Wir sind es gewohnt, unsere Umwelt nach bestimmten Kriterien zu beurteilen. Da spielen ästhetische Überlegungen eine größere Rolle als die zugrunde liegenden pragmatischen Abläufe der Steuerung und Rückkopplung, die in Wahrheit jedes Lebewesen bestimmen. Ein niedliches Kätzchen und ein putziger Welpe sind Organismen, die durch genetische Steuerungen bestehen und erhalten werden. Bei einer emotionalen Betrachtung sieht man andere Eigenschaften als die, die diese Organismen am Leben halten.
Es ist ja so, dass wir - genetisch vorbestimmt- uns zum Individuum entwickeln. Zu einem geringen Anteil erlernen wir zusätzlich in den frühen Lebensjahren noch all das, was nötig ist ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Von den geregelten Abläufen der Organfunktion, der Steuerung durch das Gehirn und dieses wiederum abhängig von den Außenreizen, die vom Gehirn verarbeitet und in seine Steuerungsfunktion eingebaut werden, merken wir im Regelfall nicht viel.
Wenn allerdings eine - manchmal auch nur sehr kleine - Funktionsstörung auftritt, kann das wohlausgewogene Zusammenspiel der Prozesse gefährlich aus dem Gleichgewicht geraten. Je nachdem auf welcher Ebene der Steuerung das passiert kommt es zu Folgeerscheinungen - von deren Störung man manchmal erst sehr viel später etwas erkennt, weil sie sehr langsam verlaufen.
Ganz einfach ist das mit einem Mobile zu vergleichen:
Jede Störung, also eine Auslenkung des Gleichgewichtes, führt zu einer Reaktion aller vorhandenen Teilgewichte und es entsteht dort Chaos, wo zuvor Ausgewogenheit bestand.
Sehr interessant ist dieser Umstand wenn man an die Abläufe während des Sterbens denkt. Was vordergründig - weil es vom Normalfall abweicht - als Unordnung erscheint ist in Wahrheit eine genauso präzise Taktung der Abläufe, wie sie für das Fortbestehen des Lebens vorhanden und unabdingbar sind.
So genau wie man den Fortgang des Sterbeprozesses beschreiben kann, so ungenau ist die Erkenntnis zu den Ursachen. Nicht das, was oft als Auslöser vermutet wird muss diesen Pfad ins Verderben, die Einleitung des Sterbens bedeuten.
Hier möchte ich eine Überlegung zum Tierreich im allgemeinen einfügen. Die meisten Tiere sterben nicht einen natürlichen (Alters-) Tod. Sie sterben durch Gewaltanwendung eines Feindes. Sie werden getötet und gefressen. Da hat die Evolution lediglich Mechanismen für die maximale Abwehr dem Feind gegenüber entwickelt: Mit allen Reserven wehrt sich "Beute" dagegen gefressen zu werden - und zwar so lange, bis der Tod eintritt.
Beim Menschen hingegen ist das anders geregelt. In den vielen Tausenden von Jahren der menschlichen Entwicklung hat sich eine stufenweise ablaufende Reaktionskette ausgebildet, die mit nur geringen Variationen in Zeit und Intensität bei allen sterbenden Menschen zu beobachten ist. Dies alles hier nochmal aufzulisten wäre müßig. Da gibt es verschiedene, recht aussagekräftige, anschauliche Quellen [siehe ganz unten], die das sehr gut darstellen.
Sicher bei alledem ist allerdings auch, dass gerade die "Fortschritte" der modernen Medizin, die rund ums Sterben angepriesen oder gar aufgezwungen werden, eine eklatante Vernachlässigung der bisher vorhandenen Erkenntnisse zu den physiologischen Abläufen während des Sterbeprozesses sind. Die meisten Maßnahmen sind sogar dazu geeignet das Gegenteil von dem zu bewirken was sie bewirken sollen: Dass nämlich die Sterbenden in Stille, ohne Qualen und psychische Aufruhr, vor allem ohne Schmerzen 'gehen' können und ihr Leben friedlich beenden.
Künstliche Ernährung, zwangsweise Flüssigkeitszufuhr, Techniken der Wiederbelebung (die häufigst zum Koma führt) seien hier nur beispielhaft genannt.
"Fortschritt", der die biologischen Grundlagen außer Acht lässt ist in Wahrheit genau das Gegenteil dessen, was man dem Wortsinn entsprechend annimmt: Wahnsinn.
Und wofür wird dieser Firlefanz veranstaltet?
Wie stets geht es auch da um Geld.
Die Sterbenden noch ein Zeit lang am Leben zu halten und das Unausweichliche herauszuzögern bedeutet "Kasse machen" mit nutzlosen Methoden und Mitteln - weil diese Patienten nie wieder zu einem selbstbestimmten Leben gesunden werden.
Dem ist nur mit einer Patientenverfügung zu begegnen! Die sollte man mit dem Hausarzt besprechen und ausfüllen, ggf. dort und bei nahen Verwandten hinterlegen.
Handeln Sie umgehend, denn: Der Tod ist gewiss, die Stunde ungewiss ….*

Quellen zum Nachlesen über Abläufe rund um das Sterben aus verschiedener Sicht:
1. Woran erkennt man den bevorstehenden Tod?
2. Den Sterbeprozess erkennen: Das sind die Anzeichen des Todes
3. Anzeichen der letzten Lebensphasen
4. Anzeichen des nahenden Todes
5. Begleitung im Sterbeprozess
[Diese Auflistung bedeutet nicht, dass ich mit allen geäußerten Darstellungen und Überlegungen einverstanden bin oder sie als absolute Wahrheit bezeichnen will. Sie sind jedoch ein guter Anhalt, um den Sterbeprozess besser zu verstehen.]
Siehe → *
Sterben, von außen betrachet, ist eine sehr seltsame Sache...
In vielen Erzählungen hört man es immer wieder - jedenfalls bei solchen Menschen, die in irgendeiner Kondition sind, dass es in Aussicht steht: Zuerst geht es jemandem rapide schlechter, nachdem sich ein Zustand ohnehin schleichend immer weiter verschlechtert hat - und wenn sie daran noch nicht zu Grunde gehen, so kann es sein, dass derjenige sich für Stunden oder einen Tage oder sogar mehrere Tage noch einmal "aufbäumt", es ihm ungeahnterweise doch noch mal wieder besser geht; das kann soweit gehen, dass man annehmen könnte "das wird noch mal wieder was".
Aber dann alsbald... Denn geht es richtig bergab.
Wenn man nicht dann das Glück hat, dass es gleich schon zu Ende ist, zieht und quält sich das noch einige Zeit in die Länge.
Bis dann irgendwann das Endresultat steht, was letztendlich, am Gesamtprozess bemessen, dann doch nicht umgänglich war.
...Gesundheitlich halte ich es selbst so, dass, wenn ich durch irgendetwas den Punkt erreiche, wo - von ganz allein - das Essen zu einer ungewollten Pflichtveranstaltung wird, also man sich gezielt etwas zu essen 'reinquälen muss, weil einem auffällt, man hat den Tag über noch nichts zu sich genommen (und es fehlte einem laut Stoffwechsel und Hungergefühl auch nicht) - dann ist so eine Grenze erreicht, bei ich weiß "hier stimmt etwas ganz und gar nicht". Dann geht es mir (oder jemand anderem) physisch richtig schlecht.
Erlebt habe ich das schon zwei Mal bisher aus erster Hand. Darum...
Zum Thema "lebenserhaltende Maßnahmen, die in Quälerei ausarten" fällt mir ein Lied ein.
Hoffe, das ist nicht zu heftig (wegen der Art der Darbietung):
Wynardtage - Sterbehilfe (2006er Version)
https://www.youtube.com/watch?v=CLYvMOELfzk
Es beschreibt es einfach gut, wenn man auf den Text hört...
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Stay well.
Hallo matrixmann,
diese Schilderung des 'aufbäumens' ist gut beobachtet & beschrieben - wobei es dabei um Monate gehen kann, in manchen Fälle sieht es tatsächlich so aus als ob der zugrunde liegende Prozeß umgekehrt sei und eine Besserung kommen würde - da rafft der Körper noch einmal alle seine Kräfte zusammen .... was meist nicht reicht um den Herd der Erkrankung, schon erst recht nicht die Ursache zu bekämpfen.
Im vorliegenden Fall waren die Zeiträume kürzer.
Und nun ist der Kampf vorbei.
Mehr folgt (per mail, aber nicht mehr heute).
Das Lied
höre ich mir auch morgen ankann ich mir wegen (stark) eingeschränkter Bandbreite erst morgen anhören.Es kommt immer sehr auf die Grunderkrankung an.
Ich glaube (sage das jetzt aber nur mit Vorsicht), am schnellsten kann sich die Lage bei Krebs wenden. Egal, ob schon länger vorher bekannt oder erst kürzlich (und im Endstadium) entdeckt.
Da kann innerhalb weniger Tage oder Wochen "alles gelaufen sein".
Bei Krebserkrankungen gibt es vier Parameter die entscheidend sind:
- Lebensalter und
- Allgemeinzustand bei Diagnosestellung, sowie
- Metastasierungs-Index und
- Lokalisation.
Beim Lebensalter müssen zwei Bereiche besonders betrachtet werden: Ganz jung und ganz alt, da geht es rapide abwärts, in mittleren Lebensaltern sind es eher mehrmonatige bis jahrelange Überlebensraten. Befall von Gehirn, Leber, Niere und Lunge ist schwerwiegender & verkürzt die Lebenszeit mehr als andere Krebsarten.
Ich finde es absolut schwierig festzulegen, wann ein Leben nicht mehr lebenswert ist, sprich ab wann keine lebenserhaltenden Maßnahmen mehr durchgeführt werden sollen, insoweit da überhaupt eine Wahl (auch vorab mit Patientenverfügung) möglich ist. Meine Mutter hatte keine Patientenverfügung (nur mindestens vier nicht ausgefüllte Formulare bei sich rumliegen). Nach zwei kurz aufeinander folgenden Schlaganfällen (wobei der zweite zunächst unerkannt im Krankenhaus erfolgte) war ersichtlich, dass sie nie wieder den gesundheitlichen Status von der Zeit davor erreichen würde. Mit der Reha machte sie jedoch einige Fortschritte, wenn diese auch minimal waren. Die Reha wurde unter sehr schwierigen Umständen zweimal verlängert. Jedes Mal wusste man vorher nicht, wie es weitergeht, was organisatorisch absolut eine Herausforderung war. Klar war, dass sie nicht in ihre Wohnung zurückkonnte, aber ohne Ende der Reha, konnte man nicht offiziell die Wohnung kündigen und einen Platz in einer entsprechenden Pflegeeinrichtung suchen. Das hat dann doch alles noch geklappt. Und das Pflegeheim, das ich ausgesucht habe, war schon richtig gut. Aber mit zusätzlicher Betreuung war es dann weitaus schwieriger. Klar, dass man da keine Wunder erhofft, wenn sehr viele Lebensfunktionen massiv eingeschränkt sind. Aber auch wenn da nur noch sehr wenig von dem Menschen da ist, so wie man ihn kennt – sollte man dann nicht dennoch alles versuchen? Zumal, wenn es durchaus Reaktionen auf äußere Umstände gibt. Man selbst wurde immer noch erkannt und auch das Pflegepersonal wurde überraschenderweise begrüßt, wenn diese wohl sympathisch waren. Ich habe immer ein paar Blüten (oder einfach nur irgendwelche Pflanzen, denn sie war eine leidenschaftliche Gärtnerin) vorbeigebracht zum Riechen und das hat sie sichtlich genossen. Mir fällt es da schwer zu sagen, dass das kein lebenswertes Leben ist, auch wenn ich per se zuvor für mich selbst gesagt hätte, dass es dieses nicht ist. Wie schon gesagt, finde ich es sehr schwierig, da eine abschließende Meinung zu äußern. Das ist jetzt sicher nicht so ganz toppic, aber dann doch thematisch passend.
Doch, doch, Frau Araxe, das passt blendend .... ich habe für mich die Frage so beantwortet:
Wenn ich nicht mehr selbst meine täglichen Verrichtungen wie Hygiene, Essen & Trinken besorgen und zubereiten, meine Wäsche waschen und einsortieren, und den Haushalt sauber halten könnte wäre das für mich der Endpunkt den ich nicht überschreiten möchte. Deswegen habe ich verfügt, dass nach spätestens 30 Minuten jegliche Wiederbelebungsmaßnahmen abgebrochen werden müssen. Wenn Zeichen eines Hirninfarkts vorliegen nach 15 Minuten.
Meine Erörterung ging von diesen Bedingungen aus - und ich bitte um Nachsicht, dass ich es nicht entsprechend gekennzeichnet habe.
Natürlich liegt dem von Ihnen geschilderten Fall eine völlig andere Sichtweise des Begriffes "lebenswert" zugrunde. In diesem Fall waren noch Reaktionen auf die Umwelt vorhanden - mein Horror wäre, wach zu sein, aber nicht fähig zu sprechen und nur so da zu liegen, möglicherweise Tag & Nacht die weiße Decke anzustarren .... Sie können sich das sicher ausmalen, wie ich mich das quälen würde. Vor allem wenn ich ihre Anmerkung '.. auch wenn ich per se zuvor für mich selbst gesagt hätte, dass es dieses nicht ist .. ' zitiere, denn das liegt doch wesentlich näher beieinander als eine Notwendigkeit umfassender Versorgung.
PS:
Der Patient ist verstorben. Es war eine sehr schnelle Entwicklung in fünf Tagen. Das war in meiner Vorstellung eine Wendung zum 'Guten' - keine Quälerei, Medikamente oder unnütze apparative Maßnahmen. So hatte es der Verstorbene verfügt.