"Die Katze schaut auf uns runter.
Der Hund schaut zu uns auf.
Das Schwein begegnet uns auf Augenhöhe."
[Leicht verändert zitiert aus diesem Artikel]
Das obige Zitat ist sicher allseits bekannt - mindestens was die größten Gruppen von Haustieren angeht, nämlich Katzen und Hunde. Die erweiterte Fassung schließt nun die Schweine ein, die in Massenhaltung unter unsäglichen Bedingungen ihr Leben fristen und deswegen bestimmt nicht 'glücklich' sein können.
Wie so oft werden in dem Bestreben Tieren mehr Rechte zuzuordnen die Grenzen so hoch gesetzt, dass eine wirtschaftliche Haltung bei der augenblicklichen Nachfrage nicht erreicht werden kann. Dabei wäre es sicher schon ein Fortschritt zunächst die Zahl der gemeinsam gehaltenen Tiere in einer Stallanlage zu reduzieren und jedem Tier mehr Platz zu verschaffen. Nach und nach könnte dann über weitere Maßnahmen entschieden werden um schließlich zu einer "artgerechten" Haltung zu kommen.
Das ein Schwein nicht nur aus Filet, Kotelett und Schnitzel besteht wissen heute viele Menschen schon nicht mehr, ich habe es sehr früh gelernt. Deswegen habe ich auch keine Hemmungen Haxe, Schweinebauch, Kopfsülze, Blutwurst, Leberwurst, (Saure) Nieren und Leber zu essen - etwas, das mittlerweile aus der Mode gekommen ist, es paßt nicht zum modernen 'lifestyle' .... OK, vielleicht gerade noch Haxe, wenigstens im Süden des Landes.
Ich erinnenre mich noch sehr gut an meine Kindheit in einer mittelgroßen Stadt nahe Frankfurt/Main. Das war in den ersten Jahren nach dem Krieg, Anfang der 50er Jahre. Zweimal im Jahr waren wir zum "Schlachtfest" eingeladen, bei einer Freundin meiner Mutter, die ein paar Kilometer entfernt in einem kleinen Dorf wohnte.
Der Tag begann damit, dass das Schwein aus dem Stall geholt wurde. Vom ortsansässigen Metzer, der es sogleich mit einem Bolzenschußgerät vom Leben zum Tode brachte. Wir Kinder standen herum und sahen zu wie es dann an den Hinterläufen aufgehängt und wie ihm mit einem sehr scharfen Messer die Kehle durchschnitten wurde. das Blut fing der Metzger in einem Zinkeimer auf, und die Oma, die mit auf dem Gehöft wohnte, hatte dann die Aufgabe das Blut zu rühren und das entstehende Fibringerüst so daran zu hindern, das Blut gerinnen zu lassen. Es sollte doch Blutwurst daraus entstehen.
Währenddessen machte sich der Metzger daran das Schwein vom Schwanz her längs die Brust entlang bis zum Kopf aufzuschneiden, und dann nahm er ein kurzes, längliches Beilchen, öffnete so den Brustkorb entlang des Brustbeins und zog die Rippen nach rechts und links auseinander.
Unter dem Schwein stand eine etwas größere Wanne, in die wurden nach durchtrennen des Netzes (eine dünne Bindegewebsschicht, die die Eingeweide zusammen hält) Leber, Nieren, Blase, Darm samt Magen und die herausgelöste Lunge geworfen. Die anwesenden Frauen machten sich sodann daran die Eingeweide zu sortieren und den Darm zu entleeren - denn schließlich wurden all diese Teile das Schweines gebraucht um Wurst machen zu können. Der ausgewaschene Darm schwamm in einer großen Blechschüssel, bis ihn der Metzger nach Bedarf für die verschiedenen Wurstarten benutzte.
Derweilen war im Waschhaus, gleich neben der Scheune, der große Waschkessel gereinigt und mit Wasser gefüllt worden. Da hinein kamen alle für Wurst verwertbaren Teile des Schweines, sodass sich der Raum allmählich mit einem Geruch aus Kochfleisch und Gewürzen füllte, die der Metzger in großzügigen Schwüngen aus einem Papiersack in den Kessel warf.
Die 'besseren' Teile des Tieres, Schinken, Rippenstränge, Schulter lagen in bereit gestellten Schüsseln. Was da nicht weiter verarbeitet werden sollte kam ebenfalls in den großen Kessel und später in die Wurst. Muskelfleisch, Fett, Eingeweide und Teile wie Kopf und Beine nahm der Metzger nach angemessener Zeit wieder heraus und sie wurden kleiner geschnitten, dann durch einen Fleischwolf gedreht - so entstanden die verschiedenartigen Würste, je nach Fleischart und Gewürzzugabe.
Fertiggestellte Würste, ausgenommen Bratwurst, schwammen ebenfalls im großen "Wurstekessel" .... dessen flüssiger Inhalt, wenn alles fertig verarbeitet war, als Wurstsuppe mit frischem Brot an die anwesenden Helfer & Zuseher verteilt wurde - und da die Hausfrau großzügig war schwammen in dieser Suppe Wurststücke und Fleischbrocken.
Fleisch war in diesen Jahren ein- oder zweimal pro Woche auf dem Esstisch. Die örtlichen Metzger schlachteten genau so wie bei den Hausschlachtungen, allerdings einmal pro Woche. Dann konnte man bei ihnen mit der - zweckentfremdeten - Milchkanne "Wurstsuppe mit Einlage" bekommen. Einmal pro Woche! Wie auch anders, gab es doch noch keine Massenzucht von Schweinen wie jetzt. Geselliger und nachhaltiger waren die Hausschlachtungen bestimmt. Alles wurde verarbeitet, nichts wurde weggeworfen, niemand wandte sich angewidert ab wenn es darum ging Teile des Tieres zu essen die nicht aus reinem Muskelfleisch bestanden, wie etwa Innereien.
Manchmal wünsche ich mir diese Zeit zurück. Noch besser wäre es, wenn Jeder der Fleisch essen will wenigstens bei einer Schlachtung dabei gewesen wäre .... ich bin sicher, dann würde der Appetit auf tägliche Fleischration zurück gehen.
*update*
(07.01.2018)
Ja, genau so war's! Nur ein paar Kleinigkeiten noch:
Der Fleischbeschauer kam mit einer großen Lupe vorbei, um das Schwein zu "beschauen" (auf Parasiten zu untersuchen), und ihm seinen Stempel aufzudrücken, bevor das Fleisch verarbeitet werden durfte.
Die Schweinsblase wurde aufgeblasen und am Hoftor aufgehängt, so dass jeder sehen konnte: Hier gibt's heute Wurstsuppe und Wellfleisch!
Beim Essen der Innereien wurde übrigens auch das Hirn mitgegessen. Ob und inwiefern sich das auf die menschliche Hirnsubstanz auswirkte, kann ich nicht sagen.
Bevor die Blutwurstmasse in die Darmschläuche gefüllt wurde, bekamen neugierig herumstehende Kinder "eine Blutwurst angemessen" - d.h. der Metzger strich ihnen mit der Wurstmasse einmal quer zwischen Mund und Nase entlang, das fanden wir eklig und versuchten, rechtzeitig zu entkommen.
Ein Teil der Wurst (Leberwurst, Blut-/Griebenwurst, Schwartemagen und Bratwurst) wurde auch in Dosen konserviert. Wir Kinder wurden losgeschickt, um die "Dosenfrau" zu benachrichtigen: Sie kam dann ganz am Schluss mit ihrem Leiterwagen, darauf war eine Vorrichtung mit einem Schwungrad montiert, um die Dosen mit einem Deckel luftdicht zu versiegeln.
Und einmal habe ich es erlebt, dass das Töten mit dem Bolzenschussgerät nicht ganz so einfach funktionierte wie Sie es beschreiben. Der Metzger und mein Großvater, der Bauer, behalfen sich mit einer Axt, aber auch das erwies sich als schwierig. Wie es dann weiterging, weiß ich nicht mehr genau, denn in dem Augenblick entschied meine Tante, dass das doch kein Schauspiel für Kinder sei, und holte mich ins Haus.
Ich gestehe: ich gehöre auch schon zur Generation "Filet", bin aber –dies habe ich mir erhalten-zumindest Grenzgänger zwischen den diversen Fleischbrocken.
So kenne ich zwar die Worscht- Schnetzel- und Blutsupp‘ auch nur noch vom Hörensagen meiner Eltern, bin aber durchaus noch mit Nieren, Leber und Herz von Tieren im Mund aufgewachsen.
Ganz fettes oder sehniges Fleisch mag ich aber auch heute nicht, Kutteln sind mir allein schon von Wortes wegen ein Graus und ich reiße mich nicht unbedingt darum Innereien zu mir zu nehmen. Ebenso kann ich auch mit Hühnerfüßen nichts anfangen. ;-)
Ich denke, jeder sollte mal eine Straße bei 40 Grad Außentemperatur geteert haben, sonst kann er es nicht schätzen, darüber zu fahren. :-D
Bei Hühnerfüßen & Kutteln hört bei mir auch der Spaß auf, da sind wir einer Meinung. Wie schon zehn Jahre Altersunterschied auf die Speisevorzüge wirken kenne ich aus erster Hand, nämlich durch meine Frau. Die liegt mehr so auf ihrer Linie, wenn schon nicht die 'besseren' Teile aus den verschiedenen Spezies - dann lieber gar kein Fleisch .... insoweit kann ich in Spanien immer 'sündigen' und 'absonderliche Tierteile' essen, denn da versorge ich ja nur mich selbst ....
Fast hätte ich zu den 40°C-Straßenbauern "Touché!" ausgerufen - bis mir der kleine Unterschied klar wurde: Belebt / Unbelebt, und deswegen verschieden.
PS
Herz, richtig zerlegt und lange genug gekocht, kann ebenso wie Pansen durchaus zu wohlschmeckendem Gulasch verarbeitet werden - und ich wette meinen alten Filzhut, dass es 90% der Esser nicht einmal merken würden ;c)
Ja, genau so war's! Nur ein paar Kleinigkeiten noch:
Der Fleischbeschauer kam mit einer großen Lupe vorbei, um das Schwein zu "beschauen" und ihm seinen Stempel aufzudrücken, bevor das Fleisch verarbeitet werden durfte.
Die Schweinsblase wurde aufgeblasen und am Hoftor aufgehängt, so dass jeder sehen konnte: Hier gibt's heute Wurstsuppe und Wellfleisch!
Beim Essen der Innereien wurde übrigens auch das Hirn mitgegessen. Ob oder inwiefern sich das auf die menschliche Hirnsubstanz auswirkte, kann ich nicht sagen.
Bevor die Blutwurstmasse in die Darmschläuche gefüllt wurde, bekamen neugierig herumstehende Kinder "eine Blutwurst angemessen" - d.h. der Metzger strich ihnen mit der Wurstmasse einmal quer zwischen Mund und Nase entlang, das fanden wir eklig und versuchten, rechtzeitig zu entkommen.
Ein Teil der Wurst (Leberwurst, Blut-/Griebenwurst, Schwartemagen und Bratwurst) wurde auch in Dosen konserviert. Wir Kinder wurden losgeschickt, um die "Dosenfrau" zu benachrichtigen: Sie kam dann ganz am Schluss mit ihrem Leiterwagen, darauf war eine Vorrichtung mit einem Schwungrad montiert, um die Dosen mit einem Deckel luftdicht zu versiegeln.
Und einmal habe ich es erlebt, dass das Töten mit dem Bolzenschussgerät nicht ganz so einfach funktionierte, wie Sie es beschreiben. Der Metzger und mein Großvater, der Bauer, behalfen sich mit einer Axt, aber auch das erwies sich als schwierig. Wie es dann weiterging, weiß ich nicht mehr genau, denn in dem Augenblick entschied meine Tante, dass das doch kein Schauspiel für Kinder sei, und holte mich ins Haus.
Die Sache mit den Dosen kenne ich nicht. Wahrscheinlich weil ich ein paar Jahre älter bin, denn diese Zeiten der Hausschlachtung fallen in die frühen Fünfziger. Da waren die Resourcen noch knapp und die Stahlindustrie am Boden. Vieles wurde aus Aluminium hergestellt, aus Flugzeugresten, oder Bekleidung aus Fallschirmseide, ebenfalls Reste von Kriegsmaterial. So behalf man sich den Rohstoffmangel zu beheben - mit dem was für 'andere' Zwecke nicht mehr gebraucht wurde.
Meine Erinnerung betrifft die Jahre ab ca. Mitte der 50er.
Ich kann mich erinnern, dass auch Gemüse in Dosen eingekocht wurde, z.B. Bohnen. Diese Dosen waren allerdings mit Deckel und einem Gummi versehen, ähnlich wie bei Weckgläsern üblich, und wiederverwendbar, eine Dosenfrau brauchte man dafür nicht; sie waren messingfarben, jedenfalls von außen, für Kinderaugen golden!