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Radikalisierung ist ein langwieriger Prozess, nichts geht dabei von jetzt auf gleich. Der Beginn des Umschwenkens kommt aus einem allgemeinen Frust nicht mit den gesellschaftlichen, technologischen und internationalen Veränderungen Schritt halten zu können - und der ganz offensichtlichen Unfähigkeit der Politik & Politiker den Bürgern eine Perspektive und Anleitung anzubieten.
Ich bin überzeugt davon, dass das deswegen passiert, weil viele der dort Agierenden selbst ähnliche Verständnis- und Orientierungsprobleme haben und deswegen selbst ohne Ziel im Nebel herumstochern.
Grund dafür ist ein Mangel an Kenntnissen und das hat seine Ursache in einem Mangel an Willen in Bildung zu investieren. Wenn wir die Kürzungen der letzten Jahrzehnte ansehen sind es vor allem Bildung und Kultur die Streichungen hinnehmen mussten. Daneben waren es die Dienstleistungsbereiche Polizei, Bibliotheken & Schwimmbäder und ganz wesentlich, die Schulen - wobei es hier nicht nur um die Gebäude geht, sondern um die Lehrer. Ganz abgesehen von den vielen Experimenten gerade im Schulbereich hat sich eine gewisse Abschätzigkeit gegenüber Lehrern aufgebaut, wobei wie so oft ein paar 'faule Äpfel' das Image der Gesamtheit verdorben haben.
Wie soll sich "Zukunftsoptimismus" in der Bevölkerung aufbauen wenn um sie herum entweder Stillstand oder Zeichen des Verfalls zu beobachten sind?
Es ist nicht nur meine Überzeugung, dass sich langfristig durch die steigenden Zahlen an immer schlechter gebildeten, auf den Mobiltelefonen dahindaddelnden Menschen, diese aus Orientierungslosigkeit entstehende Radikalisierung noch verstärken wird. Eine, was sage ich, zwei verlorene Generationen die nicht mehr "wissen", sondern "meinen", "glauben" oder "hinnehmen"- wenn sie nicht gar völlig desinteressiert dahin laufen wo alle hin laufen:
Zu den Rattenfängern die vermeintlich einfache, in Wahrheit völlig abstruse Modelle anbieten, die jeder Prüfung durch 'das wahre Leben' niemals standhalten werden.
Die politischen Akteure tragen unvermindert zum Misstrauen der Bevölkerung gegenüber Neuerungen bei, weil sie zunächst immer die Gefahren und Widerstände beschreiben anstatt die Vorzüge und erweiterten Möglichkeiten heraus zu stellen. Ein gutes Beispiel aus jüngster Zeit ist die Idee der "Digitalinitiative". Da waren (und sind) die Zuständigkeiten ungeklärt - dabei hätte das doch im Vorfeld geklärt werden können. Also bevor man es einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht hat. So ist wieder ein lobenswerter Ansatz gescheitert, und das noch bevor eine grundsätzliche Diskussion um den Nutzen und die Notwendigkeit überhaupt in Gang gekommen wäre:
Weil es nämlich nie sinnvoll ist Technologie um ihrer selbst willen zu beschaffen - weil Andere das auch tun - ohne die Lehrkräfte entsprechend ausgebildet zu haben, damit dann ein sinnvoller Einsatz gewährleistet ist.
Der Fortschritt erhöht mit jedem Jahrzehnt seine Geschwindigkeit. Menschen können bedauerlicherweise pro Zeiteinheit nur eine bestimmte Menge an Information verarbeiten. So kommt es zu einem Auseinanderdriften zwischen immer schneller fortschreitender Entwicklung und der Reaktionsfähigkeit der Gesellschaft - im Idealfall unter Anleitung und Führung der Politik - was zu einem Chaos, manchmal zu Angst und Verweigerung führt. Es wird nur noch verwaltet, nicht mehr gestaltet. In Deutschland fehlen die Visionäre in der Politik, nicht zuletzt weil jeder Ansatz dazu in den letzten dreißig Jahren von der Mittelmäßigkeit erstickt worden ist.
Erweiterte Neufassung; Erstveröffentlichung 24. Nov 2015 um 22:22h.
Hallo Wolfgang,
mangelhafte Bildung ist ein wichtiger Faktor.
Weitere Faktoren sind
- Eltern die, aus vielfältigen Gründen, nicht mehr in der Lage sind ihre Gören zu erziehen.
- Die zunehmende Verrohung und Amerikanisierung der Gesellschaft überhaupt.
- Der Verlust der Teilhabe am sozio-kulturellem Leben großer Teile der Bevölkerung, insbesondere der Einkommensschwachen.
Insbesondere Dein Einwurf
"und der ganz offensichtlichen Unfähigkeit der Politik & Politiker den Bürgern eine Perspektive und Leitung anzubieten."
hat es in sich.
- Einerseits fordern wir, dass die Politik das "Wollen der Bürger" umsetzt.
- Andererseits, was könnten sie uns anbieten, außer dem was sie uns tagtäglich vor Augen halten. Kapitalismus, Lügen, Vertuschen, Hahnenkämpfe, Taktieren, Paktieren, Kriege, Morde, persönliches Fehlverhalten der Politiker u.u.u.
Deinen zusätzlichen Gründen kann ich nur zustimmen - es ist stets eine Auswahl, die ich im Beitrag erwähne, der Umfang geht sonst ins uferlose ....
Politik setzt nicht mal den Bürgerwillen um sondern behandelt die Bürger wie unangenehme Bittsteller, wo sie doch grundsätzlich der "Souverän" sein sollten. Wie du weißt, Klaus, führe ich das auf die Parteien und ihren Einfluß auf die Zusammensetzung der Parlamente zurück:
Hätten wir Direktwahl von Kandidaten so müßten sich die ihren Wählern stellen und könnten sich nicht auf Fraktionszwang (schon das völlig an der gesetzlichen Grundlage vorbei!) und parteipolitische Gepflogenheiten herausreden.
Gerade aktuell zu Deinem Post. Europa Parlament heute.
http://www.europarl.europa.eu/news/de/news-room/content/20151120IPR03612/html/Parlament-verlangt-gemeinsame-EU-Strategie-zur-Bek%C3%A4mpfung-der-Radikalisierung
Nur Maßnahmen die erst greifen wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Echte Prävention geht anders.
Danke für den Hinweis & Link, Klaus,
ich habe mal gelesen und komme zu einer geringfügig abweichenden Schlußfolgerung:
Ein erster Ansatz zur Eindämmung der radikalisierten 'Kämpfer', dessen Wirkung abzuwarten ist. Den Teil kann ich nachvollziehen, wenn auch dabei wahrscheinlich Unschuldige in die Mühlen der Justiz geraten werden - solange es nicht in einem "Guantanamo" endet sondern in rechtsstaatlichen Verfahren könnte es helfen.
Der Teil zur erweiterten Speicherung und Verfügbarmachung von Daten zu Reisenden etc. scheint mir der Versuch zu sein hier das Ereignis zu instrumentalisieren um lange geplante & vorher nicht durchsetzbare Vorhaben durchzubringen.
Eine Chance das zum - auch von den Bevölkerungen der EU getragenen & gewünschten - Erfolg zu führen ist vertan. Ein sozialer Ansatz, Prävention, Bildungs- und Ausbildungsinitiativen fehlen mir da.
Die 'hardliner' scheinen sich durchgesetzt zu haben.
ich vermisse eben diese Aussagen zur Bildung, Gleichstellung, Integration, Arbeit. Bei diesen nun geplanten Präventivmaßnahmen setzt der Hebel zu weit oben an. Das ist wie 'herumdoktern' an der Pest, wenn die Beulen schon sichtbar sind.
Da kann ich nur beipflichten - siehe auch den neuen Artikel von heute, ähnliches Thema, ähnliche Schlußfolgerung.