Revisited: Späte Genugtuung

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Der "real exi­stie­ren­de Sozia­lis­mus" hat nicht funk­tio­niert - das steht seit dem Fall der DDR jeder­mann vor Augen. Doch wie sieht es mit dem "real exi­stie­ren­den Kapi­ta­lis­mus" oder, anders aus­ge­drückt "real exi­stie­ren­den Neo-Libe­ra­lis­mus" aus?

Nicht sehr viel besser.
Die Anzei­chen des Kol­lap­ses meh­ren sich.
Der Kapi­ta­lis­mus frißt sei­ne Basis, nach­dem das Fun­da­ment schon bröcke­lig wurde.

Karl Marx hat­te doch Recht mit sei­ner Ana­ly­se - wenn es auch nir­gend­wo gelun­gen ist ein Staats­we­sen zu begrün­den, das die vor­her­ge­sag­ten Feh­ler hät­te ver­mei­den können.

Aber:
Die Beschrei­bung des Nie­der­gan­ges wird nicht dadurch weni­ger bedeut­sam oder unwahr, dass sie kei­ne idea­le Repä­sen­ta­ti­on in der Wirk­lich­keit hat.

Die Pro­duk­ti­on von Gütern für die Mas­sen ist von einem Land zum ande­ren gewan­dert - immer dem Armuts­ge­fäl­le fol­gend. Und nun ist die Situa­ti­on erreicht in der es kei­ne "noch ärme­ren und bil­li­ge­ren" Pro­duk­ti­ons­stät­ten bzw. Stand­or­te mehr gibt!
Mit­tel­ame­ri­ka, der Fer­ne Osten, Chi­na, Indi­en und des­sen Randstaaten:
Alle aus­ge­reizt, bil­li­ger geht es nicht.

Afri­ka ist sei­ner Roh­stof­fe über­wie­gend beraubt - zurück bleibt eine zuneh­mend ver­ar­men­de Bevöl­ke­rung deren Wan­de­rungs­druck nach Nor­den mit dra­ko­ni­schen Abwehr­maß­nah­men beant­wor­tet wird deren Bestand bei wei­ter anschwel­len­dem Druck bezwei­felt wer­den darf.
Das Ver­hal­ten der Euro­pä­er ist, obwohl sie doch immer so stolz auf ihre christ­lich-huma­ni­tä­ren Errun­gen­schaf­ten sind, bestimmt weder das eine oder das andere.
In Süd­ame­ri­ka sieht es nicht bes­ser aus, da ist aller­dings die Geo­lo­gie mit dem 'Eng­paß' Mit­tel­ame­ri­ka wie bei einer Eier­uhr das regu­lie­ren­de Element.

Jetzt packt das wirt­schaft­li­che Grau­en lang­sam aber ste­tig auch die Staa­ten, die zuvor noch halb­wegs sicher der Mas­se ihrer Bevöl­ke­rung ein zukünf­tig sor­gen­freí­es Leben bie­ten konnten.
Die soge­nann­te "Unter­schicht" ist schon an den Rand gedrängt. Vie­le sind schon über den Rand gefal­len. Mitt­ler­wei­le geht es der Mit­tel­schicht ans Zeug.

Seit Jah­ren sta­gnie­ren - unter Ein­be­zug der sich erhö­hen­den Steu­ern, Abga­ben und Kosten - die ver­füg­ba­ren Ein­kom­men, in vie­len Bran­chen wer­den, um "Wett­be­werbs­fä­hig­keit" vor­zu­gau­keln, sogar die tat­säch­li­chen Bezü­ge gesenkt, Erhö­hun­gen zeit­lich ver­zö­gert oder ganz gestri­chen. Der schö­ne Schein wird durch Kauf auf Pump erhal­ten - doch gera­de das drängt Krei­se an den Abgrund, die zuvor in der Geschich­te nie von der­glei­chen Schick­sal bedroht gewe­sen sind. Die Mit­te wird zur bröckeln­den Kante.

Eine schma­le Schicht gewinnt, die Mas­sen verlieren.
Das hat Marx schon vor­her­ge­se­hen. Er hat das Prin­zip beschrie­ben, ohne sich auf einen zeit­li­chen Rah­men festzulegen:

Kon­zen­tra­ti­on der Groß­kon­zer­ne und Ban­ken - das beste Bei­spiel für einen Pro­zeß, der am Ende auf ganz weni­ge ver­blei­ben­de Akteu­re zuläuft. Bei­spiel Soft­ware­gi­gan­ten - kon­so­li­die­ren­de Wan­de­run­gen und Schaf­fung immer grö­ße­rer Ein­hei­ten durch Ankauf, Zer­schla­gung oder man­geln­de Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Kon­kur­ren­ten. Das gilt für die Auto­in­du­strie und deren Zulie­fe­rer, ande­re Bran­che, glei­ches Muster.

Die­se Rei­he lie­ße sich fort­set­zen, wäre aller­dings eine Wie­der­ho­lung. Das Prin­zip ist klar, wer sei­ne Augen öff­net und genug Ver­stand hat erkennt die Tendenz.

.... und trotz­dem regen sich Vie­le über Blat­ter auf. 

Ohne sich über das System auf­zu­re­gen, das sol­che Halun­ken groß wer­den läßt - und das sie selbst durch Wah­len auch noch legitimieren.

[Erst­ver­öf­fent­li­chung 1. Jun 2015 @ 13:30]

 

Kommentare

  1. Hach, frü­her wenn ich betrun­ken pin­keln ging, dann sag­te ich als Man­tra dabei immer auf: "War­um Eng­land?" und "Marx hat Recht", je nach­dem wel­chen Grad der Erleuch­tung ich gera­de erreicht hatte.
    Und auch nüch­tern waren dies die zwei span­nen­den Din­ge in den 90er Jah­ren, die mich umtrieben.
    Kapi­ta­lis­mus funk­tio­niert auf Dau­er eben nur, wenn er etwas zum Aus­beu­ten fin­det. Nicht von unge­fähr wur­den in Deutsch­land gan­ze Berei­che der kapi­ta­li­sti­schen Logik unter­wor­fen, bei denen abseh­bar das Gan­ze im Desa­ster enden wird. Bei­spiels­wei­se das Gesund­heits­sy­stem und die sozia­len Siche­rungs­sy­ste­me. Wir erleb­ten eine Durch­ka­pi­ta­li­sie­rung des Pri­va­ten, eine Urbar­ma­chung bis­her von der kapi­ta­li­sti­schen Ver­wer­tungs­lo­gik frei­er Berei­che. War­um? Weil es not­wen­dig für kapi­ta­li­sti­sche Akku­mu­la­ti­on ist. Kapi­ta­lis­mus braucht Berei­che die noch nicht kapi­ta­li­stisch ver­wer­tet werden.
    Frü­her dach­te ich immer, wenn der Kuchen des Ver­teil­ba­ren klei­ner wird, dann sin­ken auch die Antei­le dar­an für alle pro­por­tio­nal gleich, doch dem ist lei­der nicht so. In der aktu­el­len Kri­se ist es den Super­rei­chen gelun­gen deut­lich zuzu­le­gen, wäh­rend der Rest ent­spre­chend weni­ger abbe­kommt. Auch hie­r­ist es kein bug, son­dern ein fea­tuture der Pro­duk­ti­ons­wei­se Kapitalismus.
    Und lei­der fürch­te ich, ist am Ende des Regen­bo­gens nicht das Para­dies einer Gemein­schaft von Frei­en und Glei­chen zu erwar­ten, son­dern eher etwas apokalyptisches.
    Frü­her dach­te ich, wenn denn der Kon­zen­tra­ti­ons­pro­zess abge­schlos­sen sei, benö­ti­ge es nur ein paar akti­ver Men­schen um ihn sich Unter­tan und der Mensch­heit zu Nut­zen zu machen. Heu­te ver­mu­te ich eher eine bru­ta­le Dik­ta­tur dort.

    Man regt sich über Blat­ter auf, weil er etwas -abso­lu­ti­sti­sches, vor­bür­ger­li­ches - in Form von Herr­schafts­struk­tu­ren und mit­tels Kor­rup­ti­on eta­bliert hat.
    Sei­ne 'Herr­schaft' wirkt will­kür­lich und scheint von per­sön­li­chen Zuwen­dun­gen gestützt, die offen­bar Ent­schei­dun­gen beflü­geln kön­nen. Damit eckt er gegen die heh­re Moral der bür­ger­li­chen Gesell­schaft und der hoh­len Phra­se vom "Jeder kann was wer­den wenn er nur flei­ßig ist" Ideo­lo­gie an.
    Kor­rup­ti­on ist imho kein Grün­dungs­merk­mal von kapi­ta­li­sti­schen Gesell­schaf­ten, son­dern deut­lich älter und eher Merk­mal von per­so­nen­be­zo­ge­nen Herrschaftsformen.

    Neben­bei gibts bei Marx kei­ne expli­zi­te Staats­theo­rie, des­we­gen haben klu­ge Köp­fe im Gefol­ge der 68er Bewe­gung ver­sucht eine sol­che her­aus­zu­ar­bei­ten bspw. in Staats­theo­rie. Mate­ria­li­en zur Rekon­struk­ti­on der mar­xi­sti­schen Staats­theo­rie. Her­aus­ge­ge­ben und ein­ge­lei­tet von Eike Hen­nig, Joa­chim Hirsch, Hel­mut Rei­chelt und Gert Schäfer.
    Der Sumpf eines real exi­stie­ren­den Sozia­lis­mus folgt wohl eher Lenin und Sta­lins Kon­zep­ti­on, die aber eben auch unter einem Bür­ger­krieg und einer aus­län­di­schen Inter­ven­ti­on ent­stan­den, und die spä­ter als Mit­tel zur Auf­recht­erhal­tung von bereits eta­blier­ter Macht­struk­tu­ren erwei­tert wurden.

    ...aus den Offen­ba­run­gen des Blöd­bab­b­lers aka Die kapi­ta­li­sti­sche Apokalypse

    1. Jene, lie­ber Herr bloed­bab­b­ler, die das System dem Zer­fall und Zusam­men­bruch immer näher brin­gen sind zwar in der Min­der­zahl, sie bestim­men jedoch was in dem all­ge­mei­nen Bewußt­sein ver­an­kert wird und was nicht. Mögen die Anzei­chen auch noch so sehr augen­fäl­lig erschei­nen wenn man näher hin­sieht! Das tun Sie, das tue ich und das tun eine gro­ße Zahl von ande­ren kri­ti­schen Zeit­ge­nos­sen. Den­noch stel­len wir eine Min­der­heit dar, die das Ruder nicht her­um­rei­ßen wird. Ich bin des­we­gen zwar nicht "still", aber auf gewis­se Wei­se "resi­gniert".

      Was nach dem Zer­fall kom­men wird ist erst mal Anar­chie, Gewalt gegen Schwa­che und nach län­ge­rer Zeit mag es sich durch die äuße­ren Not­wen­dig­kei­ten in eine fried­li­che­re Gesell­schaft wan­deln - Sie sehen ja gleich­falls " .. eher etwas apo­ka­lyp­ti­sches .. " als ein geord­ne­tes, sozia­les / sozia­li­sti­sches Staats­we­sen in Nach­fol­ge des Kapitalismus.

      Was Kor­rup­ti­on angeht ist mir zwar bewußt, dass " .. per­so­nen­be­zo­ge­ne Herr­schafts­sy­ste­me .. " einer grö­ße­ren Gefähr­dung unter­lie­gen. Ich mei­ne aber, es bedarf auch eines gesell­schaft­li­chen Des­in­ter­es­ses, einer Ablen­kung, einer 'Ruhig­stel­lung' der Mas­sen die die­sen Machen­schaf­ten Raum las­sen. Im Sin­ne der Macht­er­hal­tung kann es denen, die wirt­schaft­lich an der Spit­ze ste­hen und die Poli­tik indi­rekt nach ihrer Pfei­fe tan­zen las­sen, doch nur Recht sein sol­che 'Fäl­le' zur Ablen­kung der Bevöl­ke­rung ab und zu als Opfer zu prä­sen­tie­ren. Denn, da bin ich sicher, der Herr Blat­ter ist jetzt schon dem Unter­gang geweiht. Es fehlt nur noch ein Ereig­nis das ver­tuscht wer­den soll - dann ist es vor­bei mit sei­ner Herrlichkeit. 

      Mit der gewähl­ten Über­schrift woll­te ich auf einen Umstand hin­wei­sen, der lan­ge Jah­re als Uto­pie ver­un­glimpft wur­de: Der Kapi­ta­lis­mus macht sich selbst kaputt. Die För­der­spi­ra­len kön­nen an irgend­ei­ner Stel­le, zu irgend­ei­ner Zeit, nur noch "leer" dre­hen, weil es nichts mehr zu föde­rn gibt. Bedau­er­lich ist, dass wie­der Jene am mei­sten lei­den wer­den die am wenig­sten dafür kön­nen dass es so gekom­men ist.

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