Die Kopffüßer stellen innerhalb der Weichtiere [Mollusca] die höchstentwickelte Klasse dar.
Viele ihrer physiologischen und anatomischen Strukturen sind denen der Wirbeltiere in Funktion und Leistung ebenbürtig. Zur Erreichung dieser für 'niedere Tiere' außerordentlichen Effizienz haben sie allerdings sehr verschiedene evolutionäre Entwicklungen hervorgebracht.
Gerade die Tatsache der Konvergenz (bzw. "Analogie") ermutigt immer wieder andere Fachbereiche sich die spezielle Arbeitsweise der Cephalopodenanatomie & ~physiologie anzusehen um daraus Alternativen zu den Lösungen zu entwickeln, die die Säugetierstruktur suggeriert.
Interessant scheint mir insbesondere einen Aspekt hervorzuheben:
Die Verschiedenheit der zentralen und peripheren Nervenstrukturen, sprich Gehirn und peripheres Nervensystem.
Während wir bei den Säugetieren eine überwiegend zentrale Akkumulation von aktiven und passiven Steuerungselementen finden ist bei den Kopffüßern zwar der kognitive Bereich zentral organisiert, die motorischen Steuerungselemente jedoch verteilen sich statistisch über den gesamten Leib.
Bei Säugern sind die Ebenen des Gehirns nach Art einer Zwiebelschalenstruktur von außen nach innen aufeinander liegend angeordnet - die assoziativen Bereiche des Großhirns liegen auf der äußersten Ebene, auf der Ebene darunter werden die Verschaltungen (auch der beiden Hirnhälften) bewerkstelligt. Im Hirnstamm, der dritten Ebene, schließlich liegen die Automatismen. Unbewußt ablaufende Nervenimpulse zur Muskulatur werden von dort gesteuert.
Über einen Austausch und die Verschaltung zum motorisch aktiven Kleinhirn laufen statische Impulse (Aufrechterhaltung der Körperspannung) und motorische Impulse (Einleitung von Bewegungen) ab.
Das Kleinhirn ist weitgehend dazu da, diese Bewegungsabläufe zu koordinieren und fein auszutarieren, wobei die Impulse zur Bewegungsaktivierung vom Großhirn her eingeleitet werden.
Einfach gesagt:
Das Großhirn entscheidet, welche Bewegung ablaufen soll, das Kleinhirn übernimmt die Ausführung dieser Bewegung - ohne daß diese Impulse zu einzelnen Muskeln/Muskelgruppen ins Bewußtesein gelangen.
Aufschlußreich ist nun die Beschäftigung mit dem Gehirn und dem peripheren Nervensystem der Cephalopoden. Dort ist die Organisation völlig anders gelöst, führt aber zu gleicher Effizienz und zu einer noch höheren Reaktionsgeschwindigkeit. Was an Komplexität bei den Säugern schon wieder zu einer Einschränkung der Leistungsfähigkeit führt ist bei den Cephalopoden durch Simplizität zur Perfektion geführt.
Die motorischen Anteile des Gehirns sind zentral nur gering ausgeprägt, die Masse der motorischen Leistung ist über den gesamten Molluskenkörper verteilt. Insbesondere in den Armen befinden sich zahlreiche Nervenknoten (Ganglien), die mit den zentralen Hirnbereichen zwar verknüpft sind, jedoch eine Eigendynamik vorweisen, die sie fast schon 'autonom' handeln läßt. Es wird von abgetrennten Armen berichtet, deren Saugnäpfe noch Stunden nach Separation vom Tier selbständig aktiv sind und Bewegungen ausführen.
Betrachtet man die Lebensweise und das Beutefangverhalten der Cephalopoden, so wird deutlich, wie diese Besonderheit der Nervenstrukturen zu einem Erfolg dieser Tiere beiträgt:
Sehen und Beurteilung sind zentral verknüpft, Beutefang und Fluchtreaktion werden (motorisch) peripher gesteuert. Einfacher und störungsunanfälliger geht es kaum.
Einfach gesagt:
Cephalopoden haben ihr Kleinhirn nicht konzentriert, sondern diese Funktionen breit über ihren gesamten Körper verteilt. Das verkürzt die Reaktionszeiten.
Vor dem Hintergrund dieser Betrachtungen ist es mir ein Anliegen auf den z.T. brutalen und unbedachten Umgang mit diesen hochentwickelten Tieren hinzuweisen. Japaner z.B. braten die Tiere lebend (!) auf dem Grill, auch Sepien werden dort bei lebendigem Leibe scheibchenweise zu Snacks verarbeitet. Im Mittelmeerbereich werden sie lebend für viele Stunden außerhalb des Wassers gelagert bevor sie qualvoll verenden.
Bei 'niedlichen' Tieren (Schweinchen, Kälbchen, Hühnchen, Häschen) gibt es eine Lobby zur humanen Tötung bzw. zum Verzicht auf deren Verzehr - bei den Mollusken (dahin gehören auch noch Muscheln, Austern, Schnecken, Sepien, etc.) ist das Mitleid weniger ausgeprägt. Das gilt auch für Fische, die teilweise unter erbärmlichen Bedingungen ihr Leben aushauchen - weil man glaubt, sie empfänden keine Schmerzen.
Ich habe selbst früher gern Tintenfisch gegessen. Seit ich aber über Fangmethoden und die Sinnesleistungen dieser Tiere mehr gelernt habe - z.B. wie Tintenfische es schaffen ein Schraubglas zu öffnen um die darin befindliche Beute zu verspeisen - ist mir der Appetit vergangen.
In den nachfolgend verlinkten Videos, eine Kurz- und eine Langfassung (Englisch), werden neben den Betrachtungen zum Nervensystem auch Haut (Farbwechsel) und höhere Sinnesleistungen (Werkzeuggebrauch; Problemlösungsverhalten) angesprochen. Diese Aspekte habe ich hier nicht aufgenommen, weil sie an anderen Stellen bereits umfassend erörtert wurden. Ebenso fehlt hier die Betrachtung zur Konvergenz der Sehorgane (inverses Auge / everses Auge), die andernorts bereits ausführlich besprochen sind.
LONG: http://www.youtube.com/watch?v=lBLRCs5Xobg
SHORT: http://www.youtube.com/watch?v=KyGazPZmmM0