".. 1902 hatte im Gefolge dieser Affäre [Dreyfuß] die politische Linke die Parlamentswahlen gewonnen. Von den Radikaldemokraten wurde insbesondere die katholische Kirche als Feind der Republik angesehen. Die bürgerlichen Liberalen kritisierten insbesondere ihre antimodernistische Haltung .. Die neue Regierung fasste den Entschluss, endgültig den Einfluss der Kirchen auf die Gesellschaft und insbesondere das Erziehungswesen zu beschränken .. In einer Reihe von Gesetzen wurde das Verhältnis von Kirche und französischem Staat neu geregelt:
- Bereits 1901 zwang das noch von der Vorgängerregierung erlassene französische Vereinsgesetz alle Klöster, Orden und Kongregationen päpstlichen Rechts, sich der Autorität eines französischen Bischofs zu unterstellen; exemte Gemeinschaften, die unmittelbar dem Papst unterstellt waren, mussten sich im Oktober 1901 auflösen oder Frankreich verlassen.
- Juli 1902: Schließung der ca. 3000 nicht staatlich genehmigten kirchlichen Schulen. Dies führte zu heftigen öffentlichen Protesten – 74 Bischöfe unterzeichneten eine „Protestation“. Daraufhin stellte die Regierung die Besoldung von Bischöfen ein.
- März 1903: Auflösung aller männlichen Ordensgemeinschaften ..
- Juli 1903: Auflösung aller weiblichen Ordensgemeinschaften
- 7. Juli 1904: Verbot der Neugründung von OrdensgemeinschaftenAm 9. Dezember 1905 wurde schließlich das Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat verabschiedet. Dieses Gesetz etablierte in Frankreich das heute noch geltende Prinzip des Laizismus, d. h. der vollständigen Trennung von Kirche und Staat. Das Gesetz galt zwar vor allem der katholischen Kirche, doch wurden aus Gründen der Neutralität in diese Regelung die anderen Konfessionen und Religionsgemeinschaften einbezogen .."
Hierzulande geht man mit Glaceehandschuhen vor und bindet die Kirchen in den Prozeß der Ablösung von Staatsleistungen ein. Welch ein Unterschied zum Vorgehen der Franzosen! Sofern man den Beschlußprozeß nicht allein politisch verfügt steht es doch schon fest, dass sich die Betroffenen nicht freiwillig ihrer Rechte begeben werden. Mehrere hundert Jahre des Beharrens und der Bequemlichkeit müssen aufgegeben werden und die Strukturen der Kirchenverwaltung bzw. bei der katholischen Kirche die Anbindung an Rom bedürfen eines radikalen Umbaus. Wenn der Staat nicht mehr Steuern für die Kirchen einstreicht - was sowieso weltweit einen Sonderfall darstellt - und die Leistungen der Bezahlung von Kirchenoberen aus dem Staatssäckel (die obendrauf bisher gewährt wird, was der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt ist) einstellt entsteht dringender Handlungsbedarf um die bisherigen Aufgaben zu sichern. Wenn die in kirchlicher Trägerschaft befindlichen Einrichtungen wie Pflege- und Betreuungsheime, allgemeine Sozialdienste, Kindergärten und Krankenhäuser ent-kirchlicht werden ist der finanzielle Mehrbedarf von Seiten des Staates nicht sehr hoch, denn es zahlen die Steuerzahler jetzt schon mehr als 95% der Kosten in diesen Institutionen.
Es ist weiterhin zu befürchten, dass die Kirchen immer radikalere Stellung einnehmen werden wenn der Prozeß sich hinzieht:
Das sieht man schon in der Unterstützung für die muslimischen Bestrebungen sich als "Anstalten Öffentlichen Rechts" zu etablieren - was dem Bestreben Religion aus dem staatlichen Handeln und der Beeinflussung der Gesetzgebung zu entfernen zuwiderläuft.
Da die Kirchen ein spezifisch auf sie zugeschnittenes Arbeitsrecht haben ist einem Großteil ihrer Mitarbeitenden der Entschluß verwehrt sich der Kirchenzugehörigkeit zu entledigen - sie liefen ansonsten Gefahr ihren Arbeitsplatz zu verlieren!
Diese archaische Einflußnahme auf das Leben und Wohlergehen der in kirchlichen Beschäftigungsverhältnissen stehen Menschen ist zutiefst undemokratisch und beschneidet deren verfassungsmäßiges Recht auf Religionsfreiheit.
Bedauerlicherweise wird "Religionsfreiheit" immer nur in einer Richtung interpretiert:
Es wird als "Freiheit eine Religion zu haben" angesehen, negiert wird eine "Freiheit keine Religion zu haben"!
PS:
Einen besonderen Anachronismus stellt der § 166 [Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen] dar. Etwa eine "Fiktion" (Religion) als solche zu benennen mit Strafe zu bewehren ist wahrhaftig nicht mehr 'zeitgemäß'. Es ist dringend geboten hier eine Abschaffung zu beschleunigen.
Zitat: "Wenn die in kirchlicher Trägerschaft befindlichen Einrichtungen wie Pflege- und Betreuungsheime, allgemeine Sozialdienste, Kindergärten und Krankenhäuser ent-kirchlicht werden ist der finanzielle Mehrbedarf von Seiten des Staates nicht sehr hoch, denn es zahlen die Steuerzahler jetzt schon mehr als 95% der Kosten in diesen Institutionen."
Danke für diese Information. Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass diese Einrichtungen weitaus weniger staatliche Unterstützung erhalten.
Umso mehr wäre es jetzt dringend geboten, die Trennung von Kirche und Staat zu vollziehen!
Da geht es Ihnen so wie Vielen in unserer Republik, denn wenn eine Befragung stattfindet WARUM wir Kirchen brauchen kommt immer die Antwort "Soziale Dienste"!
Zitat (Quelle):
".. In dieser Übersicht sind 83,6 Prozent aller Beschäftigten bei Caritas und Diakonie erfasst. Unter Einbeziehung der weiteren Tätigkeitsbereiche wie Berufsbildungs- und Berufsförderungswerke, Fachschulen, Wohnheime, etc. – die nicht detailliert erfasst wurden – ergibt sich eine Größenordnung von insgesamt rund 44,5 Mrd. Euro Aufwandsvolumen für Caritas und Diakonie. Da in diese weiteren Tätigkeitsbereiche keine nennenswerten Kirchenmittel fließen, liegt die Kirchenquote insgesamt bei 1,8 Prozent .."
"Kirchenquote" ist in dieser Berechnung der Anteil den die Kirchen selbst tragen.
Der größte Skandal ist aus meiner Sicht die 'unbegründete' (!) Tatsache, dass es ein besonderes kirchliches Arbeitsrecht gibt durch das Abermillionen (!) von Mitarbeitenden in den Kirchen gezwungen sind Mitglieder zu bleiben wenn sie nicht ihren Arbeitsplatz verlieren wollen.
Manchmal gehen mir die Ausrufezeichen aus wenn ich an *Kirchen* denke ....
Nehmen wir das Beispiel Berlin:
Dort sind nur 19,9% der Menschen Kichenmitglieder - und trotzdem hat die neue schwarz-rote Regierung als eine der ersten Maßnahmen einen verbindlichen Religionsunterricht eingeführt.