@ Nachtblau

Nacht­blau schrieb zuletzt:

" .. Schau mal in diver­se Fir­men, in die Poli­tik oder wel­che Betä­ti­gungs­fel­der es sonst noch so gibt: die mei­sten da sind ent­we­der um die 40 oder um die 60, die 50er sind da eher weni­ger vertreten.
Kann sein dass du ein Ein­zel­fall bist- die mei­sten dei­ner Gene­ra­ti­on haben von Anfang an gut aus dem Vol­len geschöpft, konn­ten ewig stu­die­ren und ein biss­chen Auf­stand pro­ben ohne direk­te Kon­se­quen­zen, haben ihren Abschluss irgend­wie hin­be­kom­men, sind in geeig­ne­te Posi­tio­nen gelangt und haben mit stei­gen­dem Gehalt sehr schnell ver­ges­sen, wie und wofür sie mal ange­tre­ten sind. Das sind die Men­schen, die auf Kosten mei­ner und der nach­fol­gen­den Gene­ra­tio­nen Res­sour­cen ver­schwen­det, die Umwelt kaputt­ge­macht, Geld in ihre eige­nen Taschen gesteckt haben. Das sind die Men­schen, die mei­ner Gene­ra­ti­on und den nach­fol­gen­den erklä­ren wol­len, dass wir alle Schlaf­fies und ver­weich­licht wären. .. "

Es wird - ganz offen sicht­lich - zu einer "Gene­ral­ab­rech­nung" mit der Vor­ge­ne­ra­ti­on und den Umstän­den die sie hinterlassen ....

"aus dem Vol­len geschöpft" - nicht kor­rekt, denn als die 20 waren gab es "die Vol­len"* noch nicht - die wur­den erst von denen und (zu einem gerin­ge­ren Teil ) ihrer Vor­ge­ne­ra­ti­on geschaffen ....

"ewig stu­die­ren" - nicht kor­rekt, 65% mei­nes Stu­di­en­jahr­gan­ges ('70) haben inner­halb der Richt­stu­di­en­zeit abge­schlos­sen - und da war damals das Examen / die schrift­li­che Arbeit / Diplom­ar­beit noch eingerechnet!

"ein biß­chen den Auf­stand pro­ben" - nicht kor­rekt, es war eine Min­der­heit SDS, ML-Rote Liste, Spar­ta­kus .... die mach­ten von allen Stu­die­ren­den wäh­rend mei­ner Stu­di­en­zeit ('70-'76) ca. 10% aus - aber weil sie laut waren und stän­dig die Sprin­ger-Medi­en sie als Schreck­ge­spenst für die Bür­ger (wer Angst hat wird mani­pu­lier­bar!) nutz­ten ent­stand der Ein­druck einer 'mäch­ti­gen' und 'star­ken' Bewe­gung - ein Häuf­lein ver­wirr­te, arme Irregeleitete ....

"Res­sour­cen ver­schwen­det" - kor­rekt, schon zu mei­ner Stu­di­en­zeit wur­den Wald­ster­ben, Öko­kri­se und End­lich­keit des Öls the­ma­ti­siert - nur woll­ten die Kriegs­ge­nera­tio­nen (heu­te 80+ !!!) nichts davon wis­sen, die woll­ten Fres­sen, Sau­fen und nach Ita­li­en - als Aus­gleich für die Ent­beh­run­gen der davor­lie­gen­den Jahre ....

"Geld in die eige­ne Tasche gesteckt" - nicht kor­rekt, die durch­schnitt­li­che Ren­te in "D" beträgt ca. € 1.000,- - dafür haben die Mei­sten 40 Jah­re gear­bei­tet und Bei­trä­ge gezahlt, zudem Steu­ern von im Schnitt 30% ihres Ein­kom­mens, dazu AloVers, KV & PflV .... von den Steu­ern wur­den u.a. Kran­ken­häu­ser, Schu­len, Uni­ver­si­tä­ten, Sport­plät­ze, Schwimm­bä­der, Biblio­the­ken & Büche­rei­en, Auto­bah­nen, Stra­ßen, Bahn, Rechts­we­sen - also "Infra­struk­tur" bezahlt .... und das ist ja nicht weg, das gehört auch der Nachfolgegeneration ....

Nein, so kom­men wir nicht wei­ter, nicht mit Vor­wür­fen und unter igno­rie­ren der Tat­sa­chen .... ich leug­ne bestimmt nicht, daß es "Gewin­ner" der / aus den letz­ten 40 Jah­ren gibt die mäch­tig 'abge­sahnt' haben .... die aber in der brei­ten Mas­se zu ver­mu­ten ist nicht korrekt.
Es sind Weni­ge, die es ver­stan­den haben mit Lug, Trug, Gau­ne­rei, Seil­schaf­ten und Kor­rup­ti­on den eige­nen Vor­teil zu meh­ren - die 'Mas­se' der Gesell­schaft ist aber bestimmt nicht 'schul­dig' im Sin­ne der "Ver­ur­sa­chung", höch­stens im Sin­ne des "Kon­su­mie­rens ohne Reflek­ti­on" .... Dumm­heit ist aber ange­bo­ren. Dafür kann man nie­man­den ver­ant­wort­lich machen ....

Ich schrei­be 'mal wie das bei uns 1950 war:
Fünf Per­so­nen (2 Erw. 3 Ki.) in einer 3-Zi-Whg. mit 64m², Koh­le­ofen im Bad der 1x pro Woche ange­heizt wur­de, hei­ßes Was­ser vom Herd, kei­ne Wasch- Spül- oder Geschirr­spül­ma­schi­ne, kei­ne Zen­tral­hei­zung, kein Auto, ein Tele­fon für das gan­ze Haus (das war schon Luxus!); mein Vater arbei­te­te als Aka­de­mi­ker im Ruß­kel­ler eines Rei­fen­her­stel­lers weil es für (bestimm­te) aka­de­mi­sche Beru­fe noch kei­ne Nach­fra­ge gab; mei­ne Mut­ter fuhr mit einem Kriegs­mo­dell Motor­rad über Land und tipp­te Berich­te von Tau­fe, Hoch­zeit und Beer­di­gun­gen in eine Typen-Schreib­ma­schi­ne, Zei­tun­gen wur­den von Hand aus Blei­let­tern 'gesetzt' und dann auf Pres­sen gedruckt .... Kühl­schrän­ke wur­den mit Stan­gen­eis gekühlt, es gab weder Mikro­wel­le noch MIxer und alle Küchenuten­si­li­en (Quirl, Sah­ne­be­sen, ..) waren hand­be­trie­ben, Hüh­ner wur­den ganz, in einem Stück ver­kauft - die muß­ten aus­ge­nom­men und zer­legt wer­den, Ble­che mit Kuchen wur­den zum Bäcker gebracht, wo man sie spä­ter gebacken abho­len konn­te .... und so weiter ....)

*edit*
Mein erstes Fahr­rad bekam ich mit 10 Jah­ren - der Schul­weg war 35 Minu­ten zu Fuß, ein Gym­na­si­um in der gan­zen Stadt, kei­ne Schul­bus­se, kei­ne 'Öffis', nach­mit­tags spiel­ten wir auf Trüm­mer­grund­stücken und in ver­wil­de­ten Gär­ten - Som­mer und Win­ter in kur­zen Hosen (!) - wir waren gut 10 Stun­den am Tag im Frei­en .... über­ge­wich­ti­ge Kin­der gab es nicht, weil es wenig zu Essen und viel zu Lau­fen gab ....
Nie­mand rei­nig­te Toi­let­ten mit Sagro­tan oder dach­te dar­an Holz­brett­chen aus der Küche zu ver­ban­nen weil Bak­te­ri­en dar­an kle­ben konn­ten .... die Wäsche und Gesicht wur­den - wie auch der Fuß­bo­den (Die­len­bret­ter, mit Rit­zen in denen Schmutz & Staub lag) mit Kern­sei­fe gerei­nigt, von Deo hat­te man noch kei­ne Ahnung, Spül­tü­cher waren aus Stoff­re­sten die wie­der aus abge­leg­ten Klei­dungs­stücken stamm­ten, Milch wur­de in Kan­nen 1x am Tag beim Milch­la­den um die Ecke geholt, Brot wur­de auf­ge­ges­sen auch wenn Schim­mel dar­an war - das hat man abge­schnit­ten, und wir haben es über­lebt, es gab kein Yoghurt oder Weich­kä­se oder But­ter­er­satz, manch­mal Schmalz und sel­ten But­ter - man leg­te Wurst ein­fach so auf das Brot, Fleisch wur­de nur am Wochen­en­de geges­sen, Reste viel­leicht auch unter der Woche auf­ge­braucht, Fisch war ein "Arme-Leu­te-Essen", die Fen­ster waren aus einer Schei­be und wäh­rend der Nacht bil­de­ten sich im Win­ter "Eis­blu­men" - so wie heu­te noch die Auto­schei­ben zufrie­ren .... das erste Auto war ein 1200-er VW Käfer mit Ein­heits­far­be grau, luft­ge­kühlt und mit Boxer­mo­tor (1965) ....


Kommentare

  1. Siehst du, genau sol­che Sachen sind es, die mir an eurer Gene­ra­ti­on so auf den Keks gehen. Vor­ur­teil bestätigt ;)

  2. Was mich immer wun­dert - war­um gibt es eigent­lich nichts zwi­schen "Frü­her war alles bes­ser" und "Wir waren so arm"? Ich bin auch eher der Gene­ra­ti­on von Nacht­blau zuzu­ord­nen... wahr­schein­lich... wür­de aber der Gene­ra­ti­on vor mir kei­nen Vor­wurf machen. Ich ver­ste­he es aber nicht, wenn wir gesagt krie­gen, wir hät­ten es ver­gleichs­wei­se sehr einfach.

    Ich glau­be man muss das auch dif­fe­ren­zier­ter sehen kön­nen, aber ich glau­be es gehört mal zum mensch­li­chen Ego und zur Selbst­be­stä­ti­gung, immer zu glau­ben, alle ande­ren hät­ten es immer viel ein­fa­cher als man selbst.

  3. Ich woll­te damit nicht sagen, daß wir es schwe­rer hatten:
    Jede Gene­ra­ti­on hat Schwe­res zu ertragen ....

    Was ich andeu­te ist lediglich:
    Auch frü­her gab es Erschwer­nis­se die zu über­win­den waren - und mei­ne Auf­zäh­lung soll­te nur ver­deut­li­chen, daß es bestimmt einen Zuwachs an Bequem­lich­keit gege­ben hat - der Preis dafür war ein Res­sour­cen­ver­brauch ohne Ende ....
    Die­ser Zusam­men­hang wird aus dem Ver­gleich heu­te - damals hof­fent­lich deutlich ....

    Ich jam­me­re also nicht:
    "Frü­her war alles besser!"
    Son­dern ich sage:
    "Das was wir heu­te haben hat(te) sei­nen Preis!"

    Ob man­che Ver­än­de­run­gen immer so wün­schens­wert waren ist damit noch nicht abschlie­ßend behan­delt - ich nei­ge dazu zu behaup­ten, daß wir auf Vie­les - was uns als "Fort­schritt" ver­kauft wur­de - wird hät­ten ver­zich­ten können ....

  4. ich fin­de das "wie es 1950 bei euch war" sehr anschau­lich geschil­dert. über vor- und nach­tei­le von fort­schritt kann man natür­lich auch stun­den­lang dis­ku­tie­ren, mag ich aber grad nicht;-)
    eins nur noch dazu: einer mei­ner frü­he­ren chefs mein­te ein­mal, wenn man fort­schritt kon­se­quent wei­ter­denkt, lan­det man zwangs­läu­fig in anar­chie. ich hab den satz zwar bis heu­te nicht wirk­lich ver­stan­den, aber ich schmeiß ihn jetzt da ein­fach so herein ...

  5. @ la-mam­ma
    Wenn ich nur 'mal den letz­ten Satz von der Anar­chie aufnehme:
    Das gilt m.E. nur, wenn gleich­zei­tig ein Ver­fall der Nor­men für das zwi­schen­mensch­li­che Ver­hal­ten statt­fin­det .... aller­dings ist die Kumu­la­ti­on von Reich­tum bei Weni­gen noch nicht am Ende ihrer Ent­wick­lung - und da könn­te der 'Keim' für Anar­chie liegen ....
     



     
  6. "Frü­her" ken­ne ich auch nur aus Erzäh­lun­gen. Wobei ich den Ein­druck gewon­nen habe, dass "frü­her" weit mehr für Umwelt­schutz getan wur­de wer­den wollte..

    Ein Leben damals mag ich mir als heu­te Leben­de auch nicht vor­stel­len. Arbeit, Frei­zeit, Fort­be­we­gung - alles ist nach "moder­ner Art" ein­ge­rich­tet - ohne die Ent­wick­lun­gen der letz­ten 20 Jah­re könn­te ich kaum etwas davon auch nur ansatz­wei­se so aus­üben, wie nun.

  7. Genau!
    Das ist es ja, was ich zu beden­ken gebe:
    Nichts kann pas­sie­ren ohne daß man etwas Ande­res dafür hergibt/opfert ....
    In die­sem Sin­ne muß man also den Fort­schritt betrach­ten, denn für die Ent­wick­lung zu dem Zivi­li­sa­ti­ons­stand den wir heu­te haben wur­den Res­sour­cen auf­ge­braucht und natür­li­che Land­schaf­ten zer­stört, wur­den Tier- und Pflan­zen­ar­ten ausgerottet ....

    Alles hat sei­nen Preis.
    Nur ist es nicht gerecht­fer­tigt den Vor­ge­ne­ra­tio­nen einen Vor­wurf zu machen ohne gleich­zei­tig auf­zu­zei­gen wie man es anders gemacht hät­te / machen will / wor­auf man um des Erhalts der Umwelt wil­len ver­zich­tet hät­te / zukünf­tig ver­zich­ten will ....

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert