"Arm, Schwach, Krank" - alles zusammen oder mindestens ein Teil davon!
So scheint das Bild der meisten Menschen - die älter sind als das Renteneintrittsalter - bei den jüngeren Anteilen der Gesellschaft zu sein.
Wenn die Jungen oft so denken können sie zunächst einmal nichts dafür.
Warum es so ist und warum es allerdings ebenso falsch sein kann folgt.
Ich nehme den Euro als Beispiel:
Eingeführt wurde er am 31. Dez. 1998*. Nehmen wir einmal an, eine jüngere Person war zu dieser Zeit 10 Jahre alt, dann ist sie heute, 2020, 31 Jahre alt. Bezogen auf die Bargeldeinführung wären es drei Jahre weniger, also 29 Jahre.
All diese Jahrgänge und alle danach kennen nicht mehr die D-Mark. Sie haben ja nur (bewusst) den Euro erlebt. Viele der Älteren erinnern sich noch an die Kaufkraft der D-Mark und wenn sie *umrechnen* ist ihnen der Euro weniger lieb, weil sie die neuen Preise als übertrieben hoch ansehen - insbesondere im Vergleich zu ihren Einkünften, deren Höhe nicht proportional mitgewachsen ist.
All das, was passierte, bevor die jetzige Generation bis Mitte dreißig geboren wurde, kennt diese nicht - und daher ist es schwer für diese jungen Leute zu erkennen, dass vor ihrem Leben die Elterngeneration vor ähnlichen Herausforderungen stand wie sie diese nun erleben. Dass die Vorgenerationen die Probleme in den Griff bekommen haben wird dadurch deutlich, dass der Staat noch existiert und weiterhin grundsätzlich überlebensfähig ist.
Was will ich damit sagen?
"Die Alten", deren Leistungen und Erfahrungen dafür gesorgt haben, dass die jetzigen jüngeren Generationen auf einem soliden Fundament des Staatswesens - bei allen Fehlern, Versäumnissen und Ungerechtigkeiten - weiter bauen können. Sie verdienen es nicht, dass man sie, gerade in den Zeiten der Pandemie, als Hemmschuh für die Wiedereröffnung ungebremsten öffentlichen Lebens verleumdet und von ihnen behauptet, sie seien sowieso nur ein Klotz am Bein der Jüngeren, die sie per erzwungener Abgabenregelungen mit ernähren müssten.

* [Genauer: Januar 1999 wurde der Euro in elf Mitgliedstaaten als amtliche Währung eingeführt. Die Ausgabe als Bargeld an die Endverbraucher begann am 1. Januar 2002.]
Bezüglich des "Klotzes am Bein": Etwas, was ich bei jüngeren und Leuten im Alter meines Wirtskörpers immer wieder anmerken muss, wenn die sich zu unanstastbar halten - das kann sich alles schnell ändern. Man kann heutzutage sehr schnell selbst dieser ungebliebte Klotz am Bein werden, auch ohne alt zu sein. Es reicht nur aus, dass der Zufall für einen die Würfel in die Hand nimmt, und Bing!, schon sitzt man mit Mitte 30 oder 40 da (oder sogar auch 20!), hat eine chronische Krankheit an der Backe, oder etwas, worauf man fortlaufend aufpassen muss, und schon sitzt man selbst in diesem Boot der "unnützen Schmarotzer, von denen die Gesellschaft keinen Mehrwert hat". Mit den gleichen Folgen dadurch (u. a. das verächtliche Herabsehen auf einen).
Ich merke das immer wieder an, weil dieser Denkanstoß ist äußerst wichtig.
Richtig - und gleichzeitig auch bedauerlich, denn so entstehen Vorurteile auf der einen Seite und viel Stress und Demütigung auf der anderen Seite - was durch mehr Verständnis des Hintergrundes durchaus vermeidbar wäre.
Mir ging es hier insbesondere um die - nicht verschuldete, sondern durch die Zeit bedingte - Unkenntnis von früheren Gegebenheiten, die in der Jetzt-Zeit zu falschen Schlüssen führen:
Was die aktuell 'aktive' Generation gerade durchmacht haben wir Alten schon vor 30 und 40 Jahren durchgemacht und (offenbar) gemeistert. Ohne Internet, Mobiltelefonie und erweiterte Mobilität.
"... Ohne Internet, Mobiltelefonie und erweiterte Mobilität."
Ich glaube, dass das nicht die richtige Argumentationslinie verfolgt. Wenn es das nicht gibt, dann merkt man auch nicht, dass es einem abgeht.
Beispiel: ich sehe mir Kochrezepte im Internet an. Aber es gibt genügend Rezepte in Kochbüchern und auch in den Aufzeichnungen meiner Vorfahren.
Ein wesentlicher Gedankengang müsste meiner Meinung nach so lauten:
Warum konnte Hitler an die Macht kommen und so viele Anhänger haben?
Aha, da müssen wir tiefer graben? Wie konnte es zum ersten Weltkrieg kommen?
Ist es wirklich so, dass die österreichische Monarchie mit dem Vielvölkerstaat überfordert war? Dann muss man sich fragen, ob die EU uns nicht ebenso überfordert und wir vor einem großen Konflikt stehen.
Ist der Nationalismus auf die Jahrhundertwende begrenzt. Irgendwie kommt er mir 100 Jahre später genauso realistisch vor wie damals.
Wieso hat sich die deutsche Wirtschaft und auch die österreichische nach dem zweiten Weltkrieg so gut entwickeln können? Waren es nur die Gaben des Marschallplans, der diesen Aufschwung ermöglicht hat? War der Marschallplan wirklich vom Geist des guten Willens getragen? Oder war er nur eine andere, vermutlich bessere Form der Geopolitik? In Asien hat die schlechtere Form ja keine besonders guten Erfolge gefeiert. Nordkorea, Vietnam ...
Zurück zum Marschallplan. Da gab es jemand, der Geld hatte. Und es gab ein Amerika, dass den Traum von Luxus und vor allem erreichbaren Luxus vorzuleben schien.
Das konnte schon den Materialismus der Nachkriegszeit fördern. Aber gab es den nicht schon früher. "Schaffe, schaffe, Häusle bauen " gab es nicht nur im Schwabenland. Das war auch die Devise der Sudetendeutschen, soweit ich das von meiner eigenen Verwandtschaft beurteilen kann.
Materialismus, ein bisschen gewürzt mit Katholizismus oder auch Protestantismus, und ein amerikanisches Modell waren ein fruchtbarer Nährboden für den Kapitalismus.
Jetzt kann man ja den Kapitalismus als guten Gegner gegen den Kommunismus gelten lassen. Doch der Kapitalismus birgt (mMn) eine besondere Gefahr: die Entwicklung zum "Turbokapitalismus", eine gesteigerte Form des Materialismus, der jeglichen anderen Wert als nahezu nicht existent ansieht.
Da gibt es ja den berühmten Indianerspruch: "... erst wenn ihr den letzten Fisch ... und den letzten ...und den letzten ... werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann."
Das Grundprinzip des heutigen Kapitalismus beruft sich auf die Steigerung. Es ist sehr leicht, sich auszurechnen, dass eine kontinuierliche Steigerung um 3% oder auch nur um 2% irgendwann zu einem "Overflow" führen muss. In der Geschichte gab es das Ventil der Kriege. Usw. usw. ...
Und jetzt zurück zum Klotz am Bein. Es gibt momentan, vielleicht 20 Jahre noch eine Dichotomie, eine informationstechnische. Einige "alte" haben sich mit den neuen Medien vertraut gemacht, andere haben irgendwann einmal abgeschaltet. Für die gibt es kein Internet, nicht einmal ein leicht bedienbares Mobiltelefon.
Das Fernsehen ist die einzige Verbindung zur Welt. Eine unidirektionale. Es gibt keine Fussgänger mehr auf den Straßen, die man aus dem Hausfenster ansprechen kann. Eine "Lock-down"-Situation bedeutet ein psychisches Problem. Das wird ja auch thematisiert.
Aber das ist nicht der Klotz am Bein.
Der Klotz an der Geschichte sind junge Leute, die bisher verwöhnt wurden. Von allem, was es so gibt. Einige sind recht gut unterwegs und engagieren sich sogar für Umwelt und den Mitmenschen. Aber vielen Jungen sind momentan die politischen Ereignisse schnurzegal, solange "Grundbedürfnisse" befriedigt werden.
Wenn immer ein politisches System gewuchert hat, waren es die Studenten und die Arbeiter, die auf die Straße gingen. Das hat Opfer bedeutet. Die war man aber auch gewillt, aufzubringen. Ich glaube, dass das heute nicht mehr so funktioniert. Damit wird aber die nächste Krise viel stärker als notwendig ausfallen.
Die Frage an den "Klotz am Bein" müsste also lauten - heute! "Wie konnten ihr es zulassen, dass wir eine derart unmoralische Regierung haben. Ihr wusstet doch, oder hättet wissen müssen, dass bestimmte Eingriffe in die persönliche Umgebung des Menschen ganz vorhersagbare Reaktionen nach sich ziehen." Und sie müssten erkennen, dass gerade die "netten" sozialistischen Parteien (speziell in Österreich) alles getan haben, damit die heutigen, nahezu diktatorisch bzw. wirtschaftsgelenkten Parteien sich so leicht behaupten können. Warum? Weil niemand nach den Schulreformen in den 70er-Jahren noch instande ist, politischen Aussagen zu hinterfragen. Nicht einmal die Journalisten können ordentlich mit Zahlen umgehen.
Dabei war das zu Beginn durchaus mit den besten Absichten verbunden: gleiche Chancen für alle. Man hat das aber damit versucht, dass man die Ansprüche auf null reduziert hat.
Der Klotz am Bein mag vielleicht so empfunden werden. Doch das ist ein temporäres Problem. Wir Klötze (ich gehöre ja auch dazu) werden sowieso irgendwann einmal hin, kaputt, mausetot. Aber mit dem, womit die Nicht-Klötze jetzt fertig werden müssen, sehe ich große Probleme herauf dämmern. Ohne dass die Fähigkeiten erworben wurden, damit richtig umzugehen.
Bei einer direkten Konfrontation USA gegen Russland (von China will ich da jetzt gar nicht reden) sehe ich die USA im Nachteil. Warum? Weil die Amerikaner verwöhnt sind, während die Russen schon länger Entbehrungen kannten, als es die USA überhaupt gibt.
Ja, wir Europäer, speziell wir Mitteleuropäer sind ebenfalls entsprechend verwöhnt. Das wird uns umbringen. Nein, UNS gilt hier nicht, bis es passiert, sind wir eh schon krepiert. Aber vielleicht können wir von irgendwoher zuschauen und uns ins Fäustchen lachen: So, jetzt zeigt einmal, was ihr zustande bringt!
Bezüglich der Kernprobleme (die sich hinter variierenden Strukturen verstecken) würde ich Recht geben.
Ich habe aber auch den Kommentar von Herrn Hartmann gelesen, und muss ihm im letzten Abschnitt beipflichten.
Das ist das, was sich bei mir ganz langsam als Erkenntnis darüber entwickelt, selbst zu den Millennials zu gehören (also die Definition "born between 1980 and 1995; es gibt leider verschiedene Auslegungen des Begriffs).
Bei denen, die um oder nach 2000 geboren wurden, würde ich das als noch schlimmer vertreten ansehen.
Volkswirtschaftlich überflüssig, von Medien mehr erzogen als von den eigenen Eltern, sinkendes Bildungsniveau in der öffentlichen Schule, schrumpfende Möglichkeiten, sich einen Namen zu machen (gesellschaftlichen Status auch bei den Erwachsenen zu erhalten), und mit seinen Sorgen, Nöten, Gefühlen und Problemen allein gelassen, ohne Anleitung wie man damit fertig wird, und allgemein ist auch ziemlich vieles egal (z. B. Manieren, Moral, Anstand) - das ist im Kern das, womit man die jetzige Generation an "neuen" Erwachsenen (20−30 Jahre alt) als Basis ins Rennen schickt.
Im Kern würde ich es noch umreißen als: "Wenn du dir selbst nicht wichtig bist, bist du's niemandem.". (Klingt eventuell sehr nach "der einzige Mensch, der an mich denkt, das bin ich", aber so ist es nicht gemeint.)
Ich gehöre nun zu denen, die das realisieren und inzwischen genau benennen können (und auch um Besserung bemüht sind); viele andere sind diesen Gesetzmäßigkeiten und dieser Basis unterlegen, aber registrieren es nicht.
Und daher muss ich Herrn Hartmann zustimmen, dass das alles nicht nach gutem Ausgang aussieht.
Aus dem einfachen Grunde: Unter sicherer Blase versiegelt, wurdest du noch nicht einmal mit dem Nötigsten an Wissen genährt, was es braucht, um gut in der Welt da draußen zu überleben.
Das ist in etwa, als wenn ein Katzenjunges von seiner Mutter nicht die Grundzüge beigebracht bekommen hat wie sich eine Katze verhält und wie sie sich Nahrung organisiert.
@ HKH
Sie haben es wie immer mit Bravour verstanden die Sache beim Namen zu nennen:
Verzogene, uninteressierte, aber stets fordernde Jungfrauen und -männer, die bisher immer von hohem Niveau startend das bekamen was sie wollten - und meist mit wenig oder geringem eigenen Einsatz, zur Not immer ein Netz bereit, um sie aufzufangen.
Das politische System, die Medienlandschaft und meist auch die Eltern sind so mit sich selbst beschäftigt, dass es nur bedingt um eine Interaktion im wahren Sinne geht, meist ist es nur nachäffen von vorgestellten Verhaltensmustern.
PS
Ganz wichtig noch ihr Gedanke der Absenkung der Schwellenwerte - anstatt mehr zu fordern weil ja schon Vieles errungen wurde, senkt man die Anforderungen damit mehr junge Menschen in diese *Wohlfühlzone* kommen, ja nichts fordern, immer pampern .... das ist der Riesenfehler.
@ matrixmann
Ob nun ein paar Jahre hin oder her:
Was bleibt ist die Abkoppelung von realen Bedürfnissen und solchen, die suggeriert werden und dann zu Suchverhalten danach führen - immer wegen des Wunsches nach unmittelbarer Belohnung.
Es werden Strukturen errichtet an denen man sich entlanghangelt - und von der Umwelt erwartet man, sich daran zu orientieren und danach zu richten, obwohl dazu nie ein Konsens gesucht oder ein Kompromiss vereinbart wurde.
Mir gefällt das Beispiel mit den Katzenjungen - weil die völlig aufgeschmissen wären, wenn sie nicht wenigstens natürliche & angeborene Muster hätten, die einsetzen wenn sie von den Eltern nicht ausreichend 'eingewiesen' werden wie man so als Katze lebt ....
Das bei Menschen:
Fast keine Selbsterhaltenden Fertigkeiten mehr!
@ wvs
Dieses Verhalten, schnell die Sucht zu verfallen, das ist ein Teil, der mir bei den ganz jungen jetzt auch sehr auffällt. Bei mir ist das in der Form so nicht vorhanden - da merkt man dann doch den Altersunterschied... Auch wenn ich mich dafür nicht verbürgen würde, dass ich keine Substanzabhängigkeiten entwickeln könnte - ich bin nur mit dem meisten Input, den es da gibt, nicht in Berührung gekommen, oder habe zielgerichtet danach gesucht.
Verhaltensdinge wiegen da schon wieder etwas anders. Da habe ich im auf meiner Reise meinem Gehirn schon einiges ausgetrieben.
Hm, was heißt "austreiben"... Es kam einfach dabei herum, indem, dass man sich mit den Mustern des eigenen Gehirns intensiver beschäftigt hat.
Erkannt hat, was sich dort abspielt, wie viel Bezug es zur Gegenwart hat oder wie viel Sinn es noch ergibt. Teilweise auch, ob es sich lediglich auf bestimmte Personen bezieht.
Einfach, dass einem der Narzissmus des eigenen Gehirns aufgefallen ist.
Ich würde sagen, durch diese Vergegenwärtigung ist vieles gutes und nützliches bei herausgesprungen. Weil man dann nämlich auf die Seite wechselt "okay, ich weiß, da hat mein Gehirn ein Problem - ich muss es beruhigen" und die erwachsene Fürsorge dafür übernimmt. Was dann unter anderem in solche Dinge wie "Verhandeln", "Kompromisse suchen" und "dezent werden" mündet, weil eben andere Leute auch ihre eigenen Interessen haben und nicht nur dazu da sind, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, oder sich mit einem den ganzen Tag zu beschäftigen (und einem ihre Aufmerksamkeit zu widmen).
Ich weiß, bei Menschen endet die völlige Nicht-Versorgung und die Nicht-Stimulation der geistigen Fähigkeiten im schlimmsten Fall in Hospitalismus.
Die Verhältnisse sind doch heutzutage so:
Es wird grenzenlos zum eigenen Nutzen - und nur dazu - gehandelt. Sogar das, was früher eine Gefälligkeit für einen anderen Menschen war, ist heute eine *Großtat* die mehrfache Erwähnung und noch mehr Lob braucht (und oft auch bekommt)! Ich bin bestimmt der Letzte der grenzenlosem Altruismus das Wort redet, aber ab und zu 'mal etwas selbstlos für andere zu tun schadet nicht, im Gegenteil .... es muss nicht immer "tit-for-tat" gehen.
Es bleibt außerdem dahingestellt wie das auf der physiologischen Ebene repräsentiert sein mag - wir sehend das Ergebnis, und das reicht (zumindest mir, ich will gar nicht mehr dazu wissen, dazu ist mir der Aufwand zu groß für das, was am Ende heraus kommt und wie es mir möglich ist darauf einzugehen bzw. etwas daran zu ändern). Ich nehme das hin ohne nach dem "Wie geht das physisch" zu fragen. Weil ich mit dem Aufwand dieses Wissen zu erreichen zu spät angefangen habe und es nicht mehr zu der Vollkommenheit bringen kann das Gebiet zu überschauen - da fehlt einfach die Zeit und ich würde sterben bevor ich richtig eingearbeitet wäre. Man muss erkennen wo sich der Aufwand lohnt und wo nicht.
@matrixmann
"Ich weiß, bei Menschen endet die völlige Nicht-Versorgung und die Nicht-Stimulation der geistigen Fähigkeiten im schlimmsten Fall in Hospitalismus."
Ich weiß nicht, ob ich das einmal Beschreibung einer Folter oder eines Tests in einem Science-Fiction-Roman gelesen habe. Es ist schon mindestens 45 Jahre her und damals habe ich mich sehr für Gehirnfunktionen interessiert.
Da gab es einen Begriff von "afferenten Stimuli", als Anregungen, die von außen an den Menschen herangetragen werden.
Ich erinnere mich, dass es nur Stunden waren, vielleicht sogar im zweistelligen Bereich, bevor ein Mensch total verrückt wurde, wenn er all seiner afferenten Stimuli beraubt würde.
Der Aufbau war eine Unterbringung in einem Salzwasser, in der der Mensch von selber schwebte und auch keinen Tastsinn kannte. Weder Licht noch Geräusche waren vernehmbar. Natürlich auch kein Geruchs- oder Geschmackssinn.
Da geht es also noch nicht einmal um den Verlust des Denkens. Ohne afferente Stimuli kommt das Gehirn anscheinend gar nicht in die Lage, zusammenhängende Gedankenfetzen zu erzeugen.
Ich habe jetzt kurz versucht, ob ich etwas im Internet finde, aber es sind keine Versuche beschrieben.
Da gab es sogenannte "Kaspar-Hauser-Versuche" (nicht an Menschen, das wäre unethisch), bei denen sämtlicher *input* ausgeschaltet war. Ich erinnere das schwach aus einer Pysiologievorlesung, aber das ist schon so lange, fast 50 Jahre her .... wie doch die Erinnerung verblasst!
Richtig ist, dass zur Lagefeststellung verschiedene Parameter zusammen vorhanden sein müssen, damit das Bewußtsein es erfassen kann, wo und wie der Mensch gerade ist. Das NICHT zu wissen kann schon bedrohlich sein. Wäre es für mich.
@ wvs
Soweit ich im Bilde bin, ist noch etwas anderes das Problem (so interpretierte ich auch den Kommentar davor): Was jetzt die sind, die nach dem Millennium schon geboren wurden, die haben ein unglaubliches Problem mit "wenn ich etwas tue, brauche ich gleich eine Belohnung" - wie ein Junkie.
Das kommt aber nicht von ungefähr, das ist eine antrainierte Sache.
Ein früher Impuls, um das zu trainieren, ist beispielsweise ein Smartphone.
Sobald die dann immer weiter Richtung Erwachsensein gehen, sind sie inzwischen so abhängig von dieser Belohnung (z. B. Bestätigung/Reaktion des eigenen Verhaltens, Aufmerksamkeit), dass ihre Welt nicht mehr ohne funktioniert. Oder einen extremen Einbruch erfährt (der geradezu vorprogrammiert ist, denn wenn man in die Welt der Erwachsenen wechselt, stellt es sich unmittelbar ein, dass man nicht mehr für jede Handbewegung gelobt wird bzw. diese auch nur bemerkt wird).
Im Prinzip steht mit dem Erwachsenwerden eigentlich ein Aufwachen aus der eigenen narzisstisch geprägten Welt an - viele stehlen sich aber aus diesem Aufwachen davon. Unter anderem auch deshalb, weil die ortsnahe und die weitere Umgebung diese Blase weiterhin aufrecht erhält und es gar nicht dazu kommt, dass das Hirn einmal realisiert, es lebt in einer falschen Vorstellung von der Welt und sich selbst. (Ein nächstes wäre: Es werden überhaupt die Fähigkeiten, um in der Welt der Erwachsenen anzukommen, nicht entwickelt - z. B. technische Fähigkeiten, die es möglich machen, einen Job auszuüben; diejenigen bleiben somit in dieser kindlichen, narzisstischen Welt, mit der sie aufgewachsen sind und von der sie geprägt wurden.)
Diese Kette wird also nie richtig durchbrochen.
Infolgedessen bleiben die Betroffenen so wie sie von den ersten 20 Jahren ihres Lebens geprägt wurden und sehen darin zunächst nichts falsches.
So kommt es, dass sich ihr Leben weiterhin nur um ihre "Belohnung" dreht, ihre andauernde (positive) Selbstbestätigung. (Und dass immer eitel Sonnenschein ist.)
Bei meinem Gehirn ist es, von der Prägung her, Mischmasch, mit wesentlich größeren Anteilen von "you're a motherfucking piece of shit and you never amount to nothing".
@ Hans Hartmann
Es ist irgendwo so, dass der - geprägte - Mensch regelrecht verrückt davon wird, wenn er keinen Input über die Sinne bekommt. Deswegen funktioniert sowas wie Haft in Dunkelzellen, um bei jemandem den Willen zu brechen.
Umgekehrt auch, dass Leute, die etwas schlimmes erlebt haben, was ihre Aufnahmefähigkeit übersteigt, eventuell eine total reizarme Umgebung suchen oder auf kaum etwas nach außen hin reagieren.
Beim noch völlig ungeprägten Menschen (also Baby/Kind), hat es zur Folge, dass sich neurophysiologisch kaum oder keine Nervenverbindungen im Hirn bilden. Im Prinzip wächst der Körper zwar weiter, aber der Mensch bleibt auf dem geistigen Niveau einer Tomate zurück. Das Nervengewebe im Hirn bleibt quasi wie "tot" (stirbt eventuell in Folge der Nichtnutzung auch ab). Und der Organismus (als Ganzes) richtet sich mit diesem Zustand ein.
Mit der Nichtentwickung diser Hirnstrukturen bleibt der betroffene Mensch im allerschlimmsten Fall ein Pflegefall, eventuell stirbt er sogar von ganz allein.
@matrixmann
Ihre Antwort mit der "unmittelbaren Belohnung" erinnert mich daran, dass ich darüber einmal etwas geschrieben habe. Ich nannte es die IAS-Generation.
"Ich, Alles, Sofort". Ich glaube, dass ich das nicht näher erklären muss. Aber ich hatte es in Zusammenhang mit etwas Anderem gefunden. Mit der Aufnahme von Musik.
Jetzt bin ich ja ein sogenannter "klassischer Musiker". Mit einem weit ausgedehnten Musikgeschmack. Ich kann aber durchaus verstehen, dass Wagner nicht jedermanns Sache ist. Es gibt ein lustiges Beispiel: selbst Bruckner hat sich in Bayreuth in seiner Wagnerverehrung den ganzen Tristan angehört, ohne zu wissen, was die Musik ausdrückt, oder worum es geht.
Aber es gibt auch andere Musikstücke, die es erfordern, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt, um zu verstehen, was die Musik ausdrücken soll. Oder man muss sie ein paar Mal hören, um sie zu schätzen. Aber das erfordert "Arbeit". Ich habe einige Personen, darunter meine Frau und Freundinnen und Freunde "missioniert". Viel besser hat das noch mein Vater verstanden. Der hat als Bauingenieur 30 Jahre lang Musikvorträge gehalten, mit Platten und einem Xylophon, auf dem er die Themen angespielt hatte. Seine Zuhörerschaft, alles ausgesprochene Musiklaien, folgten ihm von Händel über Haydn, Mozart, Beethovewn, Brahms, Schubert, .. bis zu Bruckner und Mahler. Und sie waren letztlich begeistert, wenn sie erkannten, was in der Musik stecken kann.
Für die IAS-Gesellschaft ist das natürlich nichts. Rhythmus zieht und vielleicht vier verschiedene Harmonien.
Aber es gibt noch einen kleinen Seiteneffekt. Der vielumjubelte und vielbeklatschte Radetzkymarsch im Wiener Neujahrskonzert ist ja ein Militärmusik. Als solche besonders erfolgreich. Dazu marschiert man ja gerne als Soldat in den Tod.
Im Film "Apokalypse Now" von Francis Ford Coppola wird Vietnam noch wenigstens zum Walkürenritt gebombt. Geil, nicht wahr?
@ Hans Hartmann
Ist ein Aspekt, wo sich das auch widerspiegelt, ja.
Deswegen ist z. B. zeitgenössige populäre Musik aktuell so simpel strukturiert; im Prinzip muss in den ersten 30 Sekunden der ganze Song präsentiert werden, sonst klickt sich der Durchschnittskonsument auf YouTube weiter.
(Es gab dazu mal vor einer Weile eine Doku der Öffentlich-rechtlichen, die ging darüber sehr ins Detail. Hieß "Champions der Charts".)
In Bezug auf "Geschmacksentwicklung" trifft es ebenfalls zu. Vor einer Weile hatte ich dort auch mal einen kleinen Gedankengang festgehalten, da ging es allein um die Länge von Songs, die man sich gern anhört: https://matrixmann.livejournal.com/271130.html
Auch stimme ich der Sache zu, dass es manche Stücke gibt, die erst mit dem zweiten und dritten Mal erst richtig gut für einen klingen, weil man sie dann erst versteht, oder weil einem die gewisse Tiefe dann auffällt, mit der sie komponiert sind.
Manchmal kommt das auch erst, weil man zum Textinhalt (wenn es einen gibt) eine inhaltliche Assoziation oder einen persönlichen Bezug aufbaut.
Es gäbe dazu aber noch was, was mir einfällt.
Wann immer man in diesen Tagen (hier jedenfalls) irgendwo auf der Straße Musik aus einem brüllenden Bluetooth-Lautsprecher vernimmt, nicht nur, dass man sich gewiss sein kann, dass es jemand jüngeres ist, dem er gehört (das sind die, die am meisten das Bedürfnis verspüren, sich zeigen zu müssen, und noch kein Auto haben, um das zu tun), sondern man erkennt es an der Musik selbst.
Wenn nicht irgendein unstrukturiertes undefinierbares Irgendwas vor sich hin jammert, und das soll dann "Gesang" darstellen, dann läuft vorzugsweise deutscher Gansta-Rap.
Bei dem Thema - wie sagte das mir jemand sehr treffend? "Die sind in einem Alter, wo man cool von peinlich noch nicht unterscheiden kann."
Ich stimme dem insofern zu, weil deutscher Gangsta-Rap für mich wie ein alter Hut ist. Das kam in etwa vor 15 Jahren auf, beginnend mit Sido's "Mein Block".
Im Prinzip höre ich von weitem zu und entweder lache ich oder langweile mich. Weil mein Kopf sagt "Kommt das denn nie aus der Mode?". Das war schon die "Protest"-Musik der vorherigen Generation. Nichts Neues im Westen also... Lässt mich ziemlich kalt (so lang es mich nicht anbrüllt).
Und die denken Wunder was für krasses Zeug mit krassem Wortschatz sie da öffentlich mit sich spazieren tragen... Wirklich lachhaft.
(Den einzigen Song, den ich so mal aufgeschnappt habe, der in mein Schema passt und gar nicht so schlecht ist, wenn man den Text doch mal verinnerlicht, ist "Kind eines Teufels". Der muss wohl in gewissen Kreisen scheinbar ein kleiner Hit sein, weil ich den hin und wieder aus verschiedenen Quellen schon gehört habe, und das meist unverhofft.)
Ein Teil von mir will denen am liebsten raten "Leute, probiert es doch mal mit etwas, wo alle 15 Sekunden "Kill, kill, kill!" zu hören ist.", weil ich das als wesentlich eindrucksvoller empfinde als eine Aneinanderreihung von diversen Schimpfwörtern. Wörter wie "ficken", "Fotze" oder "Schlampe" holen doch heute keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Das kennt man doch schon alles und kann man (bestimmt) regelmäßig im Assi-TV hören.
Und dass es ständig nur um konventionelles Ficki-Ficki mit möglichst vielen Weibern geht, das ist auch nicht wirklich was neues. Was neues wäre es, ein Stückchen von "Ich tu dir weh" von Rammstein zum Standardinhalt zu machen - aber das hat wohl wieder eher etwas mit ein bisschen geistiger Reife zu tun. SM muss man erst verstehen, um damit provozieren zu können.
Die Halbwüchsigen interessieren sich zwar gern für Sex und kennen am liebsten auch alle Begriffe, aber wenn es dann aufs Exempel mal geht, dann kennen die nichts außer die üblichen oberflächlichen vorgefertigten Medieninhalte, wenn überhaupt (Domina, Peitsche, Sklave).
Oh, Verzeihung, ich brabbele so vor mich hin...
...Ähm, ich hoffe, dass es ein wenig 'rüberkommt, was ich meine.
Ich weiß nun eines daran nicht: Ob den Teenagern von heute das so bewusst ist wie mir, dass der Kram, mit dem sie dort laut posaunend auf Tour in der Öffentlichkeit gehen, eine Nummer ist, die es schon seit etwa 15 Jahren gibt - und damit nichts wirklich neues unter der Sonne ist.