In einem Video hörte ich kürzlich folgende Einschätzung
"Dies sind die drei aufregendsten Geräusche der Welt:
1. Das Geräusch einer Lokomotive wenn sie ihre Dampfpfeife aktiviert
2. Das Rasseln einer Ankerkette die eingezogen wird
3. Das Anlaufen eines Flugzeugtriebwerkes".
Eng verknüpft mit diesen Geräuschen ist stets ein Neuanfang, eine ungewöhnliches Ereignis, ein Abenteuer. Wir erleben heute keine Abenteuer mehr. Wir bekommen unsere Abenteuer als Ersatz für *das tatsächliche Erlebnis* per Medien ins Haus geliefert. Niemand muss sich mehr aus dem bequemen Umfeld, seinem Sessel, seiner gewohnten Umgebung heraus bewegen um Abenteuer zu erleben.
Man lässt erleben, nimmt passiv daran teil.
Da genau fängt es an - da wird der Mensch von dem Erleben abgekoppelt, das seit Jahrtausenden im Überlebenskampf seine Sinne beansprucht hat, wenn er sich aus seiner gewohnten Umgebung heraus wagte um Fremdes zu erkunden und neue Möglichkeiten zu suchen. Was als "großartiges Reiseerlebnis" angepriesen wird ist in Wahrheit nur noch ein billiger Abklatsch dessen, was es als "richtiges Abenteuer" sein könnte. Zu sehr viel höheren Kosten, mit sehr viel Komfort, mit sehr wenig Mühe für den 'modernen' Reisenden selbst.
Kein Herzklopfen mehr wenn fremde Geräusche auftreten, kein Erschrecken mehr, wenn sich ein Schatten abzeichnet, keine Angst mehr, wenn die Nacht alle Silhouetten verschwinden lässt. Eine Verarmung der Sinne, eine Verflachung der Sinneseindrücke, die Trivialisierung der nativen Szene zu bestenfalls noch 'Folklore' zur Befriedigung des Dranges nach Exotic, der in manchem Menschen ab und an aufkeimt.
Wir haben durch die sogenannte "Zivilisation" viel gewonnen - aber noch viel mehr verloren.
Wer in den Industriestaaten lebt ist von der natürlichen Umgebung abgekoppelt. Bezeichnend ist doch schon, dass die Geräusche, die weiter oben als "die aufregendsten Geräusche der Welt" angeführt wurden allesamt technische Geräusche sind! Wir müssten stattdessen natürliche Geräusche als das Besondere empfinden .... aber das ist wohl schon lange vorbei.
Da sind die Menschen in ärmeren Ländern noch besser dran: Sie kennen diese natürlichen Geräusche noch als ständige Begleiter ihres Lebens und sie wissen noch sich aus dem Land zu versorgen. Sie haben zwar wenig, sind allerdings oft glücklicher und weniger getrieben.
Deswegen frage ich mich manchmal - gerade auch unter dem Eindruck des sich verschärfenden Konfliktes hinsichtlich der Eindämmung der schädlichen Wirkungen von Zivilisation auf das Weltklima - was wohl die bessere Lebensweise ist. Aber was weiß ich alter Knochen schon vom 'modernen' Leben ....
Sie ziehen ihre Rückschlüsse, und sprechen vom Verarmen der Sinne in der Zivilisation.
Ich hingegen könnte Schlüsse ziehen, die auf eine Überreizung der Sinne deuten. Unlängst war ich in die Stadt gefahren und ich saß zwei Stunden im Warteraum eines Ohrenarztes mit angeschlossenem Hörakustikstudio.
An der Wand hing ein Bildschirm und eine Dauersendung über die Geschichte der Hörkakkustik lief. An der Eingangstür zur Praxis herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, Ablewgen oder Anziehen von Kleidung. Aus dem Arbeitsraum des Hörstudios drangen abwechselnd unterschiedliche Geräusche: Kopierer oder Drucker, Telefonläuten, Schleifen, Hämmern, PC-Tastatur, Gespräche zwischen Patienten und Mitarbeitern. Am Gang zwischen den unterschiedlichen Räumlichkeiten der Artzpraxis tönte fast jedes Schuhwerk, wenn jemand von hier nach dort ging, was bei der Frequenz in dieser Praxis recht häufig vorkam. Aus der angrenzenden Toilette drang das Geräusch des Händetrockners - und die Tür zur Toilette ächzte. Und da die Mitarbeiterinnen ziemlich oft hin und her gehen mussten zwischen den fünf zusammengehörenden Räumlichkeiten der Arztpraxis, herrschte rege Betriebsamkeit auf den Gängen der Praxis. Nach zwei Stunden war ich heilfroh, diesen Ort zahlreicher Sinneseindrücke verlassen zu können. Dort habe ich Kopfschmerzen bekommen von all dem Gehörten und Gesehenem im Warteraum.
Allerdings geht es ihnen um etwas anderes, wenn ich die Absicht Ihres Postings richtig verstehe. "Wer in den Industriestaaten lebt ist von der natürlichen Umgebung abgekoppelt. Bezeichnend ist doch schon, dass die Geräusche, die weiter oben als "die aufregendsten Geräusche der Welt" angeführt wurden allesamt technische Geräusche sind! Wir müssten stattdessen natürliche Geräusche als das Besondere empfinden .... aber das ist wohl schon lange vorbei." - Zitat Ende.
" ... die aufregendsten Geräusche der Welt", das reiht sich ein in die so beliebt erscheinende Verwendung von Superlativen. Die aufregendsten Geräusche, die weltbesten Skifahrer, die schnellsten Rennfahren, die erfahrendsten Experten, die beliebstesten Schauspieler, die lautesten Bands, die poetischten Sänger, die siegreichsten Gewinner, die traurigsten Verlierer, die einsamsten Herzen, oder was auch immer unter den Aspekt von Superlativen gestellt wird, stellt trotzdem "nur" einen möglichen Blickwinkel von vielen dar. Den des Wettbewerbsdenkens. Irgendwer oder irgendwas müsse als das Größte, Beste, Schönste oder Schrecklichste dargestellt werden.
Da sind die Menschen in ärmeren Ländern noch besser dran: Sie kennen diese natürlichen Geräusche noch als ständige Begleiter ihres Lebens und sie wissen noch sich aus dem Land zu versorgen. Sie haben zwar wenig, sind allerdings oft glücklicher und weniger getrieben.
Was meinen Sie mit natürlichen Geräuschen des Lebens? Das Plätschern eines Baches, das Rascheln von Laub im Wind, die unterschiedlichen Laute von Tieren, Atemgeräusche oder Bewegungsgeräusche von Menschen und Tieren, knisterndes Feuer, Donner, das Geräusch von Regenfällen, Geräusche von handwerklicher Arbeit?
Sie haben an Bedeutung verloren. Wir leben viel mehr in einer zivilisatorischen Sicherheit der Städte. Wir werden in unseren Häusern nimmer angefallen von Bären oder Wölfen, wir müssen nicht täglich zur Wasserstelle am Fluss gehen, um Trinkwasser zu holen, wir müssen nicht in der Dunkelheit gehen, wir müssen unser Essen nicht gegen wilde Tiere verteidigen und nicht täglich neu überlegen, wie lange überleben wir mit einer Handvoll Bohnen und Kartoffeln.
Sie haben ihre rhetorischen Fragen ja schon selbst beantwortet, da brauche ich Ihnen nur noch beizupflichten! "Zivilisation" ist im weiteren Sinne für Menschen unzuträglich - wir sind auf Vieles, was damit einhergeht, nicht eingerichtet.
Zu dem Thema hatte ich selbst mal vor langer Zeit was geschrieben: https://matrixmann.livejournal.com/159126.html
Ich glaube, das ist auch ein Grund, warum ich mir das viele gefährliche und grenzgängerische Zeug aus meinem Leben wie Waffentechnik und Gewalt nicht nehmen lasse. Es ist wie die Nymphe, die einen lockt, und man kann ihrem Ruf nicht widerstehen.
Und was gäbe es als Alternativen, um diese Funktion zu übernehmen?
Sollte man einer von diesen Touristen-Zombies werden, die überall auf der Erde herumspazieren und am Ende doch nur durch einen extra für sie arrangierten Vergnügungspark stapfen, in dem ihnen nichts passieren kann?
Oder sich damit zufrieden geben, für hunderte Euro auf eine Massenveranstaltung zu gehen, auf ein geliebter Musiker live auftritt?
Ich weiß nicht, das alles erscheint mir äußerst sinnlos. Wie viele Leute buchen sich solche vorgefertigten "Abenteuer"? Und ist das auch wirklich immer gut für den Rest der Welt? (Siehe man sich den Schaden an, den z. B. die großen Kreuzfahrtschiffe überall mit sich bringen und hinterlassen. Der Massentourismus der wohlhabenderen Länder hat schon lang den Punkt überschritten, an dem es für Klima, Einheimische und die Städte selbst noch gut ist.)
Da bleibe ich doch lieber der Typ, dem der Geruch von Aceton was gibt, oder der sich über die Geruchskulisse an Silvester freut.
Oder für den dunkles Zeug so normal ist wie Job, Auto und Haus für die meisten anderen.
Danke für den Link - ich habe große Hochachtung dafür, dass dies ein in Englisch verfasstes Gedicht ist. Die höchste Stufe der Sprachfertigkeit.
Inhaltlich sehe ich Anklänge. Es ist eine Frage der Vorliebe wie Menschen sich zerstreuen. Solange es im heimischen Kreis möglich ist begrenzt sich der Schaden, wenn aber Fernreisen dazu kommen ist schon die Logistik eine nicht zu vernachlässigende Größe.
"Dunkles Zeug", das ist so nicht selbst erklärend. Was muss man sich darunter vorstellen?
Ich glaube, die Grundidee zu dem Gedicht damals war die Festellung gewesen: Überall bauen Menschen Zäune hin, sobald sie sich etwas Untertan gemacht kriegen. Aus eigentlich freien, abenteuerlichen, nicht 100% sicheren Dingen werden in Windeseile Dinge, die, für das nötige Entgelt, begrenzt und so sicher wie das Innere einer Gummizelle gestaltet werden. Und das nennen sie dann aber immer noch "Abenteuer". (Gleichzeitig bleiben auch Dinge zurück, die weiterhin nie vollständig sicher sein können, werden aber genau als das verkauft, weil man damit Geld machen kann. Siehe z. B. der anvisierte Weltraumtourismus.)
Obwohl es, sachlich betrachtet, nicht inzwischen nicht mehr ist als eine schlechte Wandertour. Eine Käseglocke eben, unter der man nur das zu sehen bekommen soll, was man sehen soll - ein Schauspiel, eine Illusion von "Abenteuer".
(Und dann wundert man sich über die moderne Sensationsgeilheit und das Gaffertum der Leute?)
"Dunkles Zeug"... Ist immer etwas schwer für mich zu definieren, wenn ich das im nicht-privaten Raum erläutern soll. Man weiß schließlich nie, ob nicht irgendeiner nach Ewigkeiten auf den Kommentar stößt, für den der gar nicht bestimmt war, und ob derjenige sich sonstwelche kranken Fantasien darauf zusammenreimt...
...Ich versuche es einmal so festzuhalten: Krieg, Waffentechnik, Gewalt, man-made disasters, Selbstzerstörung und -verletzung, ein "hartes Leben", bis zu einem gewissen Grad auch vom Mainstream abweichende Sexualentwicklung - für viele Themen, die sehr weit entfernt von ihnen und ihrem Kosmos liegen, mit gewissen Tabus auch belegt sind, die sie nicht verstehen und die sie auch als "Störfaktoren" in ihrer heilen Welt wahrnehmen.
Für mich wiederum ist das mein Kosmos - das, von dem ich meine, die Regeln zu verstehen.
Für mich wäre es also, wenn ich davon herunterkommen sollte, als wenn man jemanden auf eine wesentlich schwächere Dosis eines Medikaments setzen würde - wirkt nicht. Ich würde mich langweilen.
Wäre für mich also ein absolutes Downgrade - hin zu etwas, was mir nichts geben würde, von dem ich nicht verstehe, was die Freude daran ausmachen soll und was daran das "Abenteuer" sein soll.
"Nenne man mich "Sonderling" oder ähnliches - ich bin eben ein "Nerd" für das richtig Ausgefallene."
Das Geräusch der Dampflock zu hören, das Abenteuer einer solchen Zugfahrt können Interessierte im Dezember 2019 noch vier Mal genießen. Die Nostalgie-Dampflock fährt am 1., 8. 15. und 22. Dezember von St. Pölten nach Mariazell und retour.
https://www.mariazellerbahn.at/nostalgie-dampflok-mh6
Sogar einen Salonwagen 1. Klasse gibts :-)
Vielen Dank für den Hinweis, Frau Rosenherz, das wird bestimmt einige Lesende interessieren. Ich war ja mal auf Rügen und bin dort mit dem "Rasenden Roland" gefahren - ein besonderes Erlebnis!
"Rasender Roland" war mir bisher gar nicht bekannt gewesen.
Bei der Mariazellerbahn können Sie auch eine virtuelle Reise unternehmen, wenn Ihr Umzug geschafft ist und wieder etwas Ruhe eingekehrt ist im hause WVS. Es gibt ein Video von der Strecke zwischen dem Teilbabschnitt von Laubenbachmühle und Mariazell. Das Video wurde im Führerstand aufgenommen, zeigt den Weg der Spalspurbahn ( Spurbreite 760 mm) aus der Sicht des Lockfahrers auf die Schienen und die Landschaft.
https://www.youtube.com/watch?v=CbRvCmSsBqA
Da sehen Sie mal, Frau Rosenherz, wir haben Beide etwas dazu gelernt! Danke für den Link, ich werde mir das ansehen wenn es wieder ein wenig mehr Zeit dafür gibt.
Abenteuer wollte ich erleben, als ich "in die Welt hinauszog". "Die Welt" war grad mal knapp 30 Kilometer entfernt und hieß Studium. Echte Abenteuer gab/gibt es da nicht zu erleben. Das Gebundensein an einen Ort oder eine bestimmte Lebenswelt lässt die Ungebundenheit, das Schweifen, das einem Abenteuer innewohnt, nicht zu. Um dieses Manko auszugleichen, werden aus der Gebundenheit "ausschweifende" Aktivitäten gern als "Abenteuer" bezeichnet; also z.B. Liebschaften, Reisen (und seien sie noch so reglementiert), Spaziergänge in unbekanntes Waldgebiet ... Die technischen Geräusche, die im Allg. am Beginn einer solchen Selbsterfahrung stehen, werden als "aufregend" empfunden. Schon Lektüre kann einem das Gefühl von Abenteuer vermitteln (Indianergeschichten!).
Als ich einmal mit meinen Kindern auf einem Spielplatz war, den wir alle noch nicht kannten, sagte mein Sohn danach zu mir: "Mama, heute war's unheimlich schön, heute habe ich Abenteuer erlebt." Soweit ich hatte sehen können, war nichts Besonderes gewesen, er rannte und kletterte auf der Rutsche herum und spielte mit anderen Kindern.
Ich kann es zwar auch nicht definieren, aber ob etwas ein Abenteuer ist, hat mit dem ganz eigenen Empfinden von der Besonderheit, der Einmaligkeit dessen zu tun, was man gerade erlebt oder vorhat, mit der Phantasie, die man damit verbindet und die einen dabei trägt, manchmal in ganz eigene Welten.
Ich verstehe unter "Abenteuer" einen Pfad abseits vom alltäglichen Trott zu gehen - sich auf Ungewisses einzulassen und keine Angst vor Neuem zu haben .... betrachtet man die Reaktion in unserer Bevölkerung (ablehnung von allem was 'fremd' erscheint), so wird klar:
Wir sind auf einem falschen Weg und müssen umkehren um zu überleben.
"die wahren abenteuer sind im kopf" singt andré heller in seinem gleichnamigen lied im jahr 1975.
ich finde, dass darin mehr als ein körnchen wahrheit steckt. auch wenn die abenteuer, die die erkundung der welt betrifft, naturgemäß abgenommen haben, weil es ja kaum noch unerschlossene oder bequem erreichbare gebiete auf der landkarte gibt, kann man bei einem simplen, halbstündigen spaziergang rund um die eigene wohnung, egal ob die in einer stadt oder am land liegt, mehr abenteuer erleben als bei einer weltreise... wenn der eigene geist dazu imstande ist.
tatsächlich muss man aber für ein abenteuer die eigene wohnung auch gar nicht verlassen, wenn der geist reisen kann.
kann der geist das jedoch nicht, hilft auch ein abenteuer gar nichts: es wird nur als strapaze erlebt und negativ verbucht.
dennoch stimme ich ihnen zu: der mensch gibt auch die abenteuer im kopf weitgehend auf, was wohl auch mit ein grund für den niedergang unserer spezies ist.
Sie haben bestimmt Recht:
Wer nicht *offen* ist für ein Abenteuer wird es nicht erleben!
Wir haben es durch unsere Lebensweise verlernt - und ich denke, das hat auch mit dem Drang nach ständig Neuem bei den meisten Menschen zu tun .... man kann nicht mehr mit dem zufrieden sein was man hat. Es muss immer 'mehr' werden.