Beim hpd war jüngst über einen Skandal zu lesen, der erst zu einem Skandal wurde als die Münster'sche Hauspostille ihre Chance sah einmal wieder aus der publizistischen Versenkung herauszulugen - und prompt aus einer Mücke einen Elefanten zu basteln.
Ein Kommentator, ein gewisser "Christian Meißner", hat es besonders eifrig aufgenommen was da passiert war und gleich in drei Abschnitten argumentiert. Obwohl es um die Entfernung eines Kreuzes ging lasen sich seine Einlassungen streckenweise wie ein religiöses Pamphlet zur Besinnung auf das einzig *richtige* Denken.
Meine Antwort, auch aufgeteilt, in an den Kommentator gerichteter Formulierung:
https://hpd.de/comment/78564#comment-78564
Christian Meißner am 4. November 2022 - 21:38
Sie stellen folgendes dreiteiliges Zitat zusammen und behandeln es so, als ob es einen Zusammenhang gäbe
".. "We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, and are endowed by their Creator with certain unalienable rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness." .."
".. Eleanor Roosevelt, die als Vorsitzende der UN-Menschenrechtskommission 1948 die allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit herausarbeitete, hatte bereits in ihrem 1932 erschienenen Aufsatz "Was Religion mir bedeutet" den christlichen Glauben als Triebfeder für ihr Handeln herausgestellt .."
".. Die Menschenrechte wären also ohne Religion nicht denkbar gewesen .."
1. Falsch, denn ob Frau Roosevelt gläubig war oder nicht hat mit dem, was später als "Menschenrechte" deklariert wurde nichts zu tun. Genausowenig Bedeutung haben andere Äußerungen die sie möglicherweise zu anderen Themen gemacht hat - sucht man lange genug nach "Beweisen" für ihre Religiosität findet man schließlich etwas wie das, was Sie hier präsentieren.
Ein typisches Beispiel für *dogmatisches Denken*, das an bestehenden Thesen keine Zweifel zuläßt und stets nur solche Gründe sucht, die das Dogma bestätigen. Wissenschaftlich gilt aber nur als Beweis was ergebnisoffen untersucht wurde.
2. E. Roosevelt
WIKIPEDIA stellt fest: ".. Wesentlichen Anteil an der Abfassung hatten der kanadische Jurist John Peters Humphrey, der libanesische Politiker und Philosoph Charles Malik, der französische Jurist René Cassin, der chinesische Philosoph Peng Chun Chang, Eleanor Roosevelt, die Witwe des vormaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, sowie Jacques Maritain, ein französischer Philosoph .." [Quelle → https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte#Vorl%C3%A4ufer]
Es erschließt sich dem Leser nicht, wieso ausgerechnet Frau Roosevelt als eine von 18 beteiligten Personen maßgeblich oder bestimmend für die Menschenrechtscharta gewesen sein sollte, waren doch Fachleute mit juristischer Vorbildung und Erfahrung bestimmt besser in der Lage einen alle Nationen befriedigenden Text zu erarbeiten. Als Vorsitzende wird sie - nach heute noch üblichem Protokoll - eher eine oranisatorische und logistische, mitunter ausgleichende ond vermittelnde Aufgabe gehabt haben.
3. 1776 wussten es die Menschen nicht besser - ihr Weltbild war geprägt davon, dass es einen Gott gäbe. Für jene modernen Menschen, die das immer noch trotz aller gegenteiligen Beweise tun mag das als 'Beweis' herhalten. Für alle Anderen ist es lediglich eine anekdotische Erwähnung.
Ganz einfach gesagt:
Religion ist basiert auf einer Fiktion. Ist diese widerlegt so kann Religion nicht ursächlich für die Menschenrechte sein.
Wenn Religion für die Menschenrechte so bedeutsam gewesen wäre wie Sie es darstellen hätte das doch Erwähnung in der Endfassung der Charta gefunden. Dass es nicht geschehen ist bedeutet keinesfalls das, was Sie anführen: ".. Die Menschenrechte wären also ohne Religion nicht denkbar gewesen .." sondern offenbar genau das Gegenteil.
https://hpd.de/comment/78564#comment-78564
Christian Meißner am 4. November 2022 - 21:38
Weiter führen Sie aus:
".. Im Übrigen ist es ein Irrtum, zu glauben, dass Werte wie Solidarität und Fairness schon von vornherein qua Automatismus im Menschen zur Geltung kommen. Wer dies meint, übersieht eine entscheidende Tatsache, nämlich die Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen Naturgesetzen und normativen Gesetzen.
In Karl Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" heißt es: "Aber sogar diese höheren Normen sind unser Werk. Wir haben uns freiwillig für sie entschieden und wir allein tragen für diese Entscheidung die Verantwortung. In der Natur kommen sie nicht vor."
ebda, Band I, "Der Ursprung von Mythos und Schicksal", Kapitel 5.: "Natur und Konvention"
1. Wer betreibt Rosinenpickerei? Sie doch eher, weil Sie von Popper zitieren was Ihnen gefällt aber Poppers Kritik an den drei monotheistischen Religionen völlig übergeht, weil sie nicht in ihre Argumentationsschiene passt:
Ich fand nach kurzer Suche folgenden total widersprüchlichen Text:
".. Hier zeigt sich Popper, der ja keine Moral begründet hat, als Vertreter einer Ethik der Nächstenliebe im Sinne der Bibel. Das Erschreckende für ihn sei, dass die drei monotheistischen Religionen, die alle das Gebot: ‚Du sollst nicht töten!’
kennen, die grausamsten Verfolgungen und Religionskriege entfesselt haben. Das alles sei tragischerweise um der sogenannten Rechtgläubigkeit willen geschehen. In logischer Fortsetzung seien später „andere Glaubensgründe“ dazugekommen, um jeden Terror zu rechtfertigen: Nation, Rasse, eine andere politische Überzeugung. „In der Idee der Rechtgläubigkeit und des Ketzertums sind die kleinlichsten Laster versteckt; jene Laster, für die die Intellektuellen besonders anfällig sind: Arroganz, Rechthaberei, Besserwissen, intellektuelle Eitelkeit.“ Popper meint, dass eben diese „kleinlichen Laster“ der Intellektuellen die Auslöser für große Menschheitskatastrophen waren und sind .."
[Vgl. Popper, „Duldsamkeit und intellektuelle Verantwortung“, in: ders. ,Auf der Suche nach einer besseren Welt’, 222f.]
".. In der Natur kommen sie nicht vor .."
Popper ist weiterhin bezüglich der Fähigkeit von Tieren längst widerlegt und hat selbst (!) die drei monotheistischen Religionen der Kleinlichkeit und Laster der Arroganz etc. geziehen und sie als Auslöser der großen Menschheitskatastrophen bloßgestellt.
2. Es gibt wissenschaftlich fundierte Untersuchungen und Nachweise von Solidarität, Fairness, Mitgefühl und Altruismus bei Tieren:
Zu Zeiten der ersten Bestandsaufnahme durch Popper waren die Forschungen noch eher auf Anatomie und Physiologie der Tiere gerichtet. Wie sollte er da Hinweise auf höhere Funktionen und Handlungen von Tieren haben?
Ich schlage vor Sie suchen einmal bei youtube nach Videos mit den Stichworten die angeführt sind - Sie werden erstaunt sein, wie gut die Fähigkeiten von Tieren in Bild und Ton belegt sind.
Hier ist weiterhin wichtig zu erwähnen, dass die Zitate der Bibel Tieren jegliche Würde absprechen, werden sie doch als 'dem Menschen untertan' und zum 'Gebrauch' verfügbar dargestellt. Die moderne Biologie unserer Tage hat genügend Beweise, dass der Mensch lediglich auf Grund religiöser Fehlannahmen eine besondere Stellung unter den Lebewesen bekommen hat, die sich so als nicht haltbar erweisen und den Menschen als lediglich eine Art unter vielen Tierarten einordnen.
Daraus ergibt sich weiterhin die schlüssige Annahme der Mensch habe nicht mehr vorzuweisen als die ihn umgebende Fauna. Ganz im Gegenteil: Es gibt Tiere die auf Teilgebieten der Lebensäußerungen erheblich besser ausgestattet sind als der Mensch.
Ein wesentlicher Teil der Probleme in Hinsicht auf Umweltschäden und globale Erwärmung basiert gerade auf der von den Religionen postulierten 'gottähnlichen Einzigartigkeit' und den daraus hergeleiteten Rechten ALLES zu seinem eigenen Nutzen zu verwenden - ohne jede Rücksicht auf seine Mit-Lebewesen.
https://hpd.de/comment/78570#comment-78570
Christian Meißner am 5. November 2022 - 5:52
Sie schreiben als 'Beweis' göttlicher Fügung:
".. Am 9. Oktober 1989 gingen nach dem Friedensgebet in der Leipziger Nikolaikirche rund 70.000 Menschen auf die Straße, um für ihre Freiheiten und gegen die SED-Diktatur zu demonstrieren.
Es ist nicht erforderlich, an die Wirkung von Gebeten zu glauben, um den Fakt anzuerkennen, dass der religiöse Glaube einigen dieser Menschen den Mut gegeben hat, erfolgreich friedlichen Protest gegen das damalige Régime zu organisieren. Derselbe religiöse Glaube war für den Widerstand der Bekennenden Kirche im Dritten Reich verantwortlich .."
Die infame Verkehrung der Tatsachen zeigt sich aber in ihrer Formulierung:
".. Glücklicherweise gibt es in dieser Republik genug vernunftbegabte Menschen, die bzgl. der Religion auf diese Masche des Herauspickens der faulsten Rosinen nicht hereinfallen .." - waren es doch die großen Kirchen die mit Duldung und Verleugnung dem Régime der NSDAP Vorschub leisteten und sich von denen in ihren Reihen distanzierten die in kleinen Zahlen (!) Widerstand leisteten.
Zweifelsfrei ist das Gegenteil richtig, denn es gibt keinen Gott. Für an Fakten orientierte Menschen ist daher dessen angebliches Einwirken auf die 70.000 Personen in der genannten Demonstration ohne jeden Wert. Allein der geringe tatsächliche Prozentsatz an 'Gläubigen' in den früheren Gebieten der DDR läßt es mehr als zweifelhaft erscheinen, dass diese sich mehrheitlich an jenem Tag in Leipzig versammelt hätten.
Absurd, wie ihre Ausführungen insgesamt. Die mit der Entfernung eines christlichen Symbols im Versammlungsraum einer politischen Tagung im *pechschwarzen Münster* zweifelsohne keinerlei kaum Bezug haben. Sie richten einen Popanz auf um ihn sodann zu bekämpfen und seine Schwächen bloßzustellen. Reine Spiegelfechterei ohne jede Beweiskraft.
Umso vernünftiger indessen der Ursprungsartikel der hpd-Autorin – obwohl studierte Katholische Theologin ;)
Von dieser Autorin sind schon mehrere beachtenswerte Veröffentlichungen beim hpd zu lesen gewesen. Es ist vielen *Rechtgläubigen* ein Dorn im Auge wenn sie kritisch in Augenschein nimmt was die Kirchen so tun ....
Gleichzeitig ein Beweis dafür, dass es selten zu spät ist sich der Vernunft zuzuwenden.
Ich wurde kurz nach meiner Geburt selbst - zwangsweise und gegen den Willen meiner Mutter! - im Nonnen-geführten Notkrankenhaus katholisch getauft, da man zu jener Zeit noch immer unter dem Kriegseindruck stand und glaubte rasch handeln zu müssen, um die kindlichen Seelen zu retten, falls sie den Kriegsfolgen Hunger & Krankheiten anheim fallen sollten.
Schon dieser erste Übergriff hat mich als Kind bestätigt die Katholischen kritisch zu betrachten und ich wurde Evangelisch. Bis ich mit 21 vor einem Richter und gegen saftige Gebühr auch aus dieser Glaubensgemeinschaft austreten konnte.