einer Anzeige auf dem Stadtplanrand herleiten lassen.
Diese Arbeit ist nur mit hoher Konzentration durchzuhalten - denn erst wenn aus der Liste eine Mindestzahl von *Kunden* gewonnen ist kann der Druck gewährleistet werden - wird nicht gedruckt sind alle Mühen des Telefonverkäufers nichtig, er bekommt nicht einen Cent! Sie werden es schon ahnen: Diese Menschen bewundere ich sehr, seit ich das in einer kleinen Stadt am Rand zwischen NRW und Niedersachsen selbst einmal gemacht habe. Zwar habe ich etwas dabei verdient, aber das 'richtige' Geld hat der Organisator eingestrichen.
3. Demokoffer "Räuchertherapie mit fernöstlichen Räucherpyramiden"
Das war eine Neuheit für Heilpraktiker - ich bin nicht sicher, ob es das Produkt heute noch gibt.
Die Idee war, eine asiatische Atmosphäre durch entsprechende Accessoires herzustellen - von "FengShui" sprach damals noch niemand. Dann auf den Patienten diese Räucherkegel - angezündet! - an verschiedenen Körperstellen zu platzieren. Es gab verschiedene Räuchergerüche aus verschieden gefärbten Kegeln & Substanzen ....
Sie werden schon vermuten wie das weiter ging: Die *Chakren* gaben die Farbe des Räuchermaterials vor, die Menge wurde von der (abgefragten) Intensität der Beschwerden nach Aussage des Patienten hergeleitet. Der gesamte Koffer kostete (zu DM Zeiten) einen knappen Tausender. Na gut, es warem ja Übersichten und Poster mit dabei, alles mit 'asiatischem Touch', Bambus, Lotos etc., sowas kostet ....
Hier kann ich es kurz machen:
Ich wollte nicht mit völlig unbekleideten Menschen alleine in einem Raum arbeiten. Das hätte zwar (manchmal irgendwie) 'reizvoll' sein können, aber auch gefährlich. In vielerlei Hinsicht. Außerdem war mir der initiale Einsatz den Spaß nicht wert - weil ich sicher war, dass es keine Wirkung geben konnte. Die Inhaltsstoffe, die da verbrannt wurden seien *Geheimformel* irgendeines Gurus, sowas ist schon immer sehr verdächtig!

Nun hoffe ich Sie haben das nicht schon alles gekannt, obwohl es mittlerweile schon Jahrzehnte her ist. Die sogenannten "Dauerwerbesendungen" im Fernsehen sind eine Variante der JMS - obwohl die Moderatoren, die es machen, es bestimmt nicht gerne hören.
Wenn Sie diese Verkaufsvarianten doch kannten bleibt mir nur Ihnen wenigstens ein schönes Wochenende zu wünschen. Morgen gibt es keinen Beitrag - ich bin wieder einmal größere Strecken im Lande unterwegs ....
Mir schwatzt niemand was auf. ich kenne die Kriterien, die ich an ein Produkt lege. Nur wenn es diesen Kriterien entspricht, dann fange ich an, darüber näher nachzudenken, ob da ein Kauf vielleicht notwendig sein könnte.
Ich erinnre mich an einen Staubsaugerverkäufer, der mir unbedingt einen Hausbesuch abstatten wollte, umd das Produkt vorzuführen. Da ich es nicht schaffte, ihn abzuwimmeln, kam er ins Haus. Ich hatte ihm jedoch vorab mitgeteilt, ich kaufe nix. Sicher nix. Ich wies ihn noch extra darauf hin, er würde keineswegs ein Produkt an mich verkaufen. Natürlich versuchte er, mir das Produkt schmackhaft zu machen, in dem er mir vorführte, wie schmutzig meine Matratzen seien und wie unhygienisch da sei. Hausstaubmilben! Allergiepotential!
Ich kaufte nix, obwohl ich den Staubsauger für leistungsstark hielt. Er kostete etwa 2.500 Euro. Am Ende des Hausbesuchs meinte der Verkäufer, wenn ich so einen Staubsauger haben wolle, dann würde ich einen Weg finden, so einen zu erstehen.
Am nächsten Morgen blättterte ich in einer Wochenzeitung, die ein halbes Jahr veraltet war. Darin sah ich ein (also altes) Inserat, wo eine Person genau dieses Modell verkaufte. Ich rief an - und schlussendlich wurden wir handelseinig. So erstand ich einen leistungsstarken Staubsauger, der mich nur ein paar Euro gekostet hat, statt der veranschlagten 2.500 Euro.
Mein verstorbener Schwiegervater pflegte zu sagen "Geduld bringt Rosen, Ungeduld zeriss'ne Hosen!" - insoweit stimmt ihre Aussage man solle sich das, was die Verkäufer zu sagen haben zwar anhören um sich zu informieren, aber nicht spontan handeln und sich so in unnötige bis fatal hohe Ausgaben zu stürzen.
Ich vermute es handelte sich um VORWERK, das ist wirklich ein leistungsstarkes Gerät - allerdings hoffnungslos überteuert. der Vertrieb kostet Unsummen, die natürlich auf die Käufer abgewälzt werden.
So, wie ich es oben beschrieben habe funktioniert auch die Masche mit den Hausstaubmilben: Da wird wie bei einem Zauberkünstler das Tuch ausgetauscht gegen ein präpariertes, das der Verkäufer schon mitgebracht hat - und schon ist die *brave Hausfrau* zu Tode erschrocken und denkt "Jetzt nur schnell diesen Sauger her bevor es die Nachbarn erfahren, dass es bei mir sooooo schmutzig ist!"