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Als bekennender Atheist stolpere ich manchmal über Texte mit viel "Gott" - die dann doch erstaunlich viel "Welt" enthalten. Viele Dichter haben sich am Thema "Krieg" versucht, dies nachfolgende Gedicht gehört aus meiner Sicht zu den Besten.
Ohne die Zeilen mit Gottesbezug wäre das Gedicht noch besser.
Gott schuf sie und ließ sie gewähren,
gab Erde, gab Geist und gab Zeit.
Und sie schlugen steinerne Beile
und Dolche und Speere und Pfeile
und wählten zum Götzen den Streit.
Sie nahmen den Fels für die Burgen
und Eisen für Rüstung und Schwert
und teilten in gut und in böse
und sagten, dass Gott sie erlöse
und hieben einander vom Pferd.
Sie gossen Gewehr und Kanone
und Worte wie Ehre und Mut
und zogen damit in die Kriege
und flehten zum Herrgott um Siege
und düngten die Erde mit Blut.
Sie bauten Maschinengewehre
und regneten Bomben herab
und sprachen vom Frieden auf Erden
und ließen den Frieden nicht werden
und füllten das Massengrab.
Sie griffen zum Mond mit Raketen
und stahlen der Erde das Grün,
verdarben die Wasser, die Fische
und nahmen der Luft ihre Frische
und meinten, es würde verziehn.
Sie spielten mit strahlenden Sonnen.
Und Geist wurde Henker und Knecht.
Noch träumten die Guten und Frommen
und sahen den Gluthauch nicht kommen
und fanden, so täten sie recht.
Sie kannten nur sich, nicht das Ganze,
vertaten die Zeit und ihr Glück,
verbrannten das Antlitz der Erde,
den Geist und das Sein und das Werde,
und Gott nahm die Schöpfung zurück.
Die letzte Zeile könnte lauten:
'die Natur fiel auf "Anfang" zurück.' - aber vielleicht sollte man es so lassen und nur die Tendenz des Gesamtwerkes wirken lassen.
[Boy Lornsen bzw. HIER]
Und wenn man mal ein wenig in den Büchern, die die Religionen begleiten, herumblättert, dann sehen wir auch, warum die Menschen so sind: sie wurde ja gerne von den Göttern (oder Gott) nach ihren Ebenbildern geschaffen. Und die sind meistens zürnend, eifersüchtig, bestrafend, kriegerisch, usw. Von daher kann man nicht viel erwarten, schließlich fällt der Apfel nicht weit vom Stamm.
Also, für mich geht es hier nicht um Krieg, sondern darum, was die Menschheit mit den ihr zur Verfügung stehenden Fähigkeiten, Chancen, Möglichkeiten gemacht hat und macht. Die letzte Strophe beschreibt den Jetztstand sehr gut. Und das ist vom Dichter erstaunlicherweise ja schon vor einiger Zeit so ge(be)schrieben worden. "Gott" muss wohl nichts zurücknehmen, das Problem erledigt sich über kurz oder lang von allein. Mensch sei Dank!
Wieso ist das erstaunlich? Boy Lornsen lebte im letzten Jahrhundert, so lange ist das doch gar nicht her. Und dass die Menschen hauptsächlich aus der Natur rausholen, ist keine Sache der Neuzeit. Bereits die alten Römer vergifteten teilweise Flüsse beim Abbau von Blei und die Polynesier holzten die früher mal stark bewaldete Osterinsel komplett ab. Der "edle Wilde" von Rousseau ist eine Fiktion, mit der sich manche eine vermeintlich bessere Zeit erträumten, die aber nichts mit der Realität zu tun hat.
@ Ingrid
Die Menschheit als Gesamtheit betrachtet teilt sich nach meiner Auffassung nach der Normalverteilung in Wenige die begreifen was an Abläufen zerstört wird, Viele denen es egal ist und wieder Wenige, die andere als intellektuelle Begabung haben.
Da aber Mehrheiten zählen und die Gier nach weltlichem Besitz stets größer ist als die Vernunft mit der Natur sorgsam umzugehen ist der Untergang programmiert - was der Dichter tatsächlich treffend in Worte gefaßt hat.
@ Doctor Snuggles
"erstaunlich" habe ich nicht allgemein, sondern bezogen auf den Gegensatz Gott-Mensch bzw. Gott-Welt gemeint. Was zunächst als fast schon religiöse 'Anbetung' angelegt ist schlägt rasch in eine Schelte der uneinsichtigen Schöpfung um. Die darin verborgene Kritik an der Religion, der Kreations von Monstern, die das Geschaffene nicht im Sinne des Schaffenden nutzen war es, was mich 'erstaunte'.
Den Aspekt des "Abbildes" hatte ich noch garnicht bedacht - aber es stimmt. Die Vorbilder sind nicht gerade friedfertig und schon erst Recht keine nachahmenswerten Beispiele. Es ist wohl eine Erklärung die genauso gut umgekehrt betrachtet werden kann, dem neige ich als Atheist eher zu:
Die von Menschen postulierten Götter gleich welcher Art wurden aus der Erlebenswelt beschrieben - und die war nun 'mal kriegerisch. Auch dort ging es um den Gewinn: Sex, Land, Geld - und es hat sich nichts geändert. Trotz "Aufklärung".
[OK, nicht ganz korrekt, Hexenverbrennungen gibt es nicht mehr, aber wenn man nach Süd-Osten schaut kommen schon Zweifel ....]
@WVS: Der Mensch hat in der Regel schon immer "nur rausgeholt". Es waren früher nur weniger Menschen, da waren die Regenerierungskräfte der Natur schnell genug. Außerdem hat der Mensch ja schon ein paar Sachen gelernt, wie z.B. die Mehrfelderwirtschaft. Das hat er aber nicht gemacht, weil er die Natur so liebt, sondern weil er gemerkt hat, dass es positiver für seinen Ertrag ist, wenn er die Felder zwischendurch auch einfach mal liegen läßt.
Im Gegenteil, ich glaube, nie hat man so viel Verständnis für die Abläufe in der Natur gehabt wie heute. Früher wußte man auch vieles, eben durch Beobachtung der Natur, aber man wußte eigentlich nicht genau, warum sich bestimmte Dinge so verhalten.
@ Doctor Snuggles
Prinzipiell haben sie das korrekt dargestellt mit dem "Raubbau" durch die Menschheit - wie immer gibt es Ausnahmen die mir da spontan einfallen:
- Die nordamerikanischen Indianer z.B. hatten durch ihre Kultur einen schonenden, hegenden Einfluß, weil sie immer nur soviel entnommen haben wie wieder nachwachsen konnte.
- Auch die mittelamerikanischen Hochkulturen haben nicht ausgebeutet sondern 'optimiert', indem sie sich etwas einfallen ließen wie Erträge gesteigert werden konnten.
So richtig "schlimm" wurde es erst mit der Industrialisierung. Die Entflechtung & Entfremdung von Arbeitsabläufen hin zu 'Fließband' & Facharbeitern hat dazu wesentlich beigetragen - aber bestimmt nicht 'schuldhaft', was das Individuum angeht, denn dass der Überblick verloren ging ist nicht den Einzelnen anzulasten.
Es waren schon immer 'Priviligierte' und 'Eliten', die zwar den Überblick hatten, sich aber um des 'profits' willen nicht um die Folgen scherten.
@ WVS: nein, die Indianerkulturen waren einfach nur nicht industriell so fortgeschritten und zahlenmäßig zu klein, als dass sich ihre Tätigkeiten groß ausgewirkt hätten. Und bei den mittel- und südamerikanischen Kulturen ist vieles auch schnell wieder überwuchert worden.
Im übrigen wäre es ein Witz zu glauben, dass Kulturen, die ihren Feinden bei lebendigem Leib das Herz rausschneiden, im friedvollen Einklang mit ihrer Umgebung leben würden. Ich stelle mir das gerade vor: nach erfolgreichem Feldzug (und Kriege gab es zahlreich) wurden wieder Blutopfer gebracht, die Pyramden waren rot von den geopferten Feinden, überall Leichen... und der Hohepriester weist in seiner Rede nochmals darauf hin, dass die Wasserverschwendung einzustellen und die Abfälle getrennt werden müssten ;-))
Interessanter Artikel dazu: http://www.sueddeutsche.de/wissen/umwelt-und-naturschutz-das-maerchen-vom-edlen-wilden-1.1087377-2
Danke für den Link - und ja, die edlen Wilden sind nicht immer so edel gewesen .... an ihrer Zahl mag es auch gelegen haben.
Dennoch:
Heute sollten wir doch klüger sein als zuvor und wenn ich mich so umsehe kann ich es nicht so recht glauben ....
Warum sollten wir denn heute klüger sein? Bis auf einzelne Fortschritte, die durch den Humanismus und die Aufklärung gekommen sind, sind wir doch nicht viel anders oder weiter als Menschen vor 3.000 Jahren. Die Wissenschaft und die Technik hat sich verbessert, aber der Mensch in seiner Gier und seinem Tellerranddenken hat sich doch nicht wirklich fortentwickelt. Die Menschen glauben doch auch heute noch an irgendwelche Naturgeister, Götter oder andere Dinge, die sich ausschließlich in ihrem Kopf abspielen - ebenso wie vor tausenden von Jahren. Und gäbe es nicht Gesetze, dann würden auch heute noch Frauen wegen roter Haare oder eines angeblich bösen Blicks verbrannt, in Vulkanen geopfert oder unter Folter ihre Schuld am schlechten Wasser im Dorfbrunnen bekennen.
IS zeigt uns doch, dass der Fortschritt permanent und überall verteidigt werden muss und längst nicht so tief verankert ist, wie wir uns das erhoffen. Übrigens: wußten Sie schon, dass es Umfragen gibt, nach denen längst nicht alle Biologielehrer in Deutschland wirklich von der Evolutionstheorie überzeugt sind und manche Kreationismus als mögliche Variante gar nicht für abwegig halten?
Und gerade weil der Menschen denken kann, sind diese tiefst primitiven Denkweisen, die da angesprochen werden, viel schlimmer zu bewerten als bei Tieren.
Da muß ich ein wenig weiter ausholen, mehr als von unterwegs möglich ist - am Wochenende, versprochen.
@ Doctor Snuggles
Die sogenante "Zivilisationsdecke" ist außerordentlich dünn - da stimme ich gern zu. Trotzdem ist doch eine Fortentwicklung festzustellen: Wir haben die Zweikämpfe um Rangordnung und Besitz 'unblutig' gemacht und ritualisiert, sodaß niemand mehr dadurch körperlichen Schaden nimmt (ob das besser ist sei dahingestellt) - "Lewwer duad üs Slaav" drückt eine Haltung aus die man bedauerlicherweise heute nur noch selten findet, denn im Prozeß der Zivilisation ist den Menschen das Rückgrat abhanden gekommen ....
"Der Mensch" ist eine Verallgemeinerung und mag auf einen größeren Anteil der Menschheit zutreffen, allerdings regional doch sehr unterschiedlich. Ich meine da einen Einfluß der graduell verschiedenen Erkenntnis, Bildung und Religionsferne zu entdecken - wo noch stark 'geglaubt' wird ist der Neuzeitmensch seinen archaischen Wurzeln näher! IS - sie sprechen es selbst an - kann da sehr gut als Beispiel dienen was Unwissenheit und Verharren in ursprünglichen Stammeskulturen anrichten.
Wer als Biologielehrer diesen kreationistischen Unfug 'glaubt' hätte kein Examen machen dürfen, mindestens nicht in diesen Fach:
Mein verehrter Entomologieprofessor Gerhard H. Schmidt pflegte besonders kritisch zu sein wenn ein Prüfling kam der als Fachkombination Religion und Biologie angegeben hatte .... was sich meist bewahrheitete und zu (s)einem apodiktischen "Herr Kandidat, dann kommen Sie nochmal wieder wenn Sie die Biologie verstanden haben!" führte.
Dieses Problem liegt allerdings aus meiner Sicht an der Art wie Menschen zum Lehramtsstudium zugelassen werden - nämlich ohne eine psychologische Bewertung! Wo doch gerade in dieser Profession für das Schicksal von ganzen Generationen die Weichen gestellt werden. Da das nicht geschieht nehme ich an, dass es den Mächtigen im Lande entweder egal ist oder sie es gar billigen. Weil unkritische, schlecht gebildete Bürger leichter zu manipulieren sind.