Liebes Tagebuch,
es gibt etwas Sensationelles zu berichten: "Gott ist ein reines Geistwesen." Ach wusstest du schon? Steht doch in der Überschrift? .... Na klar, hatte ich völlig übersehen, ich bin so aufgeregt von dieser Nachricht.
Bei einem Herrn Weissenborn war zu lesen:
".. Damit, mit seiner Definition Gottes als eines "reinen Geistwesens" - wir verneigen uns mit Bewunderung - ist Anselm Grün .. eine denkerische Glanzleistung gelungen, indem er, wenn nicht expressis verbis und vermutlich ohne bewusste Absicht, so doch logisch zwingend den Schluss auf die reale Nicht-Existenz Gottes nahelegt .. Wenn Gott als reines, also körper- und hirnloses Geistwesen unmöglich ist, so kann er natürlich nicht faktisch .., sondern nur fiktional in den Köpfen der Menschen .. existieren .. Was aber Anselm Grün, den Meisterschüler Karl Rahners, betrifft, so schlage ich vor, ihm in Anerkennung seiner radikal revolutionären Dogmatik als einem Aufklärer des 21. Jahrhunderts die Ehrenmitgliedschaft im IBKA (Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten) anzutragen. - Sollte er bescheiden ablehnen .. so bedeute man ihm, dass das menschliche Denken mitunter auch ungewollt zu durchaus richtigen Ergebnissen gelangen kann .."
[Quelle des Zitates]
Ich war ehrlich erstaunt das zu lesen, Tagebuch. Ausserdem muss ich zugeben, dass mir der Herr Grün - wie ich jetzt durch intensive Nachforschung gelernt habe - ein durchaus bekannter Autor und Benediktinermönch, mit über 300 Buchveröffentlichungen, bis dato nicht bekannt war.
Gut, die Werke handeln meist von Engeln und Gebeten und christlicher Lebenshilfe, da weißt du, liebes Tagebuch, das ist nicht so mein Ding. Deswegen ist es wohl entschuldbar wenn ich als Atheist ihn nicht kenne.
Wenn Gott, von dem da die Rede ist, 'wesenlos' und nur als 'Geisteswesen' definiert wird ist wenigstens geklärt, warum bisher noch niemand sagen konnte wo "er" - oder "sie"? - sich eigentlich aufhält. Da siehst du mal liebes Tagebuch, vor welche schwerwiegende Frage die Leser hier gestellt sind - sie fragen sich bestimmt auch wo du eigentlich herkommst und hin verschwindest wenn wir hier mit dem Gespräch fertig sind.
Also dieser Gott existiert nicht, soviel steht fest. Und weil es ein Mönch gesagt hat wird es wohl stimmen. Weil Mönche von Berufs wegen nicht lügen dürfen, hmmm, prinzipiell, es sei denn es geht um den Missbrauch von Kindern, da machen sie das einfach und hoffen es merkt niemand 'was. Vom Lügen. Und vom Kinderschänden. Und wenn doch beten sie und büßen und beten wieder, diesmal zehn Rosenkränze und dann ist Alles wieder gut. Für sie. Nicht für die armen Kinder.
Jetzt aber schnell zurück zu dem wesenlosen Gott. Liebes Tagebuch: Hätte mir das jemand noch gestern gesagt 'Gott ist ein reines Geistwesen', dann hätte ich gefragt "Wer sagt sowas?" und wenn man mir dann gesagt hätte 'Ein Benediktinermönch', dann hätte ich es nicht geglaubt. Aber nun habe ich es gelesen, und das ist in der überwiegenden Zahl von Fällen richtig, ähem, es sei denn es steht bei *facebook*, da ist es meistens nur eine Meinung, kein Faktum.
"Gott ist ein reines Geistwesen" - pffft! das war eine Überraschung, wär' ich von selbst niiie drauf gekommen, liebes Tagebuch, jetzt muss ich mich erst mal davon erholen. Vielleicht ein Mittagsschläfchen .... tschüß, Tagebuch, bis demnächst.
[Verweis via hpd: "Kirchentage, Ketzertage, Humanistentage"]
»Wenn man beweisen könnte, dass es keinen Gott gibt, dann gäbe es keine Religion.
Wenn man aber beweisen könnte, dass es Gott gibt, dann gäbe es keine Religion.«
(Ursula K. Le Guin)
Wie so oft komme ich ins Grübeln ob es nicht doch einen Gott gibt den ich für mich instrumentalisieren könnte, vor allem wenn ich solche Schlagzeilen lese "God enters the real estate game, tells pastors to buy a $1-m mansion" - dann könnte ich glatt auf jedwede Religion pfeifen ....
Hm... Gibt eigentlich eine sehr bodenständige Ausführung dieses Gedankens: Gott ist etwas, was im Gehirn der Menschen anfängt und auch dort aufhört. Wenn man schon sieht, was passieren kann, wenn man jemandem Alkohol oder harte Drogen einflößt, mit dem derjenige meint, während seines Trips alles gesprochen zu haben, und alles davon ist nur auf eine manipulierte und auf den Kopf gestellte Chemie im Gehirn zurückzuführen - also, reine Einbildung, die wieder verschwindet, wenn man nüchtern wird -, dann bekommt man seine Vorstellung davon, wo jegliche Erfahrungen mit Gott herkommen könnten.
Psychotiker machen ähnliche Erfahrungen, nur dass es dort das Gehirn selbst induziert und keine äußeren Quellen braucht, um die Gehirnchemie so grundlegend zu verändern (und damit auch die Wahrnehmung).
Kaum erhalten sie Medikamente, die diese fehlfunktionierende Gehirnchemie wieder in Balance zu rücken, schon verschwinden auch ihre Eindrücke von Verfolgtsein, Gott und "irgendwer will mich umbringen/vergiften" wieder.
...Sollte also sehr hindeutend darauf sein, was allein nur aus dem menschliche Gehirn kommen kann. Wozu braucht man da noch einen objektiv existierenden Gott?
"..Wozu braucht man da noch einen objektiv existierenden Gott?.." - da muss ich doch gleich einmal feststellen: Es gibt keinen solchen "Gott", weder subjektiv noch objektiv. Wenn jemand ihn subjektiv zu sehen behauptet, gesehen zu haben vorgibt, und ihn angeblich wirken gesehen hat, dann leidet dieser Mensch unter Wahnvorstellungen - so wie alle Patienten die Hasen, Gespenster, oder Persönlichkeiten aus der Geschichte meinen gesehen und mit ihnen gesprochen zu haben.
bei der objektiven seite stimme ich zu, aber nicht bei der subjektiven:
denn die subjektive (und teilweise sehr kollektive) idee eines gottes gibt es sehr wohl, und diese idee hat über die jahrhunderte auch viel an wirkungen hervorgerufen.
wenn man jede sache, die nur ideel existiert, verleugnen wollte, müsste man sehr vieles ebenfalls leugnen: geld, aktien, staaten, länder, jede form von philosophie und den inhalt jedes buches, das je geschrieben wurde.
das bedeutet keinesfalls, dass gott "objektiv" existiert.
aber die idee sehr wohl, und immer höchst subjektiv, gemeinsam mit unzähligen anderen, mehr oder minder guten und unfassbar schlechten ideen, die der mensch so im laufe der jahrtausende ausgebrütet hat.
@ D. Ramirer
Einige der von Ihnen angeführten Beispiele wie Geld, Aktien, Bücher sind ja durchaus noch nicht total fiktiv, sondern in der Realität greifbar. Insgesamt betrachtet sind natürlich Grenzen und Staatsangehörigkeit ebenso fiktiv, sie haben jedoch, anders als Religion/Glaube praktische Bedeutung die ubiquitär anerkannt ist, wohingegen letztere nur in Teilmengen der Menschheit akzeptiert sind.
Was nicht bewiesen werden kann ist nicht existent: Das gilt unbedingt für subjektive Gedanken, denn sie sind nur dem Denkenden zugänglich, schon eine Mitteilung an andere Personen ist nicht mehr das, was gedacht wurde!
Zur "Wirkung des Glaubens" über die Jahrhunderte fange ich gar nicht erst an. Das hat die Menschheit um Jahrhunderte in ihrer Enticklung behindert und ich staune immer wieder über die Unverfrorenheit der Religionen das Gegenteil für sich in Anspruch zu nehmen:
- https://www.re-actio.com/wordpress/?p=95596
- https://www.re-actio.com/wordpress/?p=77606
- https://www.re-actio.com/wordpress/?p=84352
- https://www.re-actio.com/wordpress/?p=98063
- https://www.re-actio.com/wordpress/?p=9371
- https://www.re-actio.com/wordpress/?p=84118
- https://www.re-actio.com/wordpress/?p=82953
sie unterstellen mir mit den wirkungen des glaubens an gott, dass ich positive wirkungen für die menschheit gemeint haben könnte (oder meine argumentation auf diese eingrenzen würde). dem ist entschieden nicht so: natürlich blockiert der glaube an gott vieles und verunmöglicht auch eine menge - aber das ist eben auch eine wirkung, die man auch als der größte skeptiker (der ich tatsächlich bin) nicht verleugnen kann, ohne vollkommen blind zu sein.
und geld ist nur theoretisch greifbar. sie wissen sicher, dass die größere menge geld nur als idee existiert und in keiner weise greifbar ist, also auch nur einen glauben voraussetzt, der ebenso zerbrechen könnte wie der glaube an gott, der die menschheit seit jahrtausenden in den wahnsinn führt.
die inhalte von büchern mögen eine "reale" seite haben (die gedruckten buchstaben), aber wenn sie hören wie zwei leute über das selbe buch reden, werden sie merken, dass es oft scheint, als ob sie von zwei verschiedenen dingen reden.
das hindert aber bücher nicht daran, sehr viel auslösen zu können - egal ob nun gut oder schlecht.
gedanken kann man nicht beweisen.
sind sie deswegen nicht existenz?
ich denke, das stimmt durchaus.
aber bewirken gedanken etwas?
geben sie sich die antwort selbst :)
noch als p.s.:
auch wenn ich selbst nicht an gott glaube, so sehe ich doch, dass es viele andere tun: und das hat auch wirkungen - einerseits schon, dass ich es beobachte, andererseits beobachte ich aus- und wirkungen in der gesellschaft und auch in den menschen, mit denen ich rede, wenn diese an diese phantasiefigur glauben.
ähnlich geht es mir mit anderen ideen, die ich nicht teile. gott bildet da keine ausnahme, auch wenn der glaube an ihn wirklich enorm penetrant und (auch für mich) nicht nachvollziehbar ist.
@ D. Ramirer
Stimmt, ich war von einer positiven Sicht ausgegangen - irgendwie passte in meinem Kopf 'negativ' nicht zu Ihnen ;c)
Ich will gern zugestehen, dass es eine subjektive Sicht für mannigfaltige Ereignisse und Strukturen gibt. Das bedeutet nicht, dass jeder Gedanke eines Individuums von anderen als Realität erkannt werden muss / kann, ja nicht einmal der Denkende selbst kann es wissen, wenn es sich beispielsweise um eine psychische Störung handelt.
Die verschiedenartige Bewertung und Interpretation dessen was gedacht und geäußert wird ist immer noch kein Beweis für solche Gedanken - weil eine Diskrepanz zwischen Gedanke und Äußerung nur dem Sprechenden (Bücher: Schreibenden) bekannt ist.
Strikt auf Glaube bezogen sagen Sie ganz richtig es sei das Gedankengebäude eher hinderlich als förderlich für weitere Lebensäußerungen. Dem kann ich unumwunden zustimmen.
Gedanken bewirken etwas.
Das ist nicht zu leugnen.
Allerdings nur, wenn sie geäußert werden.
nun ich denke, dann sind wir uns ja durchaus einig: denn die gedanken zum thema gott äußern ja sehr viele menschen (auch wenn ich durchaus davon ausgehe, dass das immer eine höchst subjektive idee ist, die keinerlei deckungsgleichheit hat).
selbst atheisten reden gern über die nichtexistenz gottes - ähnlich wie sich milizante nichtraucher gern an den zigaretten abarbeiten, die sie nicht rauchen... und aus der wahrnehmungstheorie wissen wir (und auch aus der bildenden kunst), dass auch und vor allem ausgespartes stark wirken kann.
der inhalt der gedanken selbst kann nicht bewiesen werden, das stimmt... womit wir wieder bei den gedanken selbst sind, und die bilden eben die grundlage von gedankenäußerungen jeglicher art, von gesprächen bzw. kommentarbäumen wie diesem hier, wo durchaus auch das thema gott eine rolle spielt: egal ob nun bewiesen oder nicht.
und die paar bits und bytes, die nun im internet sich verschoben haben, sind die physikalische wirkung. wenig, zugegeben: aber eben fakt.