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Manchmal denke ich:
Inkonsequenz muß eine nationale Eigenschaft sein.
Wo man hinkommt haben die Leute irgendetwas worüber sie sich aufregen, worüber sie klagen oder meckern. Auf Nachfrage kommt dann heraus, dass sie genau die Parteien gewählt haben über deren Handeln sie jetzt aufgebracht sind, das sie mißbilligen. Der Vorschlag allerdings, bei der nächsten Wahl doch eine andere Partei zu wählen kommt meist garnicht gut an. Nein, aus Tradition wähle man nun schon seit Jahren diese Partei und das werde sich auch nicht ändern - weil die "Anderen" es ja auch nicht besser können oder machen würden. Inkonsequenz, erstes Beispiel.
Neulich in unserer Nachbarschaft großes Getöse: Ehestreit, lautstark bei offenen Fenstern ausgetragen, über zwei Tage richtig 'Zoff'. Drei unserer Nachbarn haben das gesprächsweise in den letzten Tagen erwähnt und ihre Empörung darüber ausgedrückt.
Nun traf ich dieser Tage die Hausmeisterin und fragte mal nach, ob sich denn jemand bei ihr wegen der Ruhestörung beschwert hätte. Nein, niemand hatte etwas erwähnt - und wenn, sagte sie, müßte sie das sowieso schriftlich mit Unterschrift haben um etwas zu unternehmen .... Inkonsequenz, zweites Beispiel.
Dabei will ich es belassen. Jede/-r kennt ähnliche Situationen:
Erst wird laut getönt und räsoniert - dann erfolgt - - - NICHTS!
Aber:
Alle wollen "wichtig" sein, Vereinsvorstand oder sowas, irgendein Amt, das aus der Masse heraushebt. Herrschen, also die Unten kujonieren - und sich mit der Obrigkeit nicht anlegen.
Verwalten ist beliebt.
Kneifen, sich heraus halten, sich bedeckt halten und nur nicht für etwas verantwortlich sein, das scheint demgegenüber im Konfliktfall oder wenn es zum Schwure kommen müßte die einzige Handlungsoption für eine Mehrzahl von Mitbürgern zu sein. Das ist - fast einhundert Jahre nach Abschaffung der Monarchie - ein Armutszeugnis für unsere Nation.
So wie sie's beschreiben, muss man glatt sagen "ja".
Das hat aber seine historische Ursache...
Wenn ich an dieses Verhalten denke, fällt einem immer wieder die vergeigte Revolution von 1848 ein. Wo "die Deutschen" (muss man in Anführungsstriche setzen, denn einen gesamtdeutschen Staat gab es da ja noch nicht) so dumm waren, bei dem Aufruhr, den sie verstanstaltet haben, zum Schluss den Preußenkönig noch zu fragen (!), ob er ihre Kiaserkrone des Pöbels annimmt, um ihr Herrscher zu sein. Und der Mann hat "nein" gesagt...
Etwas, was bei den Deutschen historisch noch nicht in die Mentalität eingesickert ist, ist: Was tut man, wenn der Regent gegenüber den Forderungen des Volkes sagt "mir doch egal, ihr könnt mich alle mal!"?
Bisher fußt sich jeder Protest darauf, dass der nächsthöhere Verantwortliche bitte doch ein Einsehen haben möge und auf ihre Beschwerden angemessen reagieren und Maßnahmen treffen würde.
Das ist historisch aber schon oft an verschiedenen Schauplätzen in der Welt gescheitert. (Bzw. bei dem Aufruhr in der DDR 89⁄90 wurde der Prozess von außen gestört und die Wende-Sache dazwischen platziert, um wieder den Konflikt des einfachen Volkes mit seiner Obrigkeit unausgefochten zu lassen.)
Beim Deutschen fehlt diese nachhaltige Erkenntnis "okay, unser Regent macht nicht das, was wir wollen, also holen wir ihn vom Thron und machen den Job selbst".
Und das merkt man in vielen Lebensbereichen, wo es darum geht, für etwas zu streiten.
Man verlässt sich viel auf das Okay von oben - und gibt es keines, dann wird die Flinte ins Korn geworfen. Weil man glaubt, es bringt ja sowieso nichts (was auch praktisch leider oft genug stimmt).
Gemeckert wird aber weiter hinterm Gartenzaun, so unwichtig ist einem die Sache dann doch nicht.
Wäre zumindest meine Erkenntnis darüber, warum man in dem Punkt hier so ist wie man ist...
Es hat etwas mit gescheitertem Aufbegehren zu tun. (Wohl auch mit Institutionen, die drakonisch und uneinsichtig stur nur das abarbeiten und machen, was in ihren Gesetzesblätern steht, anstatt bei Konflikten auch mal anders zu handeln als der Plan erlaubt.)