Die Frage ist unklar/uneindeutig formuliert, da es nicht ersichtlich ist was unter "Geschmacksnerven" verstanden werden soll. Einerseits können damit die Nervenbahnen in ihrer Gesamtheit gemeint sein, die 'Geschmack' von den Rezeptoren in Mundschleimhaut, Zunge und Rachen zum Gehirn leiten. Andererseits könnten damit die Rezeptoren selbst gemeint sein, deren Zahl größer oder kleiner ist, je nachdem wann man es (Lebensalter!) untersucht.
Weiter muss in diesem Fall festgelegt werden um welche Geschmacksqualität es sich handelt, denn zwischen den Zahlen von Rezeptoren für süß, sauer, salzig, bitter gibt es Unterschiede. Das sind die 'gesicherten' Wahrnehmungen.
Populärliteratur behauptet es gäbe außerdem ".. umami, also herzhaft ..", weiter heißt es ".. Eine neue Studie aber liefert nun den bislang stärksten Hinweis auf einen sechsten Sinn. Auf der menschlichen Zunge gibt es Knospen, die auf Fett reagieren. Manche Menschen scheinen besonders sensibel .." [Quelle] ¹
Eine Grundlagenzusammenfassung zum Geschmackssinn findet sich in dieser Dissertation (*.pdf); dort wird schwerpunktmäßig der ".. Geschmackssinn bei Kindern, insbesondere der die Entwicklung eines Schmecktests für Schulkinder zwischen fünf und sieben Jahren .." untersucht.
Auf die Behauptungen in Tertiärveröffentlichungen (Boulevard-/ Ratgeberpresse) werde ich später noch zurück kommen³ und klären, was davon zu halten ist.
".. Alle Zellen des Geschmackssinns, angefangen bei den Sinneszellen in der Zunge bis hin zu den Nervenzellen in der Großhirnrinde, reagieren auf mehrere Reizarten. Die Sensibilitäten für die einzelnen Stoffe scheinen jedoch unterschiedlich zu sein .." heißt es bei Lernhelfer, doch ist das keine besondere Leistung des Geschmackssinnes, sondern eine allgemeine Leistung des Nervensystems: Sie kennen sicher den Schmerz wenn man etwas Heißes angefasst hat - und genau so fühlt es sich an wenn man etwas sehr Kaltes für längere Zeit festhält - 'heiss' und 'kalt' sind also ein Frage der Dauer der Einwirkung, nicht unbedingt der tatsächlichen Temperatur (wobei die Folgen für das Gewebe selbstredend sehr unterschiedlich sein werden).
Gehen wir also zunächst einmal der Frage nach welche dieser beiden grundsätzlich verschiedenen Strukturen gemeint sind. Da bei Kindern bis zur Pubertät die Nervenbahnen noch nicht komplett sind, sondern mit dem Körper wachsen, kann das nicht der Teil sein, der gemeint ist. Sie sind bei Kindern kürzer und in der Masse kleiner, weswegen also die Geschmacksnerven des Mundes gemeint sein müssen.
".. Auf dem Zungenrücken, d.h. der Zungenoberfläche, befinden sich neben kleinen Erhebungen, den Papillen zur Tastempfindung auch solche zur Geschmackswahrnehmung. Man unterscheidet Blätterpapillen sowie pilzförmige und wallförmige Geschmackspapillen. In ihrem Inneren liegen die Geschmacksknospen. Sie ähneln in ihrer Form Tulpenknospen, daher auch der Name. Oben, im Bereich der Epitheloberfläche der Zunge, weisen die Geschmacksknospen ein kleines Grübchen mit einer Öffnung auf, den Geschmacksporus. In diesen ragen die Sinneszellen mit einem so genannten Geschmacksstiftchen hinein .." [Quelle]
Auch hier setzt die Überlegung zunächst an der Größe an: Weniger Gewebe deutet zunächst einmal auf weniger Sinneszellen hin. Doch stimmt das?
Erstens wird hier noch vernachlässigt, dass der Geruchssinn funktionieren muss um den Geschmackssinn voll zu aktivieren. - wenn die Nase verstopft ist schmeckt selbst das beste Essen nicht wirklich. Da das für Kinder und Erwachsene gleichartig im Ergebnis ist können wir es als Ursache für einen Unterschied vernachlässigen.
Zweitens steht nicht fest, welche der Geschmacksrichtungen in den Sinneszellen, die den Reiz aufnehmen, in welcher Zahl, d.h. in welchem Verhältnis zueinander und im Vergleich zum Erwachsenenalter denn tatsächlich zu finden sind.
Hier nähern wir uns nun dem Kern der Sache und müssen Daten, Studien und Beweise finden, um diese Frage zu klären.
".. Insgesamt nehmen Kinder Geschmäcker erst in viel höherer Konzentration wahr als Erwachsene. Eine europaweite Studie zum Essverhalten bei über 400 Kindern ergab, dass Dreijährige eine Zuckerlösung erst dann als süß empfinden, wenn sie 8,6 Gramm Zucker enthält. Diese Reizschwelle sinkt mit fortschreitendem Alter: 20-jährige Probanden schmeckten bereits rund zwei Gramm den Zucker heraus .." [Quelle]
Das klingt doch eher so, als ob Kinder weniger Geschmackszellen hätten oder diese, selbst wenn ihre Zahl absolut höher wäre eine geringere Empfindlichkeit haben und daher Kinder weniger gut schmecken als Erwachsene.
Nun soll man seine Wahrnehmung nicht von einer Quelle allein bestimmen lassen und wir machen uns auf die Suche nach weiteren Veröffentlichungen zum Thema.
Da werden wir fündig und lesen folgenden Text ".. Die Sinnesorgane sind zwar von Geburt an funktionstüchtig, doch die Wahrnehmung ist eine Sache der Übung. Sensorische Tests haben gezeigt, dass Kinder erst nach und nach feinere Unterschiede herausschmecken können und dass dies keine organischen Gründe hat .." [Quelle].
Diese Feststellung sagt also, es seien zwar bei Kindern alle anatomischen Voraussetzungen gleich, aber das Schmecken sei ein Lernvorgang, der erst entwickelt werden müsse. Das klingt zumindest für mich so, als ob Kinder nicht besser, sondern sogar schlechter schmecken können. Wir lesen in diesem Artikel - die Untersuchung wurde mit 400 Kindern zwischen drei und acht Jahren durchgeführt - folgende Zusammenfassung ".. Mit steigendem Alter zeigte sich in den Untersuchungen eine deutliche Abnahme der unteren Reizschwellen. Mit anderen Worten: Je älter des Kind/der Jugendliche, desto geringer fällt die Konzentration aus, bei der eine Lösung gerade noch als nicht geschmacksneutral empfunden wird. Diese so genannte Reizschwelle sank besonders zwischen dem achten Lebensjahr und dem Erwachsenenalter stark ab .." [Quelle]
Das zeigt sehr deutlich, wo die Unterschiede sind und wie sie beurteilt werden müssen:
Erwachsene haben zwar nicht mehr Geschmacks(-sinnes-)zellen, doch sie haben gelernt zu unterscheiden. Das ist es was Kindern noch fehlt: Erfahrung mit verschiedensten Geschmacksträgern die nicht die Qualität 'süß' repräsentieren, für die sie von Geburt an eine extrem hohe Empfindlichkeit ab einem bestimmten Mindestgehalt der Nahrung haben.
Andererseits gibt es Untersuchungen die zeigen, dass selbst in höherem Lebensalter noch Änderungen der Nahrungspräferenz für bestimmte Geschmacksrichtungen möglich sind. Nachgewiesen wurde es allerdings bisher nur für den Salzgehalt der Nahrung:
".. there's some scientific evidence to support this experience. Researchers have also investigated methods of modifying one's food preferences so more healthful foods will be more appealing. In general — and not unexpectedly — flavor and food preferences are more malleable when we're young (indeed, in utero), but as adults, we can still work on them .. Several studies have shown that people who manage to follow a low-sodium diet for several months wind up preferring lower concentrations of salt in their food. .." [Quelle].
Doch zurück zu der Frage ob Kinder mehr Geschmacks(-sinnes-)zellen haben.
".. wenn Ihr Kind ungefähr 5 Monate alt ist, sind die Geschmacksnerven Ihres Babys so weit entwickelt, dass es salzig erkennen und auch darauf reagieren kann .." [Quelle]
Im gleichen Beitrag heißt es wenig später ".. In diesem Zeitraum ist der Geschmackssinn Ihres Babys sehr ausgeprägt. Tatsächlich hat ein Neugeborenes eine weitere Streuung der Geschmacksnerven als ein Erwachsener. Die Geschmacksknospen sind im Mund, Rachen, auf der Zunge und auf seinen Mandeln zu finden ..". Diese Aussage mag dahingehend interpretiert werden, wie es eingangs postuliert wurde - jedoch: Es fehlen jegliche Beweise!³ Als AutorIn wird lediglich angegeben '.. Geschrieben für BabyCenter Deutschland ..' - zweifelsohne ist das weniger überzeugend als eine wissenschaftliche Quelle!
Damit komme ich auf die Dissertation zurück, die ich ganz oben bereits erwähnt habe.
Der Zweck dieser Untersuchung wird folgendermaßen beschrieben:
(S.03) ".. Ziel der Studie war es herauszufinden, ob gesunde Schulkinder im Alter zwischen fünf und sieben Jahren in der Lage sind, vier der fünf Grundgeschmacksqualitäten, nämlich salzig, sauer, süß und bitter sowie Wasser richtig zu erkennen und zu benennen und wie ihre Ergebnisse im Vergleich zu Erwachsenen ausfallen. Dabei interessierten uns nicht nur die Ergebnisse für die Testung im ganzen Mund, sondern auch die Frage, ob bei Kindern in diesem Alter eine regionale Testung auf der Zunge möglich und sinnvoll ist .."
Zur Anatomie und Physiologie wird ausgeführt (S.25):
".. Das heißt Kinder haben insgesamt mehr Geschmacksknospen als Erwachsene, was aber keine Rückschlüsse auf die Funktion zulässt. Die Innervation der Papillen und Knospen scheint bei Kindern noch nicht so gut ausgebildet zu sein wie beim Erwachsenen (Plattig, 1984 aus Guinard, 2001) .."
Das Fazit für den Vergleich lautet (S. 26):
".. Eine Studie aus Österreich kommt zu dem Ergebnis, dass nur 27,3% der zehn- bis dreizehnjährigen Schulkinder in der Lage sind alle der vier getesteten Geschmacksqualitäten (süß, bitter, salzig und sauer) zu erkennen und richtig zu benennen. 5,2% der Kinder erkannten drei von vier, 35,8% erkannten zwei von vier, 23,6% erkannten eine von vier und 8,1% erkannten keine der Geschmacksqualitäten. Im Vergleich hierzu lieferten Erwachsene bessere Ergebnisse. Über 70% der Erwachsenen erkannten alle Geschmacksqualitäten (Dürrschmidt et al., 2008 aus Traar, 2009) .."
Wegen der insgesamt vorgelegten Studienergebnisse und den Befunden aus dieser spezifischen Dissertation ziehe ich den Schluss, dass nicht nachgewiesen werden kann, dass Kinder besser schmecken können als Erwachsene, sondern umgekehrt Erwachsene besser schmecken können als Kinder.
¹ ".. Weitere Sensoren für Glutamat ("Umami") gelten als gesichert, möglicherweise gibt es auch spezielle Sensoren für Fette .." behauptet auch "Lernhelfer" - ohne jedoch, genau so wie der Spiegel, die Quellen zu nennen. Hat da eine Zeitschrift von der anderen abgeschrieben und kommt es so, dass sich dergleichen "Erkenntnisse" lediglich dadurch hervorheben, dass sie so oft wiederholt werden, dass der Eindruck entsteht sie seien tatsächlich Erkenntnisse der Wissenschaft?
² Wenn so etwas als Titel eines Artikels dasteht habe ich große Bedenken was die Qualität des Inhalts dieser Veröffentlichung angeht. Im weiteren Verlauf des Textes wird jedoch der Eindruck abgeschwächt und durch wissenschaftlich angemessene Darlegung aufgehoben.
³ Aussagen ohne Beweise sind wissenschaftlich irrelevant. Werden zudem noch quantitativ mehr gegenteilige Quellen gefunden, so spricht das dafür, dass in der Populärliteratur eher Meinungen als Fakten verbreitet werden.
Weitere z.T. populärmediale Quellen die das dargelegte Fazit unterstützen:
→ Sinne-Special - Teil 4: Das Schmecken
→ Appetit auf Geschmack; Dipl. oec. troph. Lisa Vogel
→ Aus wissenschaftlicher Sicht umstritten: "orale(s) Mikrobiom" → Der wissenschaftliche Grund, warum viele Kinder keinen Brokkoli mögen
Man sagt nicht umsonst "Geschmack muss sich erst entwickeln" (trifft dort zwar eher auf persönliche Präferenzen zu, hat aber auch etwas bei sensomotorischem Geschmack an sich)...
Würde, soweit wie es Änderungen in den eigenen Gewohnheiten betrifft, auch nicht behaupten, dass es an der vorhandenen Zahl von Geschmacksknospen auf der Zunge liegt, sondern am wesentlich größeren Wissen um verschiedene Essen und ihren einzelnen Geschmäckern.
Wissensinput hilft auch bei der Entwicklung eigener Kochfähigkeiten - weil man in etwa ein Gespür/Mengenverhältnis dafür kriegt, wie viel man von was zusammenwerfen muss, damit was in der Mitte als Endergebnis herauskommt.
Ja, überhaupt Anhaltspunkte zu kriegen, was man zusammenwerfen muss, um ein bestimmtes Ergebnis herauszukriegen!
Dass Veränderung in den eigenen Präferenzen auch später noch möglich ist, würde ich auch soweit als Aussage unterstützen.
Beispielsweise esse ich seit einiger Zeit auch Sushi. Vorher haben meine Augen das nie wahrgenommen und es hat sie auch nicht interessiert.
Der Geschmack von Sojasauce ist bei mir auch nicht mehr ganz wegzudenken (und Dingen, die man darin tunken kann).
Oder - ich sag' nur "Olivenöl". Diese seltsame Geschmackskombination aus bitter, "fruchtig" und (ein bisschen) scharf - daran muss man sich erst gewöhnen. Hat sich mein Hirn aber im Laufe der Zeit.
Erstaunlich war für mich der Hinweis in einer der Veröffentlichungen, dass es besser ist 'reine' Zutaten zu verwenden und sie nicht miteinander zu mischen, sondern nebeneinander zu servieren, damit Kinder den 'reinen' Gesdchmack einzelner Gemüse und sonstiger Nahrung erkennen lernen.
Die südländische und asiatische Küche machen so ähnliche Ansätze, allerdings nicht immer ganz 'rein', sondern aufeinander abgestimmt - das ist es wohl was du mit '.. Ja, überhaupt Anhaltspunkte zu kriegen, was man zusammenwerfen muss, um ein bestimmtes Ergebnis herauszukriegen! ..' angedeutet hast.
Ich kenne zwei Ausnahmen, die ich gern verarbeite wenn es 'mal schnell gehen muss: Letscho und Duvec, jeweils ergänzt mit Huhn, oder fettreduziertem Rindsgehacktem oder aufgetauten Cevapcici ....
Aha, da sagst du etwas...
In etwa so einen gleichen Tick habe ich dabei, wenn es darum geht, neue Nahrungsmittel kennenzulernen (können auch komplett fertige Gerichte sein)... Allerdings von mir allein aus.
Das ist dann in der Regel so: Ich versuche, das Objekt, wofür ich mich interessiere, bei der "Erstverkostung" möglichst "pur" zu verzehren - also wenig gewürzt, nur das Mindeste, was es benötigt, eventuell auch nur die "allgemeine Nummer", zu salzen und zu pfeffern (damit kann man kaum etwas falsch machen).
Bei Obst - seltsam anmutendem Exotenobst - habe ich in der Regel erst mal nachgeschlagen, wie isst man das "Ding" überhaupt (manchmal muss man das wirklich erst wissen).
Fertige Gerichte, wo ich im Prinzip "bloß mal einen anderen Geschmack kennenlernen will", mache ich nichts weiter dran, modifiziere nichts.
- Fertige Gerichte können zumindest in ihrer Ausgangskonzeption auch ein klein wenig Inspiration dabei sein, ob einem ein Gericht oder eine Richtung von Essen überhaupt "liegen" könnte. - Wenn es das nämlich nicht tut, muss man eine Sache nämlich nur ein Mal essen...
Das alles, nehme ich soweit auch wahr, "hilft" meinem Hirn, in dem Sinne, ein "Gefühl" für eine bestimmte Speise zu kriegen. Also, ihren Grundgeschmack.
Grundgeschmäcker sind wiederum eine sehr gute Basis dabei, komplexe Geschmackskonzeptionen zu generieren. Oder sie in anderen Gerichten, die einem fertig forgesetzt werden, selbst herauszuschmecken und sich ein inneres Bild von der vorgegebenen Kombination von Geschmäckern zu machen (z. B. von Sachen, die man selbst noch nicht kann).
Also... diese Art von "Purismus" erlebe ich als eine sehr große Quelle von Input, sodass man sich ewas vorstellen bzw. "zusammenreimen" kann wie das selbst erzeugt werden kann.
Je mehr bewusst erlebten Input man hat, desto mehr kombiniert und fügt sich das im Kopf zu komplexeren Überlegungen zusammen.
Kochen ist vor allem Improvisationsgabe und Phantasie - die Voraussetzung dafür sind zweifellos Kenntnisse zum Geschmack der Speisezutaten und insbesondere der Gewürze - beispielsweise passt zu einem Curry schlecht Knoblauch, wohingegen Ingwer eine feine Schärfe zufügt. Wer neben diesen Fähigkeiten nicht zugleich ein wenig Geschick im Umgang mit Küchengeräten und ~technik hat, sollte fraglos Anderen das Kochen überlassen ....
PS
Pfeffer ist mit Vorsicht zu genießen! Schon ein Quäntchen zu viel und die Speise ist verdorben, ganz anders als bei Salz, da kann man mit Sahne oder warmem Durchspülen das 'zu viel' noch wegbekommen - weswegen ich es so halte, den Pfefferliebhabern eine Pfeffermühle oder Pulver hinzustellen.
Hm, ich würde es eher benennen als "etwas, was man Pi mal Daumen macht" - was nicht 100%-ig festgelegt ist.
Man sieht es schließlich in solchen Situationen, wenn man eine Speise macht, die man schon gut kann. Nicht jedes Mal endet man darin, 100%-ig dasselbe zu machen. Manchmal kann es auch immer noch passieren, dass man ein Mal von einem Gewürz etwas mehr oder weniger hätte 'ranmachen können (ohne die Sache zu verderben).
Was soweit dabei zählt, wie ich das durch die Praxis gelernt habe, ist, das Grundkonzept zu verstehen wie man etwas macht.
Dazu helfen einem natürlich Rezepte, Basisrezepte (also solche, auf die man aufbauen und in verschiedene Richtungen weitermachen kann; wo die Grundsubstanz dieselbe ist), und ein oder andere grundlegenden Erklärungen wie etwas funktioniert und nicht funktioniert.
- Damit man weiß, wie man wo anfängt bei einem Gericht.
Sonst, finde ich, ist wiederum Kenntnis von Geschmäckern sehr wichtig. Damit man eine mehrschichtige Sache geschmacklich entschlüsseln und nachmachen kann.
Und dazu ist es relatv gut, wenn man Sachen sonst eher sehr "pur" schon verzehrt hat. Deren natürliche Geschmäcker kennt.
Ich finde jedenfalls... Bei den größeren Veränderungen in meinem Speiseplan hat sich am meisten getan, als einfach sehr viel Input in neuen Geschmäckern hereinkam - ausprobiert wurde.
Also, die "Methodik" oder "Ansicht" dazu mit der "Reinheit" kann ich nur sehr gut verstehen. Ich würde sogar sagen: Sie funktioniert.
Meine Mutter kochte und backte 'aus der lameng' [siehe auch → Dat maache me us de Lameng], sie kannte nur verschiedene Ergebnisse. Ich höre noch vor meinem geistigen Ohr ihr Statement der Omnipotenz "Ich bin die Mutter!", sie duldete weder Kritik noch Vorschläge zum Vorgehen .... und zu aller Familienmitglieder Bedauern schaffte sie es sogar Nudeln bis zur Unkenntlichkeit zu verhunzen.
Soviel zu "Pi mal Daumen"!
Ich habe zwei Jahre lang im Gymnasium am "Kochen" teilgenommen, zusammen mit meinem fast-Nachbarn Wolfgang Dette, der wohnte zwei Häuser weiter. Wir konnten teilnehmen, weil zwei Kochstellen frei waren, denn 12 waren vorhanden und in den beiden Parallelklassen waren nur 10 Mädchen. Diese zwei freien Plätze waren ein Glücksfall wenn ich es im Rückblick betrachte: Während meines ganzen Lebens habe ich davon profitiert diese Grundlagen von einer 'gestrengen' (noch aus BDM-Zeiten stammenden) Lehrerin gelernt zu haben. Sie war penibel und restriktiv, aber im Grunde doch eine herzensgute Person, die das Beste für ihre Schüler wollte.
Aus alledem wird sicher klar, dass ich zwar Intuition und Phantasie als wesentlich ansehe, es aber handwerklich nicht mangeln darf. Wer kann heutzutage schon noch einen Vanillepudding ohne Pudding-Mischung aus der Tüte zubereiten? Oder einen Käsekuchen backen, ohne Dr. Oetker zu bemühen?
Wir waren von der Fähigkeit von Kindern ausgegangen mehr oder weniger als Erwachsene schmecken zu können:
Vielfach werden heute Kinder an 'Industrie'-Geschmack adaptiert - und wenn sie echte Früchte oder Gemüse oder Tomatensauce bekommen lehnen sie diese ab weil sie nicht so schmecken wie sie es von Fertigprodukten gewohnt sind.
[ 🍴 Kochrezepte:
Wenn ich etwas Neues ausprobieren will schaue ich mir verschiedene Rezepte an und stelle mir daraus ein eigenes Vorgehen mit dazu passenden Mengen an Zutaten zusammen - meistens klappt das. Alle, die ich seit Jahren 'bekocht' habe leben noch und kommen sogar wieder (auch um bei mir / mit uns zu essen?).]
Ja, was soll ich sagen...
So ist das, wenn man bei einer Sache völlig talentfrei ist, aber es nicht einsehen will. (Ein bisschen Talent gehört beim Kochen auch dazu.)
Dass die Kinder zunehmend an den Industriegeschmack gewöhnt werden, sehe ich soweit sehr in sozialen Umständen begründet.
Die meisten Eltern können, im Grunde, nicht wirklich kochen, und sie lernen es auch immer weniger von ihren eigenen Eltern, daher greifen sie auf fertige Dinge zurück, beziehungsweise es mangelt auch an der Zeit, ausgiebig zu kochen (Was meint man, was man beim Kochen auch an Zeit einplanen muss...) und dann vielleicht noch ein bisschen an der Lust dazu, wenn es auch einfacher geht.
Erst wenn ein Kind irgendwelche schweren Allergien oder Stoffwechselstörungen hat, sodass man genau hinschauen muss, was im Essen drin ist, zwingt die Situation, sich damit auseinandersetzen und Eigeninitiative ergreifen zu müssen. Maximal noch, wenn es sich um extremes Übergewicht handelt und das Kind nicht schon früh ernste körperliche Schäden nehmen soll.
Böse könnte ich hier sagen: Das ist eine Sache, die mit der Lebensart kommt, wenn die Leute immer nur arbeiten und das möglichst weit weg von ihrem Wohnort tun sollen. Da bleibt nämlich, zwischen Erschöpfung, Schlafbedürfnis und schuften gehen, nicht mehr viel Zeit übrig, sich etwas gesundes selbst zusammenzustellen.
Nahrungsbeschaffung muss schnell und unkompliziert gehen.
Und das schleppt sich als Angewohnheit auch in das Familienleben ein...
Worunter dann solche Dinge wie "Entwicklung der Kinder" in vielfältiger Art und Weise leiden.
Ja, die Umstände sind oft gegen gesunde und ausgewogene Ernährung gerichtet - aber es glaubt doch wohl niemand, dass das irgendwen von den Entscheidern im Lande tatsächlich interessiert? Marx¹ hat gesagt "Das Sein bestimmt das Bewusstsein!" und wenn man es auf das Essen überträgt wird es sonnenklar: Er hatte Recht!
Zu Zeiten war es so, dass ich zu Hause arbeitete und natürlich erwartet wurde, Essen vorbereitet zu finden, wenn alle die raus mussten um Arbeit & Schule zu besuchen, wieder zurück kamen. Das ging nur indem ich meine Arbeit - die ich im damals noch nicht als 'home office' bezeichneten Büro erledigte - liegen ließ. Dann musste ich es eben später am Tag erledigen und eng wurde es nur, wenn Termine sehr knapp vereinbart waren ....
¹ dort → https://falschzitate.blogspot.com/2020/09/das-sein-bestimmt-das-bewutsein-karl.html wird behauptet, das Zitat werde fälschlicherweise Marx zugeordnet, was ich nach den dortigen Ausführungen nicht erkennen kann.
Nun... In früheren Zeiten, wo es das andere alles nicht gab - Vorgefertigstes, Fast Food -, da passte sich der Mensch dieser Sache einfach an, weil er keine andere Wahl hatte.
Wenn es diese Wahl gibt, ja... dann entscheidet der Mensch sich mehrheitlich für den geringsten Aufwand.
Wohlgemerkt, eine Ausnahme ist, wenn er aus verschiedenen Gründen diesen (kurzen) Weg nicht nehmen kann...
(Was lernt man daraus? Die Faulheit des Menschen muss man bedienen, wenn man ihn zu etwas ihm wohltuenden nötigen will, ohne dass er es als das empfindet.)