ZITAT
Das Urteil:
a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben.
b) Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen. Die Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, ist im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren.
c) Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen.
Auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, können Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassungs wegen hinreichend gerechtfertigt sein. Das in § 217 Abs. 1 StGB strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung macht es Suizidwilligen faktisch unmöglich, die von ihnen gewählte, geschäftsmäßig angebotene Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.
3. a) Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung ist am Maßstab strikter Verhältnismäßigkeit zu messen.
b) Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass die Regelung der assistierten Selbsttötung sich in einem Spannungsfeld unterschiedlicher verfassungsrechtlicher Schutzaspekte bewegt. Die Achtung vor dem grundlegenden, auch das eigene Lebensende umfassenden Selbstbestimmungsrecht desjenigen, der sich in eigener Verantwortung dazu entscheidet, sein Leben selbst zu beenden, und hierfür Unterstützung sucht, tritt in Kollision zu der Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das hohe Rechtsgut Leben zu schützen.
4. Der hohe Rang, den die Verfassung der Autonomie und dem Leben beimisst, ist grundsätzlich geeignet, deren effektiven präventiven Schutz auch mit Mitteln des Strafrechts zu rechtfertigen. Wenn die Rechtsordnung bestimmte, für die Autonomie gefährliche Formen der Suizidhilfe unter Strafe stellt, muss sie sicherstellen, dass trotz des Verbots im Einzelfall ein Zugang zu freiwillig bereitgestellter Suizidhilfe real eröffnet bleibt.
5. Das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in § 217 Abs. 1 StGB verengt die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung in einem solchen Umfang, dass dem Einzelnen faktisch kein Raum zur Wahrnehmung seiner verfassungsrechtlich geschützten Freiheit verbleibt.
6. Niemand kann verpflichtet werden, Suizidhilfe zu leisten.
[ZITAT Ende]
Worauf bezieht sich das "Jedoch ..." in der Titelzeile?
Auf die Tatsache, dass ein erneuter Versuch unternommen wird die gleiche Regelung wie zuvor im durch das Urteil aufgehobenen §§ 217 unter Nichtbeachtung des höchstrichterliche Urteils durchzudrücken. Die Nichtbeachtung des Urteils hat bereits durch den vormaligen Bundesgesundheitsminister Spahn (der sich offenbar in Position bringt höhere Ämter in der CDU anzupeilen. Er hat während seiner Amtszeit den ihm unterstellten Behörden Anweisung erteilt jedwede Anträge auf die Genehmigung zum Kauf von Natrium-Pentobarbital zu versagen. Die Begründung des Amtes lautet "Das Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben beinhalte(t) jedoch keinen Leistungsanspruch gegenüber dem Staat."
Derzeit besonders tut sich der SPD-Religionsbeauftragte @larscastellucci , Prof. Dr. Lars Castellucci, Professor für "Nachhaltiges Management", bei der Neufassung eines Ersatzes für § 217 hervor. Hat das womöglich damit etwas zu tun das er den Kirchen und deren Dogmatik näher steht als schwer leidenden Patienten?
".. Herr Prof. Castellucci ist ein idealer Gesprächspartner mit Blick auf die Beziehung zwischen den Kirchen und der Politik. Er selbst kennt die evangelische Kirche sehr gut, nicht zuletzt durch die Leitung eines evangelischen Kirchenchores .. in seinem Vortrag berichtete er aus seinem weiten Feld der politischen Arbeit, .. welche auch die Kirche derzeit sehr betreffen. Umgang mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Sterbehilfe, Aufarbeitung von Taten sexueller Gewalt innerhalb der Kirche und vielem mehr .."
[Quelle: ...sag, wie hast Du's (sic!) mit der Religion? Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD) im Gespräch; 29.04.2021]
Weitere Quellen.
- Sterbehilfe mittels Pentobarbital
- Erlaubnis zum Erwerb einer tödlichen Dosis Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 2. März 2017; Entscheidung in Leitsätzen; Az.: BVerwG 3 C 19.15
- Kein Suizid mit Natrium-Pentobarbital
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2020 muss der Bundestag ein neues Sterbehilfegesetz beschließen. Seitdem hat der Bundestag aber kein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht. Ich finde das nicht akzeptabel.
Danke für die in diesem Zusammenhang expliziten Hinweise auf die Herren "Widerständler" Castellucci und Spahn! Leider sind sie nicht die Einzigen.
Es ist nach dem niederschmetternden Urteil das Sie anführen kein *rechtsfreier Raum* entstanden, denn nun ist der einschlägige §217 nicht mehr gültig und der davor gültige Zustand wieder hergestellt.
Insoweit besteht keine Notwendigkeit etwa einen Nachfolgeparagraphen zu erlassen - doch wir sind in Deutschland und der "Gesetzgeber" kann es nicht unterlassen in Sachen zu handeln, die eigentlich keiner Handlung bedürfen!
Leider haben Sie auch mit ihrer zweiten Feststellung Recht:
Es gibt - sehr bedauerlich - noch viel mehr solche Abgeordneten die die Kirchen 'im Sack' haben. Die erst anders handeln werden wenn noch viel mehr Menschen erkennen, dass sie mit Lug und Trug dazu gezwungen werden diese durch und durch verrotteten Institutionen, die sich trotz allem immer noch als Moralhüter gerieren, zu alimentieren und sie deswegen verlassen.